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                            Dokument-Nr. 14225
                         
                        
                        Euer Heiligkeit,
Glorreich regierender, lieber heiliger Vater,
Ich bin mir völlig bewußt, daß ich gegen alle Etiquette, Formen & Vorschriften sowohl des römischen Hofes als auch meines Hauses gröblichst sündige, wenn ich dir als „Vater", und wenn ich dir direct und persönlich schreibe; ich weiß auch daß deiner allerhöchsten Person als unmittelbarem Nachfolger des lbn. Heilandes hier auf Erden alle diese äußeren Ehren gebühren, und ich wollte ich könnte die ganze Welt anführen um sie zu vermehren & mich mit allen Menschen auch äußerlich zu deinen Füßen zu legen in allertiefster Ehrfurcht: aber heißest du uns nicht alle in der erbarmenden Liebe des Heilandes deine Kinder, und erlaubst uns dich unsern „Vater"
Einstweilen aber verzeih deinem vertrauensvollen Kind, daß es sich erkühnte so lang mit dir zu sprechen und gib mir zum Zeichen deiner Vergebung deinen hohepriesterlichen, päpstlichen Segen! Ich erbitte ihn für meine Familie, Mann. und 7 Kinder (ich bin die Großnichte von (Tante) Gräfin Holberg in Rom, die du vielleicht kennst & die mich bei dir bestätigen kann) vor allem für unsern Herrn Pfarrer, für alle katholischen Vereine Arnstorfs & für den Mütterverein dessen Vorsteherin ich bin, ganz speciell; und ich bitte dß. unser Herr Pfarrer uns diesen Segen in deinem Namen erteilen darf!
Mit dieser Bitte bleibe ich, bester u. treuster Vater
Deiner Heiligkeit
In tiefster Ehrfurcht ergeben, unwürdige u. gehorsameste Tochter
Maria Theresia Gräfin v. Deym
geb. Freiin v. Gumppenberg 
                        170r, oben links hds. von unbekannter Hand, vermutlich
            vom Empfänger, notiert: "A Msgr. Pacelli che informi se è il caso di fare qualche
            cosa ed in quale misura"; oben rechts hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom
            Empfänger, notiert: "C.ssa v. Deyn [sic] n.a bar.a v. G Arnstorf
            Niederbayern". 
                        
                             
                        Online seit 23.07.2014, letzte Änderung am 18.09.2015. 
                    
