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                            Dokument-Nr. 16293
                         
                        
                        Ew. Excellenz!
gestatten wir uns, zu dem Pro Memoria des Baltischen Roten Kreuzes an s-e. Heiligkeit begutachtend und ergänzend folgendes zu bemerken:
Die Leitung des Baltischen Roten Kreuzes liegt zurzeit in den Händen von Persönlichkeiten, die Vertrauen verdienen und sich ernstlich Mühe geben, die materielle Not ihrer in ganz Deutschland zerstreut wohnenden Landsleute zu lindern. Die Zahl der baltischen Flüchtlinge, die sich in Deutschland aufhalten beträgt schätzungsweise 15.000. Davon wohnen in Berlin etwa 5 bis 7.000. Sie sind zum grössten Teil staatenlos. Es macht daher Schwierigkeiten, dass sie im Falle der Hilfsbedürftigkeit auf Grund der Reichsfürsorgepflichtverordnung von den zuständigen deutschen Fürsorgeverbänden aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhalten. Der grösste Teil der Flüchtlinge bemüht sich, durch eigene Arbeit sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Bei der in Deutschland zurzeit herrschenden Arbeitslosigkeit ist dieses jedoch nicht immer möglich. Deshalb sind immer viele baltische Flüchtlinge auf die Hilfe mildtätiger Mitmenschen angewiesen.
Diese zwei erwähnten Heime reichen nicht aus, um alle heimbedürftigen alten Leute unter den baltischen Flüchtlingen aufzunehmen. Es liegen beim Baltischen Roten Kreuz zurzeit nicht weniger als 64 Gesuche von alten Leuten vor, die um Aufnahme bitten.
Die Verpflegungskosten in dem Heim betragen pro Tag 1.50 M. bis 2.- M. Die Kosten müssen fast ausschliesslich auf dem Wege der Sammlung aufgebracht werden. Früher wurden aus Amerika an das Baltische Rote Kreuz verhältnismässig reichliche Liebesgaben geschickt. Die Liebesgaben bleiben in letzter Zeit vollständig aus. Nur einige wenige Liebesgaben kommen noch aus den nordischen Ländern: Schweden, Norwegen, Finnland.
In letzter Zeit versucht das Baltische Rote Kreuz in Deutschland selbst durch Wohltätigkeitsveranstaltungen Mittel für den Unterhalt der zwei Altersheime zu beschaffen. In einem besonderen Appell wendet es sich vor allem an seine eigenen Landsleute. Ein Exemplar dieses Appells fügen wir in der Anlage bei.
Ich hoffe, Ew. Excellenz mit den vorliegenden Darlegungen gedient zu haben. Sollten noch weitere Auskünfte notwendig sein, so stehe ich hierfür gern zur Verfügung.
Das Pro Memoria des Baltischen Roten Kreuzes geben wir in der Anlage wieder zurück.
In tiefer Ehrfurcht
Wienken
Direktor 
                        
                             
                        Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 26.06.2017. 
                    
    Dokument-Nr. 16293
Wienken, Johann Heinrich an Pacelli, Eugenio
 an Pacelli, Eugenio
Berlin, 01. April 1926
                        gestatten wir uns, zu dem Pro Memoria des Baltischen Roten Kreuzes an s-e. Heiligkeit begutachtend und ergänzend folgendes zu bemerken:
Die Leitung des Baltischen Roten Kreuzes liegt zurzeit in den Händen von Persönlichkeiten, die Vertrauen verdienen und sich ernstlich Mühe geben, die materielle Not ihrer in ganz Deutschland zerstreut wohnenden Landsleute zu lindern. Die Zahl der baltischen Flüchtlinge, die sich in Deutschland aufhalten beträgt schätzungsweise 15.000. Davon wohnen in Berlin etwa 5 bis 7.000. Sie sind zum grössten Teil staatenlos. Es macht daher Schwierigkeiten, dass sie im Falle der Hilfsbedürftigkeit auf Grund der Reichsfürsorgepflichtverordnung von den zuständigen deutschen Fürsorgeverbänden aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhalten. Der grösste Teil der Flüchtlinge bemüht sich, durch eigene Arbeit sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Bei der in Deutschland zurzeit herrschenden Arbeitslosigkeit ist dieses jedoch nicht immer möglich. Deshalb sind immer viele baltische Flüchtlinge auf die Hilfe mildtätiger Mitmenschen angewiesen.
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Besonders gilt dieses von
        den alten Leuten, die nicht mehr arbeiten können. Diese hat man zum Teil in den zwei
        Altersheimen, die im Gesuch erwähnt sind, untergebracht. Die beiden Heime werden gut
        geleitet. In jedem Heim befinden sich zurzeit 23 Insassen. Es sind zum grössten Teil
        Frauen. Im Heim Berlin-Lichterfelde befinden sich 3 Männer, und im Heim Remplin
        7 Männer. Ihrem Stande nach haben sie früher fast ausschliesslich höheren Ständen
        angehört. Dem Berufe nach sind es Beamte und Gutsbesitzer gewesen. Im Heim Remplin befinden
        sind zwei römisch-katholische Insassen. Die anderen Heiminsassen sind fast ausschliesslich
        evangelische Christen, nur einige wenige griechisch-orthodoxe befinden sich
        darunter.Diese zwei erwähnten Heime reichen nicht aus, um alle heimbedürftigen alten Leute unter den baltischen Flüchtlingen aufzunehmen. Es liegen beim Baltischen Roten Kreuz zurzeit nicht weniger als 64 Gesuche von alten Leuten vor, die um Aufnahme bitten.
Die Verpflegungskosten in dem Heim betragen pro Tag 1.50 M. bis 2.- M. Die Kosten müssen fast ausschliesslich auf dem Wege der Sammlung aufgebracht werden. Früher wurden aus Amerika an das Baltische Rote Kreuz verhältnismässig reichliche Liebesgaben geschickt. Die Liebesgaben bleiben in letzter Zeit vollständig aus. Nur einige wenige Liebesgaben kommen noch aus den nordischen Ländern: Schweden, Norwegen, Finnland.
In letzter Zeit versucht das Baltische Rote Kreuz in Deutschland selbst durch Wohltätigkeitsveranstaltungen Mittel für den Unterhalt der zwei Altersheime zu beschaffen. In einem besonderen Appell wendet es sich vor allem an seine eigenen Landsleute. Ein Exemplar dieses Appells fügen wir in der Anlage bei.
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Auf
        Grund dieser vorliegenden Verhältnisse kann eine Unterstützung der zwei Altersheime des
        Baltischen Roten Kreuzes unbedenklich empfohlen werden. Sie empfiehlt sich auch von dem
        Gesichtspunkte aus, dass die baltischen Flüchtlinge in religiöser Hinsicht keine irgendwie
        feindliche Stellungnahme gegenüber den Katholiken einnehmen. Falls der Heilige Stuhl eine
        Unterstützung für die zwei Altersheime gewährt, könnte bei dieser Gelegenheit zweckmässig
        der Wunsch ausgesprochen werden, dass in den Altersheimen den römisch-katholischen Insassen
        ausreichend Gelegenheit gegeben wird, ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen.Ich hoffe, Ew. Excellenz mit den vorliegenden Darlegungen gedient zu haben. Sollten noch weitere Auskünfte notwendig sein, so stehe ich hierfür gern zur Verfügung.
Das Pro Memoria des Baltischen Roten Kreuzes geben wir in der Anlage wieder zurück.
In tiefer Ehrfurcht
Wienken
Direktor
