Inflation in der Weimarer Republik 1918-1923

Als unmittelbare Folge des Ersten Weltkrieges beschäftigte das Phänomen der Inflation Wirtschaft, Politik und Gesellschaft des Deutschen Reichs bis Mitte der 1920er Jahre. Die Ursprünge dieser am Ende ungeheuren Geldentwertung lagen in den Jahren vor 1918. Die Kriegsfinanzierung durch inländische Anleihen und die Erhöhung der schwebenden Schulden führte zu einer starken Erhöhung des Geldumlaufs. Hinzu kam die durch die Blockade der Entente und die Produktionshindernisse im Reich bewirkte starke Verkleinerung des Güterangebotes. Darüber hinaus wuchs das Außenhandelsdefizit massiv. Die aufgrund dessen einsetzende Inflation wurde zwar durch staatliche Preisvorschriften teilweise verdeckt, tatsächlich aber war der Wert der Mark bei Kriegsende um etwa die Hälfte gesunken.
Die unmittelbaren Kriegsfolgen und die einsetzenden Reparationszahlungen verursachten zusätzlich hohe Kosten, die ebenfalls durch Anleihen bei der Reichsbank, also durch Geldvermehrung, finanziert wurden. Auch war die Güterproduktion weiterhin niedrig und das Außenhandelsdefizit vergrößerte sich infolge der Aufhebung der Blockade noch einmal in großem Ausmaß. Die Geldentwertung verlief dabei nicht gleichmäßig. Bis zur Unterzeichnung des Versailler Vertrags im Juni 1919 war ihre Rate vergleichbar mit der der anderen Kriegsteilnehmer. Es folgte eine schnellere Phase bis Februar 1920. Bis September 1921 wiederum war der Wert der Mark relativ stabil. Nach Annahme des Londoner Ultimatums im Juni 1921 beschleunigte sich die Inflation seit Oktober 1921 wieder. Die Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau im Juli 1922 läutete den Beginn der sogenannten Hyperinflation ein und der Ruhrkampf entwertete ab Januar 1923 die Mark vollends. Sie verlor letztendlich ihre Funktion als Medium der Wertaufbewahrung und vielerorts ging man zum Naturalienhandel über.
Zunächst war die Inflation jedoch günstig für die wirtschaftliche Entwicklung und half dem Staat, sich der hohen Kriegsschulden zu entledigen. Wie dieser konnten auch Industrielle und Schuldner im Allgemeinen ihre Kredite äußerst günstig zurückzahlen und neue Kredite aufnehmen. Bedingt profitierten auch Handelskapitalisten sowie Handwerker und Einzelhändler von dieser Inflationsfolge. Banken und Versicherungen büßten dagegen große Teile ihres Eigenkapitals ein. Hart traf die Geldentwertung Geldbesitzer und Rentiers. Auch für die Gruppe der Sozialrentner, für Angehörige der freien akademischen Berufe und Studenten, für Beamte und Angestellte sowie für Hausbesitzer und auch Landwirte waren die Folgen gravierend. Die Arbeiterschaft schnitt zunächst etwas weniger schlecht ab.
Dies änderte sich generell in der Phase der Hyperinflation des Jahres 1923. Die negativen Auswirkungen der Geldentwertung trafen nun alle gesellschaftlichen Gruppen, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Sie beendete die anfängliche positive wirtschaftliche Entwicklung, wirkte zerrüttend auf die Gesellschaft und bedeutete eine Gefahr für die junge Weimarer Republik. In den Städten drohten Hungersnöte, die öffentliche Ordnung geriet zunehmend ins Wanken. Schließlich kam die Einführung regionaler Notwährungen dem virulenten Separatismus insbesondere im Rheinland und in der Pfalz entgegen und beschwor die Gefahr einer territorialen Desintegration des Reichs herauf.
In dieser prekären Situation begannen schließlich wirksame Bemühungen um eine Beendigung der Inflation. Am 12. August 1923 trat das Kabinett des Reichskanzlers Wilhelm Cuno zurück, das den verheerenden Ruhrkampf begonnen hatte. Die neue Regierung Gustav Stresemanns beendete diesen am 26. September offiziell. Es wurde die Rentenmark als Übergangswährung eingeführt. Dabei wurde die Menge des sich in Umlauf befindenden Geldes streng begrenzt. Die öffentlichen Ausgaben wurden massiv gekürzt. Diese Politik wurde trotz der unmittelbar einsetzenden Rezession konsequent fortgeführt, so dass die Rentenmark stabil blieb. Sie wurde am 30. August 1924 schließlich durch die Reichsmark ersetzt. Obgleich die Inflation somit recht schnell überwunden wurde, blieben Ungerechtigkeiten bei der Lösung der Krise nicht aus und belasteten die Politik auch in der Folgezeit.
Analyse
Die Inflation hatte auch auf die Tätigkeit Pacellis Einfluss. Sie betraf beispielsweise die Frage der Dotationen in den Konkordatsverhandlungen (vgl. z. B. Dokument Nr. 1078) und bewirkte eine spürbare Zunahme der Bittschriften deutscher Katholiken an den Papst. Dem Nuntius wurde sogar eine frei wählbare Gehaltserhöhung gewährt (Dokument Nr. 8988). Die Geldentwertung beeinflusste auch den Geschäftsgang der Kurie. Bereits im Januar 1920 informierte der Sekretär der Heiligen Konsistorialkongregation Gaetano de Lai Pacelli, dass die deutschen Bischöfe, um Wechselkursverluste zu vermeiden, Gebühren für Reskripte, Breven und Bullen bei sich zurückhalten sollen, bis die Inflation überwunden sei ( Dokument Nr. 6121). Im September 1922 wies er den Nuntius an, entsprechende Gebühren auf dem Konto der Nuntiatur aufzubewahren (Dokument Nr. 5884).
Quellen
De Lai an Pacelli vom 23. Januar 1920; Dokument Nr. 6120.
De Lai an Pacelli vom 8. September 1922; Dokument Nr. 5884.
Gasparri an Pacelli vom 6. Februar 1920; Dokument Nr. 8988.
Pacelli an Gasparri vom 12. März 1922; Dokument Nr. 1078.
Literatur
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FELDMAN, Gerald D. (Hg.), Die Anpassung an die Inflation. The Adaptation to Inflation (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 67 / Beiträge zu Inflation und Wiederaufbau in Deutschland und Europa 1914-1924 8), Berlin u. a. 1986.
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FELDMAN, Gerald D. (Hg.), Konsequenzen der Inflation. Consequences of Inflation (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 67 / Beiträge zu Inflation und Wiederaufbau in Deutschland und Europa 1914-1924), Berlin 1989.
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HOLTFRERICH, Carl-Ludwig, Die deutsche Inflation, 1914-1923. Ursachen und Folgen in internationaler Perspektive, Berlin u. a. 1980.
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 16), München 72009.
Empfohlene Zitierweise
Inflation in der Weimarer Republik 1918-1923, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 9025, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/9025. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 25.02.2019.
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