Sitzung der Kongregation für die Seminare und die Studieneinrichtungen am 7. März 1929

Am 7. März 1929 beriet die Kongregation für die Seminare und die Studieneinrichtungen über die Mitgliedschaft von deutschen Theologiestudenten in Studentenverbindungen. An der Sitzung nahmen unter dem Vorsitz von Raffaele Kardinal Scapinelli di Leguigno die Kardinäle Gaetano Bisleti, Lorenzo Lauri, Camillo Laurenti, Luigi Sincero, Franz Ehrle und Aurelio Galli sowie der Sekretär der Kongregation Ernesto Ruffini teil. Die Grundlage der Diskussion bildete eine Denkschrift, die der Jesuit Augustin Bea, Professor für biblische Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana, im Auftrag der Kongregation verfasst und ihr am 26. März 1928 übersandt hatte (Dokument-Nr. 19525). Daneben lag den Kardinälen offenbar der Bericht Pacellis vom 15. Oktober 1928 zum selben Thema vor (Dokument-Nr. 20238), in welchem der Nuntius Stellung zu Beas Denkschrift bezog.
Bea, der sich in jenen Jahren zum vatikanischen Experten für Fragen des deutschen Universitätswesens entwickelte, hielt Studentenverbindungen einerseits für gefährlich für die moralische und geistige Entwicklung der Priesteramtskandidaten und befürchtete sogar eine Rufschädigung des Priesterstandes. Andererseits gab er zu bedenken, dass große Teile der katholischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Elite Mitglieder in Studentenverbindungen waren und die Theologiestudenten oft einen guten Einfluss auf die Laien unter den Verbindungsmitgliedern ausübten. Er verwies außerdem darauf, dass viele Kleriker in leitenden Funktionen selbst Mitglieder von Verbindungen waren und wenig Interesse daran hatten, die bestehende Praxis zu ändern. Er hielt die Infrastruktur der Studentenverbindungen in Deutschland für schwer ersetzbar, insbesondere für Studenten im Freisemester bzw. Freijahr. Bea schlug vor, dass die Nuntien in München und Berlin genaue Informationen über die einzelnen Verbindungen einholen sollten. Die Studienkongregation solle aber keine Einzel-, sondern allgemeine Maßnahmen ergreifen. Die Umsetzung der Maßnahmen solle einflussreichen und vertrauenswürdigen Personen anvertraut werden, die der Studienkongregation regelmäßig berichten sollten. Bea bevorzugte ein Verbot der Verbindungen, aber ohne den Kontakt zwischen Klerikern und Laien zu unterbinden. Als Ersatz hielt er Bruderschaften und religiös-karitative Vereine für geeignet. Außerdem plädierte er dafür, die bestehenden Konvikte auszubauen sowie Priesteramtskandidaten außerhalb der Konvikte nur in Klöstern oder ausnahmsweise in Privathäusern unter strenger Überwachung durch einen Priester unterzubringen. Darüber hinaus empfahl er die Visitation des besonders probelmatischen Konvikts in Köln.
Pacelli fügte den Informationen Beas weitere Details über die deutschen Zustände hinzu. Des Weiteren plädierte er dafür, die deutschen Bischöfe zu ermahnen, CIC/1917, can. 972 endlich umzusetzen. Dieser besagte, dass die Priesteramtskandidaten möglichst vom Kindesalter an, zumindest aber während des Theologiestudiums in einem Seminar untergebracht werden sollen. Bei Unterbringung außerhalb des Seminars sollten sie von geeigneten Priestern überwacht werden. Ein Verbot der Mitgliedschaft in Studentenverbindungen sollten die Bischöfe aussprechen, um dem Ansehen des Heiligen Stuhls nicht zu schaden. Pacelli empfahl nicht nur Bonn, sondern alle deutschen Konvikte zu visitieren - allerdings erst nach dem Ende der schwebenden Konkordatsverhandlungen.
Die Kardinäle waren sich einig, dass CIC/1917, can. 972 maßgeblich sein solle. Die meisten anerkannten aber, dass den Theologiestudenten aus kulturellen und ökonomischen Gründen nicht verboten werden sollte, Mitglieder von Studentenverbindungen zu sein. Vorerst sollten diese geduldet, zugleich jedoch verbessert werden, indem die Ortsbischöfe geeigneten Priestern die geistliche Leitung übertragen sollten. Den Berliner und Münchener Nuntien sollte mitgeteilt werden, dass die Kongregation die Mitgliedschaft von Theologen in Studentenverbindungen nicht gutheiße und dass in den dreijährlichen Berichten über die Theologenausbildung die Umsetzung von CIC/1917, can. 972 begutachtet werden solle. Schließlich sollte den Bischöfe die Überwachung der Theologiestudenten außerhalb der Seminare und vor allem außerhalb der Diözese eingeschärft werden. Reine Theologenverbindungen, außer solchen, die dem Studium nutzen, sollten dagegen abgeschafft werden.
Pius XI. bestätigte die Beschlüsse der Kongregation am 12. März, verlangte jedoch, dass die deutschen Bischöfe jährlich über den Zustand der Theologenausbidlung berichten sollten.
Quellen
Augustin Bea SJ an [Gaetano Bisleti], Rom, 26. März 1928; ACEC, Fondo Università, Germania 150/28, [unpaginiert].
BEA SJ, Augustin, Relazione sulle associazioni di studenti nei convitti teologici della Germania, 26. März 1928; Dokument Nr. 19525.
Bisleti an Pacelli vom 14. April 1928; Dokument-Nr. 18141.
Pacelli an Bisleti vom 15. Oktober 1928; Dokument-Nr. 20238.
Protokoll der Sitzung der Kongregation für die Seminare und die Studieneinrichtungen am 7. März 1929; ACED, Fondo Università, Germania 150/28, [unpaginiert].
Literatur
CIC/1917, can. 972; Schlagwort Nr. 3240.
UNTERBURGER, Klaus, Einleitung, in: DERS. (Hg.), Gefahren, die der Kirche drohen. Eine Denkschrift des Jesuiten Augustinus Bea aus dem Jahr 1926 über den deutschen Katholizismus (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 10), Regensburg 2011, S. 13-87.
Empfohlene Zitierweise
Sitzung der Kongregation für die Seminare und die Studieneinrichtungen am 7. März 1929, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 3555, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/3555. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 20.01.2020.
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