Konkordat mit Lettland von 1922

Am 30. Mai 1922 schloss der Heilige Stuhl, vertreten durch Kardinalstaatssekretär Gasparri, ein Konkordat mit der Regierung von Lettland. Im Konkordat wurden unter anderem die Religionsfreiheit für die katholische Kirche (Art. 1) und die Errichtung eines Erzbistums in Riga festgeschrieben (Art. 3). Vor der Ernennung eines neuen Erzbischofs musste der Heilige Stuhls die Regierung über den Namen des Kandidaten informieren, die Einwände politischer Art formulieren konnte (Art. 4). Vor Amtsantritt musste der neue Erzbischof einen Treueid vor dem Präsidenten der Republik Lettland ablegen (Art. 5). Die katholische Kirche erhielt das Recht zur Gründung und zum Unterhalt katholischer Privatschulen (Art. 10). Das Konkordat hatte eine Geltungsdauer von drei Jahren, die sich automatisch jährlich verlängerte, wenn es nicht sechs Monate im Voraus gekündigt wurde (Art. 20).
Das Konkordat mit Lettland war das erste Konkordat, das der Heilige Stuhl nach dem Ersten Weltkrieg schloss und das erste, in dem er das Zugeständnis der so genannten "Politischen Klausel" machte. Diese sagte die Berücksichtigung politischer Bedenken bei der Auswahl von Priesteramtskandidaten zu (Art. 4) und knüpfte damit an das königliche Nominationsrecht an.
Das Konkordat hatte in Lettland ein politisches Nachspiel, da die evangelische Petri Kirche und das russisch-orthodoxe Aleksey-Kloster dem Bistum Riga zugeschlagen werden sollten. Dies rief insbesondere den Protest der deutschen Minderheit hervor und führte 1923 zum ersten Volksentscheid in der Republik. Dieser ging zwar zugunsten des Erhalts des Status quo aus, scheiterte jedoch, da die nötige Anzahl an abgegebenen Stimmen nicht erreicht wurde. Der Apostolische Vikar Schwedens, Johann Müller, fürchtete in diesen Kontext um den internationalen Ruf des Heiligen Stuhls (Dokument Nr. 2337).
Analyse
Die von Samerski herausgestellte Beteiligung Pacellis (SAMERSKI, S. 294) an den lettischen Konkordatsverhandlungen findet zumindest in den Nuntiaturberichten keinen Niederschlag. Hier kommt vor allem ab 1922 die Bedeutung des lettischen Konkordats als Vergleichsfolie in der Diskussion um die staatlichen Gegenentwürfe zum Bayernkonkordat zum Tragen.
Quellen
Concordat entre le Saint-Siège et le gouvernement de Lettonie, in: Acta Apostolicae Sedis 14 (1922), S. 577-581, in: www.vatican.va (Letzter Zugriff am: 20.12.2017).
Concordato con la Lettonia, in: MERCATI, Angelo (Bearb.), Raccolta di Concordati su Materie Ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità Civil, Bd. 2: 1915-1954, Vatikanstadt 1954, S. 6-8.
Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und der Regierung von Lettland vom 30. Mai 1922, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 284-287.
Literatur
CONRAD, Benjamin, Loyalitäten, Identitäten und Interessen. Deutsche Parlamentarier im Lettland und Polen der Zwischenkriegszeit, Göttingen 2016, S. 91 f.
Diplomatische Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Lettland; Schlagwort Nr. 1303.
SAMERSKI, Stefan, Kirchenrecht und Diplomatie. Die Konkordatsära in der Zwischenkriegszeit, in: ZEDLER, Jörg (Hg.), Der Heilige Stuhl in den internationalen Beziehungen 1870-1939, München 2010, S. 285-298.
Empfohlene Zitierweise
Konkordat mit Lettland von 1922, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 18195, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/18195. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 31.07.2013, letzte Änderung am 20.01.2020.
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