Dokument-Nr. 19409
Krüsemann, Paul an Pius XI.
Krefeld, 08. August 1928

Heiliger Vater!
Ew. Heiligkeit naht sich ein schwerbedrückter und bekümmerter Vater in tiefer Ehrfurcht und zugleich mit dem vollsten Vertrauen, mit welchem die Kinder der Kirche sich an die Vatergüte Ew. Heiligkeit wenden dürfen.
Ist meine Angelegenheit auch eine schwerwiegende, so ist sie doch nur privater und persönlicher Natur, und aus diesem Grunde würde ich es nie gewagt haben, dieselbe an Ew. Heiligkeit zu richten, wenn nicht der Zuspruch von hochstehenden Personen des kirchlichen und öffentlichen Lebens mir den Mut gegeben hätte.
Heiliger Vater! Es handelt sich um meinen jüngsten Sohn: Johannes Krüsemann, für den ich Ew. Heiligkeit Hilfe anflehe, damit er aus der Fremdenlegion entlassen wird.
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Die wirklichen Gründe seines Eintritts in die Fremdenlegion sind mir verschlossen. Welche sie aber auch sein mögen, ich möchte nichts unterlassen, um das Schicksal meines irrenden Sohnes doch wieder zum guten Ende zu lenken und ihn, wenn möglich, vor Beendigung der Werbezeit ins Vaterhaus zurückführen.
Oktober 1926 kam mein Sohn nach Sidi-bel-Abbes in Algerien. Nach kurzer Ausbildung sollte er nach Marocco transportiert werden. Er erkrankte jedoch vor dem Ausmarsche und kam als typhusverdächtig in die Krankenbaracken. Nach 6 Monaten wurde er entlassen und einem neuen Trupp von Legionären zugeteilt, dessen Bestimmung auch Marocco war. Das eigentliche Ziel war Marrakech, das aber auch nur Übergangsstation sein sollte zu einem grösseren Marsch in das Innere von Marocco hinein. Die Strapazen des Marsches und des Klimas haben seine Gesundheit damals vollständig zerrüttet. Kurz nach der Erreichung des Bestimmungsortes brach er vollständig zusammen. Schwere Fieber, eitrige Zahngeschwüre, Kopfschmerzen, Darmleiden und Fußleiden machten ihn vollständig dienstunfähig und veranlassten seinen Colonel, ihn nach Marakech zurück-transportieren zu lassen. Er wurde im Garnisionlazarett untergebracht - wieder als typhusverdächtig und musste dort 5 Monate
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bleiben, um zur weiteren Verwendung fähig zu sein. Vom Lazarett aus kehrte er zu seinem Regiment zurück und kaum dort angelangt, stellten sich die oben erwähnten Leiden aufs neue ein. Man fand ihn fast leblos liegend und musste ihn wieder nach Marrakech zurückbringen. Hier fand er im Hospital Genesung und ist nun soweit hergestellt, dass er einen neuen Abtransport erwartet. Das sind die mir bekannten Vorgänge.
In erster Linie bekümmert mich der an sich schon schwache – (die oben erwähnten Krankheiten quählten [sic] ihn auch schon seit Jahren in der Heimat) – und jetzt sehr hart zerrüttete Gesundheitszustand meines Sohnes, der nach allem die Befürchtung rechtfertigt, dass er nach 3 weiteren Dienstjahren in der Legion für sein ganzes Leben arbeitsunfähig sein wird, wenn ihn nicht schon drüben ein vorzeitiges Ende erreicht. Ich selbst habe das 70. Lebensjahr überschritten und trage grosse Sorge meinen Sohne vor dem Tode nicht mehr wiederzusehen. Infolge mancher Kümmernisse, - meine Frau starb vor einigen Jahren und zwei Söhne habe ich durch den Krieg verloren, - ist meine Gesundheit sehr zerrüttet. Ein Herzleiden stellte sich nach dem Fortgang meines Sohnes ein und zwar zeitweise sehr heftig,
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so dass die Befürchtung, meinen Sohn nie mehr zu sehen [sic] nicht unbegründet ist.
Auch beunruhigt mich der Gedanke seiner späteren Ausbildung. Jetzt würde es mir vielleicht noch möglich sein, ihm eine ehrbare Existenz für seine Zukunft zu gründen, - eine grosse Sorge, die mir vor meinem Ableben noch sehr am Herzen liegt.
Dieses Leid lastet schwer auf meiner ganzen Familie und darum bitte ich Ew. Heiligkeit inständigst um wohlwollende Vermittlung, dass mein Sohn bald befreit und dem Vaterhause zurückgegeben werde.
In aufrichtiger Verehrung und mit ehrfurchtsvollem Fusskuss
Ew. Heiligkeit treuest
ergebenster Sohn
Paul Krüsemann Iustizrat
Empfohlene Zitierweise
Krüsemann, Paul an PiusXI. vom 08. August 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 19409, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/19409. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 20.01.2020.