Dokument-Nr. 10321
Faulhaber, Michael von an Pacelli, Eugenio
München, 09. April 1922

Hochwürdigster Herr Apostol. Nuntius!
Euer Exzellenz beehre ich mich im Nachtrag zu unserer Unterredung vom 3. April über die Vorschläge des bayerischen Kultusministeriums zum neuen Konkordat nachfolgend den Wortlaut meiner Umfrage bei den Hochwürdigsten Herren Bischöfen von Bamberg, Regensburg, Augsburg, Eichstätt, Passau und Speyer und die antwortliche Auffassung des bayerischen Episkopates zu den einzelnen Vorschlägen ehrerbietigst zu überreichen. Zu den Vorschlägen des Ministeriums im allgemeinen, die zum Teil ein Wiederaufleben des alten Staatskirchentums bedeuten, schreibt H. H. Bischof von Augsburg: In der Reichsverfassung und in der bayerischen Verfassung ist ausdrücklich gesagt, die Kirche verwalte ihre Angelegenheiten selbständig ohne Mitwirkung des Staates. Konkordate ordnen jene Angelegenheiten, an denen Kirche und Staat ein Interesse haben. Wenn nun der Staat in der Verfassung selber sagt, er habe kein Interesse an der Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten ("ohne Mitwirkung des Staates"), dann kann er die Aufnahme von Bestimmungen über Besetzung der Bischofstühle und Kanonikate nicht verlangen. Diese zwei Artikel gehören also überhaupt nicht mehr in das Konkordat. – H H. Bischof von Eichstätt bedauert den Widerspruch, in den sich die bayerische Regierung verwickelt, indem sie einerseits (wie z. B. bei den Grundsätzen über die Ablösung) sich auf die Weimarer Verfassung beruft, anderseits die in Art. 137 der Weimarer Verfassung ge-
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währte Selbständigkeit der Kirche widerruft.
Zu den einzelnen Punkten:
Zu 1. (die bisherige Circumscription der Diözesen nicht zu ändern): Allgemeines Ja! – H. H. Bischof von Speyer begrüsst diesen Punkt als Schutz gegen die fortgesetzten Bestrebungen zur Lostrennung des Saargebietes. – Die H. H. Bischöfe von Eichstätt und Passau wünschen den Zusatz: "Kleine Aenderungen, die im Interesse des Seelsorge liegen, und jene Aenderungen, der Diözesangrenzen, die sich in einzelnen Fällen als Folge von Umpfarrungen ergeben, unterliegen nicht der Genehmigung durch die Staatsregierung".
Zu 2 a . (bayerisches oder doch deutsches Indigenat für Bischöfe und Klerus): Allgemeines Ja!
Zu 2 b. (deutsches Reifezeugnis): Allgemeines Ja! – H. H. Erzbischof von Bamberg bemerkt dazu: Für Abiturienten eines Realgymnasiums oder einer Oberrealschule soll das Bestehen einer vom Bischof festzusetzenden Nachprüfung in Latein und Griechisch genügen.
Zu 2 c. (theologisches Studium). Die Forderung über das Wie lange? und Wo? der theologischen Studien wird von den Bischöfen als Bevormundung der Kirche, als überlebtes Staatskirchentum empfunden und "nur ungerne" zugestanden. Jedenfalls solle nach dem Worte "Lyzeer" [sic] eingefügt werden: "oder einer gleichwertigen kirchlichen Lehranstalt".
Zu 3 Satzl. (Wahlrecht der Domkapitel für Bischöfe): Allgemeines Nein! – Der Beschluss der Freisinger Bischofskonferenz von 1920 und 1921 soll aufrechterhalten, das Wahlrecht der Domkapitel also abgelehnt werden. Seine Exzellenz von Bamberg
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schreibt: "Ich halte es für ein Unglück, wenn den Kapiteln einfachhin das Wahlrecht zugestanden würde; dagegen hätte ich nichts einzuwenden, wenn den Kapiteln Gelegenheit gegeben würde Vorschläge zu machen, damit nicht Unverantwortliche (z. B. Ordensleute oder katholische Adelige) Vorschläge zu machen versuchen".
