Dokument-Nr. 10234
Wirth, Joseph an Pacelli, Eugenio
Berlin, 05. September 1922

Euerer Exzellenz beehre ich mich auf das gefällige Schreiben vom 14. v. M. folgendes ergebenst zu erwidern:
Frau Eveline Schneider geb. Delvaux, deren Ehemann die Stelle eines Konsulatssekretärs beim Generalkonsulat in Amsterdam bekleidete, ist geborene Belgierin. Sie hat sich schon zu Lebzeiten ihres Ehemannes – seit mehreren Monaten – bei Verwandten in Belgien aufgehalten und soll beabsichtigen, dort dauernd ihren Wohnsitz zu nehmen. Nach den bestehenden Vorschriften erhalten die im Auslande wohnhaften Pensionäre und Beamtenhinterbliebenen ihre Versorgungsgebührnisse nur zum jeweiligen Tageskurse ausgezahlt, auch haben sie im Gegensatz zu den in Deutschland lebenden Pensionären und Hinterbliebenen keinen Anspruch auf den allgemeinen Teuerungszuschlag, der nur in Einzelfällen bei nachgewiesenem besonderen Bedürfnis ausnahmsweise bewilligt werden kann. Auf Euerer Exzellenz Fürsprache hin werden die Verhältnisse der Frau Schneider mit größtem Wohlwollen hier geprüft werden, und es wird bei endgültiger Regelung ihrer Hinterbliebenenbezüge bis an die Grenze des gesetzlich Zulässigen ge-
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gangen werden. Ich darf aber hinzufügen, daß ebenso wie das ihr zustehende Witwen- und Waisengeld auch der – noch zu bewilligende – Teuerungszuschlag nur zum Tageskurse gezahlt werden darf, so daß sich bei dem jetzigen Tiefstand der deutschen Valuta in jedem Falle als Gegenwert ihrer Gesamtbezüge ein Betrag ergäbe, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts völlig unzureichend wäre.1
Zwar glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Genannten noch andere Hilfsmittel zur Verfügung stehen, daß sie insbesondere von ihren Verwandten in Belgien unterstützt wird. Sollte dies jedoch nicht zutreffen, und sie aussschließlich auf ihre gesetzlichen Versorgungsgebührnisse angewiesen sein, so bliebe nur übrig, ihr die Übersiedlung nach Deutschland anzuraten, zumal die Kosten des Transports nicht ihr, sondern dem Reiche zur Last fielen.2
Indem ich diesen Anlaß benutze, um Ihnen, Herr Nunitus, die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung zu erneuern,
bin ich Euer Exzellenz ergebenster
Wirth.
1"unzureichend wäre" hds. von unbekannter Hand mit blauer Farbe unterstrichen, vermutlich vom Empfänger.
2"bliebe […] fielen" hds. von unbekannter Hand am linken Seitenrand mit blauer Farbe markiert, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Wirth, Joseph an Pacelli, Eugenio vom 05. September 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10234, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10234. Letzter Zugriff am: 29.04.2024.
Online seit 31.07.2013.