Konzessionen des Heiligen Stuhls in den Verhandlungen über Artikel XIII des Konkordats mit Bayern

Pacelli bezog sich hier auf die Verhandlungen über Artikel XIII § 1, Buchstabe c) zur Vorbildung der Geistlichen. Der Gegenentwurf zum Konkordat der bayerischen Minister Knilling, Krausneck und Matt von Anfang November 1923 besagte, dass nur solche Geistliche staatliche Bezüge erhalten sollten, die "die von der Kirche vorgeschriebenen philosophisch-theologischen Studien an einer deutschen staatlichen Hochschule oder an einer den Bestimmungen des can. 1365 Cod. iur. can. entsprechenden deutschen bischöflichen Hochschule in Rom erfolgreich zurückgelegt haben." (Dokument Nr. 3263). Der Nuntius hatte in seinen Verhandlungen mit den bayerischen Vertretern vergeblich versucht, dass nach den bischöflichen Hochschulen auch die Hochschulen der Orden und religiösen Kongregationen genannt würden. Sowohl die Regierungsvertreter als auch der Abgeordnete der Bayerischen Volkspartei, Domkapitular Wohlmuth, hatten sich mit Blick auf die notwendige Abstimmung im Landtag dagegen ausgesprochen – ein Argument, das immer wieder angeführt werde, um entweder unliebsame Passagen zu streichen oder wichtige Punkte durchzusetzen, so der Nuntius. Den wahren Grund sah Pacelli allerdings in Befürchtungen der Regierungsvertreter, dass die theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten, auf die sie einen gewissen Druck ausüben konnten, durch die Konkurrenz von Ordenshochschulen, auf die sie keine Zugriffsmöglichkeiten hatten, an Einfluss verlieren könnten. Das lag ganz in Pacellis Absicht, der den theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten ablehnend gegenüberstand und eine Reform der Universitätstheologie in Deutschland für notwendig hielt. So hob er auch die beiden bestehenden Ordenshochschulen in Bayern, die der Franziskaner in München und die der Redemptoristen in Gars, sowie die der Jesuiten in Innsbruck positiv gegenüber Gasparri hervor. Der Nuntius bat um Instruktionen und hoffte mit römischer Unterstützung diesen Punkt doch noch durchsetzen zu können (Dokument Nr. 413).
An der Römischen Kurie gab man sich allerdings mit dem Erreichten zufrieden: "Quanto all'equiparazione delle Università austriache alle scuole germaniche, se il Governo consentirà a dichiararlo in una nota ufficiale, tanto meglio, in caso contrario non sembra opportuno di insistere. Come pure la Santa Sede non crede necessario insistere su l'inciso riguardante le alte scuole degli Ordini e Congregazioni Religiose, perché esse sono al presente soltanto due e non apparisce difficile che in un modo o in un altro, possano avere col tempo il titolo di vescovili." (Dokument Nr. 10547). Wie allerdings die beiden Ordenshochschulen der Franziskaner und der Redemptoristen im Laufe der Zeit in bischöfliche Hochschulen umgewandelt werden sollten, blieb unklar. Pacelli deutete in seinem Schreiben an Pizzardo an, dass er einen Verdacht habe, wer diesen Vorschlag vorgebracht haben könnte, blieb aber bewusst im Vagen. Aus dem einschlägigen Bestand im Historischen Archiv des Staatssekretariats (S.RR.SS.), AA.EE.SS., Baviera, pos. 72, vol. III geht nicht hervor, um wen es sich gehandelt haben könnte. Sicher scheint, dass es eine einflussreiche Persönlichkeit innerhalb der Römischen Kurie war, denn nur jemand mit einer gewissen Autorität gegenüber Kardinalstaatssekretär Gasparri und Papst Pius XI. konnte den Nuntius ausgestochen haben. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass diese Person über intime Kenntnisse der bayerischen und österreichischen Verhältnisse verfügte. Sind diese Annahmen richtig und gingen Pacellis Gedanken in die gleiche Richtung, dann musste er den ehemaligen Münchener Nuntius, den Kurienkardinal Andreas Frühwirth OP im Verdacht haben, hier die Fäden gesponnen zu haben. Als Mitglied der Kongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten hatte er Kenntnis über die laufenden Konkordatsverhandlungen und konnte sich, auch ohne dass es im November eine Plenarsitzung gegeben hätte, in den innervatikanischen Entscheidungsfindungsprozess einbringen.
Empfohlene Zitierweise
Konzessionen des Heiligen Stuhls in den Verhandlungen über Artikel XIII des Konkordats mit Bayern, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 487, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/487. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.
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