Dokument-Nr. 1665
Schuhmacher, Josef an Pius XI.
Kleinenbroich, 09. Mai 1922

3 Anlagen.
Eure Heiligkeit werden hochgeneigtest verzeihen, dass ich im Nachstehenden Hochdieselben gütige Unterstützung flehentlichst erbitte.
Ich bin 14 Jahre in der Kommunalverwaltung tätig, habe die erforderliche Vorbereitung für die Bürgermeisterlaufbahn durchgemacht und war rund 3 Jahre in Vertretung und als kommissarischer Bürgermeister tätig. Stets sind mir aber nur solche Stellen zugewiesen worden, in denen ich keine Aussichten von vorneherein auf endiltige Anstellung hatte. So auch im letzten halben Jahre in Kleinenbroich. Der s. Zt. erkrankte Kollege, der wieder gesund und wieder in den Dienst zurückgetreten ist, hat meine Stelle eingenommen und stehe ich seit dem 16. ds. Mts. mit einer grossen Familie erwerbs-und brotlos da. Hier im Gymnich, wo ich mich bis zum 16. ds. Mts. und auch voraussichtlich weiter aufhalten werde, ist keinerlei Verdienstmöglichkeit, sodass ich mit meiner Familie dem Untergange entgegensehe.
Nun bin ich von dem Gemeinderate in Capellen, Kreis Geldern am Niederrhein zum Bürgermeister gewählt worden.
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Die Beauftragung zu dieser Stelle liegt in den Händen des Herrn Oberpräsidenten und auch in denen des Ministeriums des Innern, Berlin N. W. 7, Unter den Linden Nr. 72/74. Der Herr Oberpräsident hat seinen Sitz in Coblenz, Adresse: "Exzellenz von Groote."
Ich befinde mich bereits im vorgerückten Alter (1877 geboren), bin kriegsverletzter Offizier und kann beim besten Willen bei keiner Behörde unterkommen aus den zuletztgenannten Gründen.
Meine Familie befindet sich aber ab 16. ds. Mts., von welchem Tage ich kein Gehalt mehr beziehe, in einer schrecklichen Notlage1, die nur dadurch abgewendet wird, dass mir die Bürgermeisterstelle in Capellen übertragen wird. Dieses ist aber noch mit Schwierigkeiten verbunden, ich habe keinerlei Protektion ausser meine Arbeit2 und meinen Kenntnisse.
Durch die Beauftragung mit der Bürgermeisterstelle in Capellen würde meine Familie vor dem Untergange bewahrt bleiben.
Eure Heiligkeit möchte ich daher auch im Namen meiner Familie ganz gehorsamst bitten, sich für mich bei dem Ministerium des Innern in Berlin und den Herrn Oberpräsidenten dahin zu verwenden, dass mir die Bürgermeisterstelle in Capellen, Kreis Geldern am Niederrhein übertragen wird. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass ich hierdurch auch meine bisher von mir ünterstützte 80 jährige Mutter weiter unterstützen könnte.
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Bezüglich meiner Würdigkeit für die erbetene hochgeneigte Protektion darf ich wohl auf die in Abschrift beigefügten Zeugnisse von 6 Pfarrern hinweisen.
Gott der Allmächtige wird eure Heiligkeit segnen, wenn Hochdieselben sich meiner annehmen und meine Familie vor dem sicheren Untergange retten.
Einem wohnwollenden Bescheid gerne entgegensehend, zeichnet
Eure Heiligkeit
Ehrfurchtsvoll gehorsamster Sohn
J. Schumacher
kommissarischer Bürgermeister
kriegsverletzter Leutnant d. L. II
1"Meine Familie […] Notlage" hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, mit roter Farbe unterstrichen.
2"keinerlei […] Arbeit" hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Empfänger, mit roter Farbe unterstrichen.
Empfohlene Zitierweise
Schuhmacher, Josef an PiusXI. vom 09. Mai 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 1665, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/1665. Letzter Zugriff am: 29.04.2024.
Online seit 31.07.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.