Dokument-Nr. 13708
Mayer, Hans an [Pius XI.]1
Würzburg, 08. Februar 1923

Gleich am Eingang meines Schreibens bitte ich den heiligen Vater, meine Zeilen nicht ungelesen in den Papierkorp [sic] wandern zu lassen, denn in Anbetracht des großen Opfers meiner Frau, die sich auf Zureden des Hochw. Herrn Stadtpfarrers Thomann, St. Elisabeth Pfarrei zu Nürnberg entschlossen hat, Ihre 5  Kinder nach fünfjähriger Ehe dem katholischen Glauben zuzuführen, glaube ich wohl Gehör zu finden an der höchsten Stelle, nachdem ein Schreiben an Sr. Hochwürdigsten Herren Bischof Dr. Ferdinand v. Schlör unbeantwortet blieb.
Bei dem damaligen, im Jahre 1913 stattgefundenen Übertritt der Kinder vom protestantischen zum katholischen Glauben, wo auch meine pr. Frau sich bewegen ließ, die kath. Trauung nachzuholen, wurde uns im Notfalle Hilfe versprochen und da jetzt die Zeit wirklich gekommen ist, wo über das ganze deutsche Volk eine furchtbare Not kam, aber am stärksten die Familien betroffen sind mit Kinder, glaube ich sicher keine Fehlbitte an Sr: Heiligkeit gerichtet zu haben, wenn ich um Linderung meiner Notlage flehe.
Trotz der großen Spenden des Heiligen Vaters geht nichts an wirklich bedürftigen verschämten [sic] Arme, und so habe auch ich noch keinen Heller erhalten können.
Ich erlaube mir auf Grund meines Vorganges die ganz ergebenste Frage, ob es nicht angeht einer Familie zu helfen und zwar direkt, nicht erst auf Umwegen.
Im Anbetracht der furchtbaren Teuerung und der denkbar schlechtesten Arbeitsverhältnisse ist es mir unmöglich
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für 5 Kinder Schuhe, Strümpfe & die notwendigste Wäsche zu beschaffen, daß die Kinder in einigen Tagen die Schule und die Kirche noch besuchen können; das bißchen Lebensunterhalt reicht kaum für Brot und Milch. Ich will auch nicht verzagen und auf Gott hoffen, daß meine Bitte um Hilfe in der Not erhört wird, denn es kann doch nicht möglich sein, daß mich das Schicksal noch länger am Hungerband führt.
Begleitet mit einem innigen Gebet mögen diese Zeilen unsern heiligen Vater erreichen und der Liebe wegen meine Bitte erhören, um mir nicht noch zu allem anderen den Glauben an unseren lieben Gott zu rauben.
Nachdem ich schon einen erheblichen Teil meiner Habe verkaufen mußte, droht die Gefahr auch noch den Rest meines Haurats [sic] zu veräußern, um nicht ganz unterzugehen, wenn mir nicht Hilfe zu teil wird.
Mit dem felsenfesten Vertrauen, von unserem heiligsten Vater erhört zu werden, verwende ich meine letzten 100 M zu dem Porto für den Brief. Gebe Gott, daß meine Zeilen Sr. Heiligkeit bei guter Gesundheit antreffen.
Mit der gleichzeitigen Bitte um den Päpstlichen Segen schließe ich mein Schreiben
und zeichne ganz ehrerbietigst
und unterthänigst
Hans Mayer, Schneidermsr.
NB: Ich bemerke noch, daß ich und meine Frau 40 Jhr alt sind, die Kinder (Knaben 16, 13 + 12) die Mädchen 9 + 5 Jahre.
Für die Richtigkeit meiner Angaben bürge ich mit meinem "ehrlichen" Namen.
1Hds. korrigiert aus Pius. XIII.
Empfohlene Zitierweise
Mayer, Hans an [PiusXI.]Hds. korrigiert aus Pius.XIII. vom 08. Februar 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13708, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13708. Letzter Zugriff am: 01.05.2024.
Online seit 23.07.2014.