Dokument-Nr. 13219
Faulhaber, Michael von an Pacelli, Eugenio
München, 09. Juni 1925

Euer Exzellenz
beehre ich mich die unter dem 25. Mai Nr. 32834 gnädigst überlassene Denkschrift der Fräulein Anna Herzinger an den Heiligen Vater ehrerbietigst wieder zurückzuschicken. Fräulein Herzinger glaubt subjektiv zu grossen apostolischen Werken berufen zu sein, und handelt in gutem Glauben, wobei freilich ihr Urteil durch übertriebene Einschätzung ihrer Fähigkeiten, vielleicht auch durch krankhafte Veranlagung getrübt ist. Von kirchlicher Seite hat man ihr Angebot, in der Heimatmission (Gegenstück zur protestantischen Inneren Mission) oder ähnlichen Organisationen des Laiendiakonates mitzuarbeiten, wohlwollend angenommen und geprüft und immer wieder Versuche mit ihr gemacht; es hat sich aber immer wieder herausgestellt, dass Fräulein Herzinger jene Demut und jenen Gehorsam nicht besass, ohne welche Einordnung in eine religiöse Arbeitsgemeinschaft und ein gesegnetes Zusammenarbeiten mit anderen 1 nicht möglich ist. Seit Jahren schickt sie an den Ordinarius der Diözese grosse Schreiben mit Klagen und Anklagen, die wahrscheinlich unbewusst auf falschen Voraussetzungen ruhen. Der Ordinarius gab seit etwa zwei Jahren keine Antwort mehr, weil Fräulein Herzinger für jede Belehrung und Ermahnung nicht zugänglich ist
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und eine Verstossung darin erblickt, wenn man ihr sagt, für die Mitarbeit in der Heimatmission habe sie keinen Beruf. Der Charakter von Fräulein Herzinger ist in weiten Kreisen von München wohl bekannt und es würde eine grosse Entrüstung auslösen, wenn, was nicht zu wünschen wäre, der Öffentlichkeit bekannt würde, dass sie mit einer umfangreichen Denkschrift den Heiligen Vater belästigt hätte.
Mit dem erneuten Ausdruck tiefster Verehrung
Bleibe ich
Euer Exzellenz
Ergebenster
M. Card. Faulhaber.
1"es hat ... mit anderen" hds. mit roter Farbe eingefügt, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Faulhaber, Michael von an Pacelli, Eugenio vom 09. Juni 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13219, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13219. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 24.06.2016.