Dokument-Nr. 14580
Eich, Michael an Pius XI.
[Geisenheim], 30. Juni 1929

Heiliger Vater!
Achttausend Männer aus Rheinhessen und Nahegebiet, versammelt am Wallfahrtsort Marienthal im Rheingau, um ein Kriegsgelöbnis alljährlich zu erfüllen, legen in Ehrfurcht Eurer Heiligkeit das Bekenntnis ihrer Treue zum Apostolischen Stuhl zu Füssen.
Unsere Wallfahrt galt der Erflehung des wahren Friedens für die Menschheit. In Erinnerung der Schrecken des vergangenen Krieges, bitten die versammelten Männer zu Marienthal Eure Heiligkeit, bei den Katholiken und den Regierungen der Welt darauf hinzuwirken, dass die unmenschlichen Mittel der Zukunftskriegsführung, wie Giftgas usw., nicht in Anwendung gebracht werden, da sie auch alle Nichtkämpfer, unschuldige Kinder, Frauen und Greise, ja ganze Länder zu vernichten drohen.
Wir halten dafür, dass der moderne Krieg, der sich dieser Mittel bedient, schon deshalb zu verwerfen ist. Wir stehen fest zu der katholischen Sittenlehre, dass ein Krieg nur dann erlaubt sein kann, wenn nicht nur seine Ursache wahrhaft gerecht ist und kein anderer Weg zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit mehr offen steht, sondern wenn auch die Absicht und moralische Gewissheit besteht, dass nach den Worten des Englischen Lehrers beim Kriege "das Böse vermieden und das Gute gefördert werde", sowie seine unvermeidlichen Schrecknisse der Schuld angemessen seien, die das mit Krieg überzogene Volk auf sich geladen hat.
Wir halten es für ausgeschlossen, dass heute noch alle diese Bedingungen für einen gerechten Krieg erfüllt werden können und glauben deshalb, dass die Zeit gekommen ist, den modernen Krieg öffentlich als unerlaubt zu verurteilen. Schon ist jeder
66r
Angriffskrieg durch internationale Abmachungen der weltlichen Mächte als Verbrechen geächtet und verboten worden. Ihre höchste Weihe und ihre durchgreifende Wirkung erhalten solche Verbote erst dann, wenn auch das oberste Lehr- und Hirtenamt der katholischen Kirche vor der ganzen Welt den Krieg als völlig ungeeignetes Mittel, zwischen staatlichen Streitigkeiten auszutragen, verdammt.
Wir setzen in dieser Angelegenheit unser ganzes Vertrauen auf Eure Heiligkeit, den Träger der höchsten Autorität auf Erden und den Nachfolger des guten Hirten aller Völker.
Im Auftrage aller in Marienthal versammelten
Priester und Laien
Eurer Heiligkeit
gehorsamster Sohn
Eich
Diözesanpräses der Männer- und Arbeitervereine der Diözese Mainz
Empfohlene Zitierweise
Eich, Michael an PiusXI. vom 30. Juni 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14580, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14580. Letzter Zugriff am: 30.04.2024.
Online seit 20.01.2020.