Weimarer Koalition auf Reichsebene

Die Weimarer Koalition war eine Regierungskonstellation, die nach der Koalition aus Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und Zentrumspartei (Z) bei der Weimarer Nationalversammlung benannt wurde. Eine Zusammenarbeit der drei Parteien bzw. ihrer Vorgänger gab es bereits bei den Bemühungen um eine Demokratisierung des Reichs im Jahre 1917.
Da die MSPD bei den Wahlen zur Nationalversammlung vom 19. Januar 1919 die absolute Mehrheit verfehlte und mit den Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) bereits gebrochen hatte, lag es für sie nahe, sich beim Übergang zur parlamentarischen Demokratie mit bürgerlichen demokratischen Parteien zu verbinden. Das Zentrum, dessen Stimmen für die absolute Mehrheit nicht notwendig gewesen wären, entschloss sich einerseits aus innenpolitischen Gründen zum Regierungseintritt, um die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht den politischen und weltanschaulichen Gegnern zu überlassen, und andererseits aus außenpolitischen Gründen, um eine starke republikanische Regierung nach Kriegsniederlage und Revolution zu bilden, die die gesamte Bevölkerung repräsentierte. Die Weimarer Koalition besaß zu diesem Zeitpunkt eine Dreiviertelmehrheit. Sie wählte am 11. Februar Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten und berief am 13. Februar die erste Reichsregierung unter Philipp Scheidemann. Die Arbeiten an der Reichsverfassung waren bereits am 31. Juli beendet, am 14. August trat sie in Kraft. Sie trug in ihren meisten Teilen einen Kompromisscharakter. Besonders schwierig waren die Verhandlungen beim Verhältnis von Kirche und Staat und in der Schulfrage. Die drei Parteien einigten sich auf umfassende Garantien der Glaubens- und Gewissensfreiheit. In Artikel 137 wurde lapidar erklärt: "Es besteht keine Staatskirche." Die Kirchen wurden zu Körperschaften öffentlichen Rechts, ihr Eigentum und Vermögen wurde garantiert (Art. 137 f. WRV). Der Schulkompromiss in Artikel 146 besagte, dass Gemeinschaft- und Simultanschule der Regelfall seien. Die Bedingungen für die Errichtung von Konfessionsschulen sollten mittels eines Gesetzes geregelt werden, das allerdings nie zustande kam. So wurde der Status quo ante gesichert, was vielerorts die fortgesetzte Dominanz der Konfessionsschule bedeutete.
Trotz dieses politischen Erfolges bewirkten das Krisenjahr 1919 und der Kapp-Lüttwitz-Pusch im März 1920 einen rapiden Zustimmungsverlust für die Weimarer Koalition. Bei den Reichstagswahlen vom 6. Juni 1920 verlor sie ihre absolute Mehrheit und erlangte sie nie wieder zurück. Nach schwierigen Koalitionsverhandlungen übernahm ein Minderheitenkabinett aus DDP, Zentrum und Deutscher Volkspartei (DVP), das von der MSPD toleriert wurde, unter dem Zentrumspolitiker Konstantin Fehrenbach die Regierung. Es trat bereits am 4. Mai 1921 aus Protest gegen das "Londoner Ultimatum" zurück. Am 10. Mai folgte ihm erneut eine Minderheitenregierung der Weimarer Koalition unter Joseph Wirth (Z), die allerdings bereits am 22. Oktober 1921 aus Protest gegen die Völkerbundsentscheidung in der Oberschlesienfrage zurücktrat. Das folgende Kabinett Wirth II war keine echte Weimarer Koalition mehr, da Reichswehrminister Otto Geßler nur als "Fachminister" im Amt blieb. Eine "Weimarer Koalition" kam in der Folgezeit nicht mehr zustande.
Literatur
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier 338-379.
WOLF, Hubert, Papst und Teufel. Die Archive des Vatikan und das Dritte Reich, München 22009, S. 76-85.
Empfohlene Zitierweise
Weimarer Koalition auf Reichsebene, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 388, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/388. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 10.09.2018.
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