Dokument-Nr. 13567
Kimmig, Leopold an Pius XI.
Vöhrenbach, 05. Juni 1923

Abschrift !
Ehrfurchtvoll wende ich mich an Ihre Heiligkeit, indem ich Ihnen eine große Bitte unterbreite. Ich Unterzeichneter bin Student der Jurisprudenz und Nationalökonomie kath. und 21 Jahre alt. Jäh wurde ich aus meinem Studien herausgerissen, da sich ein tuberkulöser Spitzenkatarrh der rechten Lunge bei mir eingeschlichen hatte. Sofort wandte ich mich an die Freiburger Studentenhilfe zwecks Aufnahme in ein Sanatorium oder Krankenhaus für Lungenkranke. Nach langem Zögern trat die Studentenhilfe in Tätigkeit und so konnte ich einen beinahe dreimonatigen Aufenthalt in Vöhrenbach im bad. Schwarzwald nehmen. Doch der erwartete Erfolg trat nicht ein; denn es zeigte sich, daß die Gegend zu rauh war, daß ich in einem warmen Klima bedeutendere Fortschritte machen würde. Ein Bronchialkatarrh nach dem andern stellte sich ein, so daß der Spitzenkatarrh natürlich sich nicht bessern konnte. Dazu kam der Umstand, daß ich auch mit dem Magen zu tun hatte. Da das Essen nicht kräftig genug war, kam es, daß ich nicht zunahm an Blut und Gewicht, wie es hätte sein sollen. Der Arzt erklärte mir dringend, ich müßte ein milderes Klima aufsuchen, und empfahl mir besonders den Süden. Den Kostenpunkt hat er freilich nicht beachtet. Zu meinem Schrecken mußte ich heute hören, daß die Studentenhilfe, die schon viel für mich getan hat, ihre weitere Hilfe versagt. Sie sei nicht mehr imstande, weiter die Auslagen zu bestreiten. Was soll ich nun in dieser Lage machen? Ich soll nach dem Süden und die Studentenhilfe weigert sich, die ungeheueren Kosten zu übernehmen. Mein Vater, der von Beruf Platzmeister ist, verdient monatlich 250.000 M,
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davon müssen meine Mutter und 6 Geschwister leben. Daß von diesem Geld für meine Kur nicht viel übrig bleibt, wird Ihre Heiligkeit wohl verstehen. Wenn ich keinen Aufenthalt in einem wärmeren Klima nehme, so muß ich noch lange Zeit liegen, bis ich einigermaßen gesund bin. Darum möchte ich an Ihre Heiligkeit, die schon so viel für deutsche Studenten getan hat, die Bitte richten, auch über mich Ihre mildtätige Hand auszustrecken. Vielleicht weiß Ihre Heiligkeit an der Riviera, in Oberitalien oder in der Schweiz, wo ich bei ganz mildem Klima in Ruhe durch kräftiges Essen und ärztlicher Behandlung der baldigen Gesundheit entgegensehen kann, um dann wieder die Studien wieder [sic] aufnehmen zu können. Ganz gleichgültig ist es, ob der Ort ein Privathaus oder ein Kloster ist, wenn ich nur gesund werde. Wenn Ihre Heiligkeit meiner großen Bitte Gehör schenkte, so wäre ich zu ungeheuerem Dank verpflichtet. Ich kann ihn nur durch das Gebet erweisen, Gott wird aber Ihre Heiligkeit für Ihre Tat im Himmel belohnen. Sofort würde ich abreisen, wenn ich von Ihre [sic] Heiligkeit die freudige Nachricht hätte. Vielleicht hätten auch Ihre Heiligkeit die Liebenswürdigkeit, für die Fahrkarte Sorge zu tragen, da bei der ungeheueren Markentwertung eine solche ungeheuer viel kostet. Seine Heiligkeit können sich zu jeder Zeit über den Zustand meiner Gesundheit in der Poliklinik in Freiburg bei Prof. Dr. Königsfeld erkundigen. Meine Tuberkulose ist geschlossen und nicht offen. Sollten Ihre Heiligkeit sich entschließen, mir einen Ort anzuweisen, so bitte ich, mir das bald zugehen zu lassen, damit ich die Kur bald beginnen kann und ich nicht das Wintersemester 1923 wiederum verliere. Ich sage Ihrer Heiligkeit für Ihre Bemühungen im Voraus ein herzl. Vergelts Gott.
Indem ich mit Zuversicht und Gottvertrauen der Antwort Ihrer Heiligkeit entgegensehe,
grüßt Sie in tiefer Ehrfurcht als den Oberhirten der kath. Christenheit
Ihr
gez. Leopold Kimmig.
Absender: Leopold Kimmig stud. iur. et rer. pol.
Freiburg i. br., Schloßbergstr. 32, Deutschland (Baden).
Empfohlene Zitierweise
Kimmig, Leopold an PiusXI. vom 05. Juni 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13567, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13567. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 23.07.2014.