Dokument-Nr. 13207
Hugo, Ludwig Maria an Pacelli, Eugenio
Mainz, 23. Oktober 1923

Hochwürdigster Herr Apost. Nuntius!
Euer Excellenz!
Mit Freuden komme ich der Aufforderung Euerer Excellenz nach und richte anbei ein Gesuch um Genehmhaltung des bisher bei Ernennung des Domdekanes nach der Bulle "Ad Dominici gregis custodiam" (1827) üblichen Verfahrens auch für den jetzigen Fall an den Heiligen Stuhl. Wollen Ew. Excellenz dieses Gesuch gütigst weiterleiten. Ich hätte schon früher aufgrund des can. 396. § 1 dem H. Stuhle die Angelegenheit unterbreitet, wenn ich nicht nach Einsichtnahme in die früher (1920) geführten Verhandlungen geglaubt hätte, dass bis zum Erlass neuer Bestimmungen der bisherige modus procendendi ohne weiteres beibehalten könnte und sollte. Dass ich in meinem Schreiben an die Regierung in Darmstadt den Vorbehalt "sine praejudicio futuri temporis" ausdrücklich machte, glaube ich in meinem vorigen Briefe Ew. Excellenz bereits berichtet zu haben.
Gleichzeitig gestatte ich mir Ew. Excellenz eine weitere Bitte vorzutragen. In den letzten Tagen kamen zwei Herrn von hier, Regens Dr. Schneider und Domkapitular Lenhart an mich heran mit dem Ersuchen, ich möchte gemeinsam mit den übrigen rheinischen Bischöfen für die Ausgewiesenen im rechtsrheinischen Gebiete eintreten, damit ihnen die Rückkehr gestattet werde. Ihre Lage war mir nicht unbekannt, und ich hatte bereits nach meiner Rückkehr von der Firmreise Mitte Juli durch das bischöfliche Ordinariat die Regierung in Darmstadt gebeten, dass in das Gebiet von Nidda (Oberhessen), wo früher nur ganz wenige Katholiken wohnten, jetzt aber sehr viele
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katholische Ausgewiesene sind, ein katholischer Lehrer angestellt werde. Gleichzeitig taten wir hier, was in unserer Kraft stand, um daselbst neben der bereits bestehenden Kapelle ein bescheidenes Priesterhaus zu errichten; die Abtrennung eines eigenen Sprengels ist bereits erfolgt. – Den beiden oben gen. Herrn glaubte ich sagen zu müssen, dass eine Aktion des rheinischen Episkopates in Koblenz oder Paris kaum auf großen Erfolg rechnen dürfe. Ich wolle aber sowohl S. Em. dem H H Kardinal in Köln wie Sr. Excellenz dem H H Apost. Nuntius die Sache darlegen. Zahlen kann ich nicht bieten. Ich weiss nur, dass in dem Gebiete von Nidda früher nur wenige katholische Schulkinder waren, während deren jetzt mehr als 130 sind. Auch in Giessen und Umgebung fand ich viele Katholiken aus Trier und anderen linksrheinischen Gebieten. Dass bei der überall herrschenden Wohnungsnot und der erzwungenen Beschäftigungslosigkeit der Ausgewiesenen sich ein großes moralisches und physisches Elend immer mehr breit macht, ist ohne weiteres klar. Nicht minder groß ist das Elend, welches dem Glaubensleben vieler, vielleicht der meisten Ausgewiesenen droht, weil in dem fast ganz protestantischen Oberhessen wie auch in Thüringen und Sachsen dem Einfluss des katholischen Priesters fast entzogen sind [sic] und kaum unter den größten Schwierigkeiten zur hl. Messe und Predigt kommen können.
Ehrerbietigst bitte ich Ew. Excellenz, den Heiligen Vater auf diese misslichen Dinge aufmerksam machen zu wollen, damit der Oberste Hirte der Kirche nach der ihm verliehenen Weisheit entscheide, was er zugunsten dieser Armen bei der Regierung Frankreichs zu erreichen hoffen darf.
Mit herzlichem Danke und der Versicherung ehrfurchtsvoller Anhänglichkeit verbleibe ich
Euerer Excellenz
stets ergebener
+ Ludwig Maria, Bischof v. Mainz.
Empfohlene Zitierweise
Hugo, Ludwig Maria an Pacelli, Eugenio vom 23. Oktober 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13207, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13207. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 25.02.2019.