Besetzung der bischöflichen und erzbischöflichen Stühle, Bedeutung für die Reform der Priesterausbildung

Kennzeichnend für das Denken Eugenio Pacellis hinsichtlich der Reform der Priesterausbildung war eine Verknüpfung der Auswahl der Bischofskandidaten und der Durchsetzung der Reformvorhaben.
Die Durchsetzung der Bestimmungen des CIC/1917 war für Pacelli grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Stärkung der römischen Kirche. Gerade dieses Vorhaben sah er aber durch den deutschen Episkopat gefährdet, da die ein Großteil der Bischöfe gerade bei der Priesterausbildung nicht der römischen Linie zu folgen gedachten, die eine Fixierung des Theologiestudiums auf die Neuscholastik und eine Herauslösung aus den staatlichen Universitäten als Idealziel vorsah. Dem entsprachen auch die Kanones des CIC, die anders als das zweigliedrige deutsche Modell (Ausbildung an Universität und Priesterseminar) eine Priesterausbildung in rein kirchlicher Verantwortung favorisierten (can. 1352: ausschließliches Recht der Kirche zur Ausbildung des Priesternachwuchses; can. 1357 und 1359: bischöfliche Oberaufsicht; can. 1366 § 2: neuscholastische Ausrichtung der Ausbildung; can. 1367, 1369 und 1370: disziplinarische Vorgaben).
Pacelli, der einen kausalen Zirkelschluss zwischen der aus römischer Sicht defizitären Priesterausbildung und der fachlichen Qualität der deutschen Bischöfe zog, wollte zunächst über die Veränderung des Modus der Bischofsbesetzungen seinem Ziel näher kommen. Als Zielvorgabe für die Konkordatsverhandlungen galt die Zurückdrängung staatlicher Einmischung bei den Bischofsernennungen, mehr noch eine vollkommene Verlegung der Entscheidung weg von der Ortskirche in den Zuständigkeitsbereich des Papstes. Bei der Auswahl der Kandidaten sollten in Zukunft vor allem die Verbundenheit mit der römischen Kirchenleitung und eine neuscholastische Ausbildung nach römischem Vorbild ins Gewicht fallen.
Gleichzeitig forcierte der Nuntius die römischen Bestrebungen einer Reform der deutschen Theologie. Diese müsse laut Pacelli der zweite Schritt sein, den dann ein erneuerter – d. h. romanisierter – Episkopat in Deutschland umzusetzen hatte. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund der Anstieg des Anteils der deutschen Bischöfe nach 1918, die entweder im Germanicum in Rom oder zumindest an einer Jesuitenhochschule studiert hatten.
Um dieses Gesamtziel zu erreichen, verfolgte Pacelli drei konkrete Vorhaben im Kontext der Konkordatsverhandlungen: die Anerkennung des Dr. romanus bzw. an kirchlichen Hochschulen erworbener Qualifikationen durch den Staat, die Geltung des Kirchenrechts in Fragen des Theologiestudiums und das bischöfliche Nihil-obstat bei der Besetzung von Professorenstellen (vgl. can. 109).
Literatur
UNTERBURGER, Klaus, Vom Lehramt der Theologen zum Lehramt der Päpste? Pius XI., die Apostolische Konstitution "Deus scientiarum Dominus" und die Reform der Universitätstheologie, Freiburg im Breisgau/ Basel / Wien 2010, S. 338-340.
WOLF, Hubert / UNTERBURGER, Klaus (Bearb.), Eugenio Pacelli. Die Lage der Kirche in Deutschland 1929 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte A 50), Paderborn u. a. 2006, S. 60-72.
Empfohlene Zitierweise
Besetzung der bischöflichen und erzbischöflichen Stühle, Bedeutung für die Reform der Priesterausbildung, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 24077, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/24077. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 25.02.2019.
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