Konfessioneller Charakter der Volksschullehrerausbildung in Bayern

Im Zuge der Novemberrevolution beseitigte der sozialdemokratische bayerische Kultusminister Johannes Hoffmann mit der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1918 die geistliche Aufsicht über die Volksschullehrerbildungsanstalten. Seine Bekanntmachung vom 6. August 1919 hob zudem die Bestimmungen über die religiös-sittliche Erziehung an Präparandenschulen und Lehrerseminaren auf. Die beiden Bekanntmachungen wurden durch weitere Maßnahmen zur Trennung von Kirche und Volksschullehreraus- und Fortbildung flankiert. Grundsätzlich blieb die Volksschullehrerausbildung aber konfessionell getrennt.
Die weitere Reformdiskussion drehte sich um Artikel 143 der Weimarer Reichsverfassung und die Frage, ob die in diesem geforderte "höhere Bildung" für alle Lehrer eine Akademisierung der Volksschullehrerausbildung impliziere. Praktisch passierte wegen der obstruktiven Haltung des Kultusministers Franz Matt von der Bayerischen Volkspartei (BVP) in der ersten Hälfte der 1920er Jahre lange Zeit nichts.
Artikel 5 des Konkordats zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl von 1924 verlangte jedoch eine grundsätzlich konfessionelle Ausbildung der Volksschullehrer, die auch bei künftigen Reformen zu berücksichtigen sei. Kultusminister Franz Xaver Goldenberger (BVP) legte am 27. Januar 1928 schließlich eine "Denkschrift über die Neuordnung der Lehrerbildung in Bayern" vor. Ihr zufolge sollten zukünftige Volksschüler eine Volksschule sowie eine Aufbauschule und anschließend eine Pädagogische Akademie besuchen. Für letztere sah Goldenberger eine weltanschauliche Ausrichtung vor. Der BVP-Politiker Georg Wohlmuth sprach sich dagegen auch für eine konfessionelle Aufbauschule aus. Die Opposition wandte sich gänzlich gegen eine konfessionelle Volksschullehrerausbildung. Daraufhin kamen am 27. Juni 1929 Goldenberger und andere Vertreter der Ministerialbürokratie, der Münchener Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber, Vertreter der Bistümer, BVP-Politiker sowie Vertreter der Katholischen Schulorganisation, der katholischen Lehrervereine und der weiblichen Schulorden zu einer streng vertraulichen Besprechung zusammen. Sie entschieden dafür einzutreten, dass Lehrer an katholischen Volksschulen zukünftig in der Regel eine konfessionelle Aufbauschule sowie stets eine konfessionelle Akademie besuchen sollten. Letztlich fanden die Mitglieder der Regierungskoalition aus BVP, Bayerischer Mittelpartei (BMP) und Bayerischem Bauernbund keinen Konsens. Bis auf die Abschaffung der Präparandenanstalten und ihre Ersetzung durch sechsklassige Lehrerbildungsanstalten behielt die bayerische Volksschullehrerausbildung in der Weimarer Republik ihre überkommene Form.
Literatur
BUCHINGER, Hubert, Die Schule in der Zeit der Weimarer Republik. Gesamtdarstellung, in: LIEDTKE, Max (Hg.), Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens, Bd. 3: Geschichte der Schule in Bayern. Von 1918 bis 1990, Bad Heilbrunn in Oberbayern 1997, S. 15-75, hier 50-62.
GROSSPIETSCH, Lydia, Schulwesen (Weimarer Republik), in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 08.05.2019).
Konkordat mit Bayern von 1924, Artikel 5; Schlagwort Nr. 23076.
Weimarer Reichsverfassung, Artikel 143; Schlagwort Nr. 25055.
Empfohlene Zitierweise
Konfessioneller Charakter der Volksschullehrerausbildung in Bayern, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 3191, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/3191. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 20.01.2020.
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