Zu 3 Satz 2 (Anfrage bei der Staatsregierung vor Ernennung der Bischöfe): Als äusserste Konzession: Ja! – Die Fassung, "ob seitens der Staatsregierung keine Bedenken bestehen", erscheint H. H. Bischof von Eichstätt zu vage und als Hintertüre zu Missbräuchen. Er schlägt die Fassung vor: "Ob die bayerische Staatsregierung keine wesentlichen oder schweren Bedenken erhebt, die jedoch dem Hl. Stuhl im einzelnen darzulegen und zu begründen sind". – H. H. Bischof von Passau stimmt sehr ungerne zu und wünscht den Zusatz: "Der Hl. Stuhl wird sich auf nichtamtliche Weise davon überzeugen, ob …"
Zu 3 Satz 3 (Besetzung der Kanonikate). Allgemeines, zum Teil "entschiedenes " Nein! gemäss dem Beschluss der Freisinger Bischofskonferenz. Der dort zu can. 403 beantragte Zusatz ad episcopum pertinet audito capitulo" könnte dem Landtage genügen. – H. H. Erzbischof von Bamberg: "Es wäre aber nicht unrecht den Kapiteln zu lassen was sie bisher hatten, nämlich das Wahlrecht für jeden vierten Erledigungsfall". – H. H. Bischof von Eichstätt: Sollte der Hl. Stuhl eine Konzession machen, dann höchstens ein Wahlrecht der Kapitel für jeden dritten Erledigungsfall, natürlich unter Zustimmung des Bischofs.
Zu 4 (Staatliche Präsentation auf Benefizien wie nach dem alten Konkordat). Mein Vorschlag: "kirchlich unannehmbar, als äusserste Konzession eine Anfrage bei der Regierung vor der Besetzung", wird von der Mehrzahl der Hochwürdigsten Herren angenommen. – H. H. Erzbischof von Bamberg umschreibt bestimmter: "Es kann nur diese Konzession gemacht werden, dass bei Pfründen bisherigen landesherrlichen Patronats vor der Ernennung der Pfarrer und Benefiziaten Mitteilung an die Staatsregie-
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rung gemacht werde mit der Anfrage, ob vom staatlichen Standpunkt Bedenken gegen die Person des zu Ernennenden bestehen. Dies aber nur dann, wenn auch der Staat eine ähnliche Konzession bei der Anstellung von Religionslehrern an Mittelschulen, Geistlichen an staatlichen Krankenhäusern, Gefängnissen und dergleichen macht." – H. H. Bischof von Passau lehnt jede Verhandlung mit der Regierung bei Besetzung von Benefizien ab. – H. H. Bischof von Eichstätt bezeichnet meinen Vorschlag als "Aeusserstes Entgegenkommen" mit der Bemerkung, diese Forderung des Ministeriums wolle die alte Unfreiheit zurückführen und stehe im Widerspruch mit der Reichsverfassung.– H. H. Bischof von Augsburg dagegen ist für weitergehende Konzession: "Da die jetzige Regierung nicht mehr (wie die Hoffmann'sche) vom Hl. Stuhl als revolutionär behandelt wird, könnte auch der alte Modus in der Besetzung der Benefizien zugestanden werden".
Zu 5 (deutsche Herkunft der Ordensoberen): Allgemeines Ja! – Hier wie in allen obigen Fällen werden diese Konzessionen ausdrücklich nur für den Fall zugestanden, dass das Konkordat im Ganzen zustande kommt und diese Konzessionen von kirchlicher Seite durch Gegenleistungen des Staates nach dem Do ut des-Standpunkt aufgewogen werden.
(gez.) M. Kard. Faulhaber
Erzbischof von München.
Empfohlene Zitierweise
Faulhaber, Michael von an Pacelli, Eugenio vom 09. April 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10321, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10321. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 31.07.2013.