    Dokument-Nr. 14225
Deym, Maria Theresia von, geb. von Gumppenberg
 an Pius XI.
Arnstorf, vor dem 14. November 1923
                        Glorreich regierender, lieber heiliger Vater,
Ich bin mir völlig bewußt, daß ich gegen alle Etiquette, Formen & Vorschriften sowohl des römischen Hofes als auch meines Hauses gröblichst sündige, wenn ich dir als „Vater", und wenn ich dir direct und persönlich schreibe; ich weiß auch daß deiner allerhöchsten Person als unmittelbarem Nachfolger des lbn. Heilandes hier auf Erden alle diese äußeren Ehren gebühren, und ich wollte ich könnte die ganze Welt anführen um sie zu vermehren & mich mit allen Menschen auch äußerlich zu deinen Füßen zu legen in allertiefster Ehrfurcht: aber heißest du uns nicht alle in der erbarmenden Liebe des Heilandes deine Kinder, und erlaubst uns dich unsern „Vater"
170v
zu nennen? Und
        wann kann ein Kind weniger einen Vermittler brauchen, und verlangt ungestümer direct, allein
        und ungestört mit seinem Vater reden zu dürfen, als wenn Bitten und Sorgen sein Herz
        beschweren? Und eben dies ist heute bei mir der Fall, heute komme ich nur als dein Kind für
        viele Kinder, nämlich alle Pfarrkinder der Pfarrei Arnstorf dein Vaterherz um milde Gaben
        bestürmen. Du hast für das geschlagene Mitteleuropa schon soviel getan, das wissen wir und
        haben dir im Herzen und vor dem Tabernakel schon 1.000x dafür gedankt. Aber nachdem wir halt
        jetzt deine ärmsten Kinder sind, dürfen wir auch ohne Furcht dich zu beleidigen oder
        abgewiesen zu werden immer von neuem dir zu Füßen fallen! Höre bitte, liebster, bester
        Vater, mein Anliegen. Sende mir bitte einen Beitrag damit ich unser katholisches Vereinshaus
        bauen lassen kann! Glaube mir, nachdem du es leider nicht mit eigenen Augen sehen
        kannst, daß es ein ganz primitiver Saalbau wird, der nur den stolzen Namen Vereinshaus
        trägt; wir wären überglücklich, wenn wir nur das
        Notwen-171r
digste erreichen könnten: 4 von einem Dach
        überdachte Mauern in denen unser unvergleichlich eifriger Seelsorger seine Herde, von Wind
        und Wetter geschützt, nach Ständen getrennt, frei und ungehindert versammeln kann! Oh wenn
        Du diesen unsern Pfarrherrn & sein Wirken hier sehen könntest! Wie würde dein Vaterherz
        & Priesterherz aufjubeln in Freude, wieviel Trost würdest du daraus schöpfen& dem
        lbn. Heiland danken, daß er in ihm einen 2. "Pfarrer von Ars" – wir nennen ihn
        allgemein so, – erweckt hat. Kein größeres Unglück könnte die ganze Gegend hier treffen als
        wenn er stürbe oder von seinen kirchl. Vorgesetzten von hier wegversetzt würde! Ich
        kann dir, der du ja sein besonderer Vater bist, dessen besonders liebend & treuergebener
        Sohn er ist, nicht schreiben ohne dir von ihm und seinem Wirken zu erzählen, weil es mir
        unnatürlich vorkäme, zumal er ja innigst mit meiner Bitte und Sorge, unserm Vereinshaus
        zusammenhängt. Ich hatte ihn um ein paar "Testimonia" gebeten, nachdem ich mich angeboten
        hatte, an einige apostolisch gesinnte Katholiken des Auslands zu schreiben – er weiß nicht,
        daß ich dieses Testimonium ohne Umschweife an 171v
die höchste
        Instanz sende, würde es mir wohl verbieten was mein vertrauendes Kinderherz sich nicht
        verbieten läßt! Lieber, heiliger Vater, dir brauche ich nicht zu sagen was in größeren Orten
        mit den Vereinen für Gottesehre & für die gute Sache steht und fällt; du weißt wie deine
        glorreichen heiligen Vorgänger was durch sie für Gott gewonnen und dem höllischen Feind
        entrissen wird! Und wenn du erst, ich muß es noch einmal sagen, sehen könntest wie blühend
        unsere Vereine sind, mit wie viel Mühe, Liebe u. Sorge unser lbr. Herr Pfarrer sie
        gegründet, wie er oft seine letzte Kraft Sonntag f. Sonntag hergibt um in ihnen Vortrag
        f. Vortrag zu halten, wie er besonders den Mitgliedern der männlichen Vereine einzeln
        nachgeht, stundenweis, du würdest ungebeten mit großer hoherpriesterlicher Freude uns
        schenken, was du schenken kannst, und auch Priester deiner Bekanntschaft und Umgebung
        auffordern dir für uns zu schenken! Denke dir, welch namenloser Schmerz sein
        (L. Pfarrers) Priesterherz & uns alle die wir mit ihm apostolisch denken, erfüllen
        müßte, wenn all diese 18jährige Arbeit wieder verloren ginge!
        172r
Denn ab nächstes Jahr wird uns der jetzt noch freie
        Schulsaal genommen, die Männerwelt kann die Miete & die obligaten Getränke in den
        Gasthäusern nicht mehr bezahlen – wir sind gezwungen uns auf eigne Füße zu stellen. Und ich
        erwarte also mit kindlichem Vertrauen und übergroßer Freude des Herzens daß du, lieber
        heiliger Vater, treuster Helfer für alle apostolischen Sorgen deiner Kinder, uns hilfst, so
        viel & mächtig du uns eben neben deinen vielen andern Kindern helfen kannst! Nimm von
        unsrer ganzen Gegend vor allem von unserm geliebten Pfarrer und auch von mir, deiner
        geringsten Tochter, im voraus ein 1.000faches "Vergelts Gott" an, das im Himmel ganz gewiß
        ein 1.000faches Echo finden wird! Ich bin bei dem Gedanken daß diese Zeilen wirklich an dich
        gelangen werden, daß ich armes Kind mit dir so direct in Verbindung trete, verworren aber
        doch unendlich glücklich; vielleicht, vielleicht wenn Gott uns andere Zeiten schickt darf
        ich doch noch einmal mit Mann u. Kindern zu Deinen Füßen knieen. Sollte aber, was Gott
        verhüten wolle, wie prophezeit ( ob 172v
auf göttliche
        Eingebung?) – du selbst in Italien nicht mehr sicher sein – oh dann komm zu uns wo dich
        niemand suchen wird,& wenn, wo dann die katholischen Männer & Jünglinge in den
        Vereinen zu ganzen Katholiken erzogen, dein Leben mit dem ihren schützen werden!
        Beglücke unser Haus, unseren Ort, unser Land! Entzünde in uns neu das Feuer deiner, das ist
        des Heilands Liebe!Einstweilen aber verzeih deinem vertrauensvollen Kind, daß es sich erkühnte so lang mit dir zu sprechen und gib mir zum Zeichen deiner Vergebung deinen hohepriesterlichen, päpstlichen Segen! Ich erbitte ihn für meine Familie, Mann. und 7 Kinder (ich bin die Großnichte von (Tante) Gräfin Holberg in Rom, die du vielleicht kennst & die mich bei dir bestätigen kann) vor allem für unsern Herrn Pfarrer, für alle katholischen Vereine Arnstorfs & für den Mütterverein dessen Vorsteherin ich bin, ganz speciell; und ich bitte dß. unser Herr Pfarrer uns diesen Segen in deinem Namen erteilen darf!
Mit dieser Bitte bleibe ich, bester u. treuster Vater
Deiner Heiligkeit
In tiefster Ehrfurcht ergeben, unwürdige u. gehorsameste Tochter
Maria Theresia Gräfin v. Deym
geb. Freiin v. Gumppenberg
