Rede Erzbergers in der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung am 25. Juli 1919

In der Debatte der Verfassunggebenden Nationalversammlung am 25. Juli verteidigte sich der Zentrumsabgeordnete und Finanzminister Matthias Erzberger gegen Vorwürfe des deutschnationalen Abgeordneten Albrecht von Graefe. In diesem Kontext legte er zwei aussichtsreiche Friedensmöglichkeiten während des Weltkrieges dar, die durch die Konservativen und Militärs zerstört worden seien. 1. Die Friedensinitiative des US-Präsidenten Woodrow Wilson vom Dezember 1916 und 2. die päpstliche Friedensinitiative Benedikts XV. vom August 1917. Die erste Möglichkeit sei durch die Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges zunichte gemacht worden.
Im Rahmen seiner Ausführungen zur päpstlichen Friedensinitiative trug Erzberger den Wortlaut des Schreibens Pacellis an Reichskanzler Georg Michaelis vom 30. August 1917 vor (Dokument Nr. 10019) und erklärte daraufhin: "Der Heilige Stuhl hat einen Schritt unternommen, nicht aus eigener Initiative, sondern hat ihn ausdrücklich auf Ersuchen der englischen Regierung unternommen, er hat dieses Telegramm weiter überreicht auf ausdrückliche Ermächtigung der französischen Regierung…". Die Reichsregierung unter Michaelis habe die Chance auf den Frieden vertan, da sie erst verspätet am 24. September geantwortet und in der Belgienfrage keine klare Position vertreten habe ( Dokument Nr. 41).
Zu seiner eigenen Rolle führte er aus: "Ich war Ende September in München. Der päpstliche Nuntius ist mir persönlich seit langer Zeit befreundet. Ich kannte den Inhalt der deutschen Antwort nicht, denn auch mir wurde nur gesagt, es würde eine Antwort zustimmender Art gegeben werden. Der Nuntius kam auf mich zu, als ich ihn besuchte, und sagte tränenden Auges: "Alles verloren, auch Ihr armes Vaterland.'
Ich sagte: Wie kommen Sie zu diesem Urteil? Ich kannte weder seinen Brief noch die Antwort. Damit war die von England mit Vermittlung des Heiligen Stuhls eingeleitete Friedensaktion gescheitert und erledigt. Und das Tragische und geradezu Entsetzliche für unser Volk: Es war eine Möglichkeit zum Friedensschluß da."
Quellen
Verhandlungen der Verfassunggebenden Nationalversammlung, Bd. 328. Stenographische Berichte. Von der 53. Sitzung am 10. Juli bis zur 70. Sitzung am 30. Juli 1919, Berlin 1920, S. 1926-1948, hier 1936-1938, in: www.reichstagsprotokolle.de (Letzter Zugriff am: 11.07.2011).
Literatur
WOLF, Hubert, Der Papst als Mediator? Die Friedensinitiative Benedikts XV. von 1917 und Nuntius Pacelli, in: ALTHOFF, Gerd (Hg.), Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2011, S. 167-220.
Empfohlene Zitierweise
Rede Erzbergers in der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung am 25. Juli 1919, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 18125, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/18125. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 26.06.2019.
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