Frankfurter Konferenzen

Auf den Frankfurter Konferenzen verhandelten die protestantisch geprägten südwestdeutschen Staaten Baden, Württemberg, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt und Nassau zwischen 1818 und 1822/1827 über die zukünftige Gestaltung der katholischen Bistümer in ihren Territorien.
Eine grundlegende Neuordnung der Zirkumskription war durch den Reichsdeputationshauptschluss notwendig geworden. Nachdem einerseits ein allgemeines Reichskonkordat gescheitert und andererseits Hannover und Preußen separate Konkordatsverhandlungen aufgenommen hatten, taten sich die südwestdeutschen Staaten auf eine Initiative Württembergs hin zusammen. Das Endergebnis war die Errichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz, bestehend aus fünf Bistümern: 1. dem neu errichteten Erzbistum Freiburg im Breisgau für Baden, Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen, 2. dem Bistum Rottenburg für Württemberg, 3. dem Bistum Mainz für Hessen-Darmstadt, 4. dem Bistum Fulda für Hessen-Kassel und Sachsen-Weimar sowie 5. dem Bistum Limburg für Nassau und die Freie Stadt Frankfurt.
1818 verabschiedeten die Staaten auf den Frankfurter Konferenzen "Grundzüge zu einer Vereinbarung über die Verhältnisse der katholischen Kirche in deutschen Bundesstaaten". Sie legten diese im Folgejahr in einer verkürzten Fassung als "Deklaration" dem Heiligen Stuhl vor, der sie in Teilen annahm. 1820/21 diskutierten die Staaten in Frankfurt die Gestalt der Kirchenprovinz diskutiert und legten Freiburg im Breisgau als neuen Sitz des Erzbistums fest. Noch bevor der Heilige Stuhl reagieren konnte, verabschiedeten die südwestdeutschen Staaten zudem eine Kirchenpragmatik, die "Gemeinsame Grundsätze des Staatskirchenrechts" aufstellte. Im August 1821 bestätigte der Heilige Stuhl die in Frankfurt beschlossene Neuordnung und errichtete seinerseits mit der Bulle "Provida solersque" die oberrheinische Kirchenprovinz. Auf weiteren Sitzungen in Frankfurt von Oktober 1821 bis Februar 1822 nahmen die Staaten ihrerseits die Bulle an, ließen sich jedoch Zeit mit der Umsetzung. Gleichzeitig blieben die anstehenden Bischofsernennungen ein Streitpunkt zwischen dem Heiligen Stuhl und den in Frankfurt versammelten Staaten. Ein zunächst geheimer Staatsvertrag von 1822 sah zudem vor, dass die neuen Bischöfe die Kirchenpragmatik akzeptieren mussten. Dies wiederum lehnte der Heilige Stuhl ab, sodass die Staaten die Kirchenpragmatik schließlich zurückzogen. Der Heilige Stuhl stellte den Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz 1825 ein Ultimatum zur Umsetzung der Bulle "Provida solersque" und zur Annahme der päpstlichen Konditionen. Diese erfolgte 1826 in Frankfurt, woraufhin 1827 mit der Bulle "Ad Dominici gregis custodiam" und dem ergänzenden Breve "Re sacra" der Modus der Bischofsernennungen festgelegt werden und in der Besetzung der Bischofsstühle in Freiburg und Rottenburg 1827 und 1828 zur Anwendung kommen konnte.
Dass die südwestdeutschen Staaten letztlich nicht bereit waren, von ihren 1820 in der Kirchenpragmatik formulierten Ansprüchen abzurücken, wurde in den 1830 von den in Frankfurt beteiligten Staaten erlassenen gleichlautenden "Landesherrlichen Verordnungen die Ausübung des oberhoheitlichen Schutz- und Aufsichts-Rechts über die katholische Landeskirche betreffend" deutlich, durch welche die Freiheit der Kirche in den jeweiligen Staaten wiederum beschnitten wurde.
Die Bistümer Fulda und Limburg schieden mit Abschluss des Preußenkonkordats 1929 aus der oberrheinischen Kirchenprovinz aus, da Fulda Suffragan des Erzbistums Paderborn und Limburg Suffragan des Erzbistums Köln wurde.
Literatur
Bulle Pius' VII. "Provida solersque" vom 16. August 1821; Schlagwort Nr. 2111.
Bulle Leos XII. "Ad Dominici gregis custodiam" vom 11. April 1827 und Breve "Re sacra" vom 28. Mai 1827; Schlagwort Nr. 2094.
BURKARD, Dominik, Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche. Die "Frankfurter Konferenzen" und die Neuordnung der Kirche nach der Säkularisation (Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde, Supplementheft 53), Freiburg im Breisgau [u.a.] 2000.
Deklaration der Gesandtschaft der oberrheinischen Staaten an den Heiligen Stuhl vom 7. Oktober 1818; Schlagwort Nr. 3329.
Grundzüge zu einer Vereinbarung über die Verhältnisse der katholischen Kirche in teutschen Bundesstaaten vom 30. April 1818; Schlagwort Nr. 3321.
Joseph Kardinal HERGENRÖTHERS Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte. Neu bearbeitet von Johann Peter KIRSCH. Vierter Band: Die Kirche gegenüber der staatlichen Übermacht und der Revolution; ihr Kampf gegen die ungläubige Weltrichtung, Freiburg im Breisgau 51917, S. 404-407.
IHLI, Stefan, Kirchliche Gerichtsbarkeit in der Diözese Rottenburg im 19. Jahrhundert. Ein Exempel der Beziehungen zwischen Kirche und monarchischem Staat (Tübinger Kirchenrechtliche Studien 7), Berlin 2008, S. 49-54.
Landesherrliche Verordnung vom 30. Januar 1830; Schlagwort Nr. 3344.
MILLER, Max, Die Errichtung der Oberrheinischen Kirchenprovinz, im besonderen des Bistums Rottenburg, und die Württembergische Regierung, in: Historisches Jahrbuch 54 (1934), S. 317-347.
Reichsdeputationshauptschluss; Schlagwort Nr. 18110.
Ultimatum des Heiligen Stuhls an die oberrheinischen Staaten vom 16. Juni 1825; Schlagwort Nr. 3429.
Empfohlene Zitierweise
Frankfurter Konferenzen, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1692, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1692. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 10.09.2018.
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