Dokument-Nr. 18645

Hochstetter, Friedrich: Die Bischöfe zum Konkordat., in: Tägliche Rundschau, 17. August 1927
Die in Fulda vereinigten Bischöfe haben warnend ihre Stimme erhoben und den von weiten Kreisen, auch außerhalb der bewußten Protestanten, vorgeschlagenen Weg, die schwebenden Fragen staatskirchenrechtlicher Natur durch ein Staatsgesetz zu regeln, als ungangbar abgewiesen. Sie haben die Behauptung aufgestellt, diese Forderung beruhe auf einer irrigen Voraussetzung :“ Die von Christus dem Herrn gegründete Kirche leitet ihre Befugnisse unmittelbar von Christus und nicht von der Autorität des Staates ab. . . Für die katholische Kirche ist zur Neuordnung nicht der einzelne Bischof, auch nicht die Bischofskonferenz zuständig, sondern der Apostolische Stuhl, da nach katholischer Glaubenslehre der Jurisdiktionsprimat des Römischen Papstes als Nachfolgers Petri, auf Christi Einsetzung beruhend, die Leitung der Gesamtkiche umfaßt....“ Wenn die deutschen Bischöfe selbst so gering von ihrem Rechte, Vertreter der deutschen Katholiken zu sein, denken, so müssen wir uns damit bescheiden. Die Zeiten, in denen die Bischöfe noch etwas höher von ihren Befugnissen dachten, sind vorüber, und der Episkopalismus ist wenigstens auf deutschem Boden ein „Es- war-einmal“. Die Begründung aber, mit der die Bischöfe ihr Ansinnen an Volk und Regierung umkleiden, fordert Widerspruch heraus. Wenn sich die Bischöfe darauf berufen, daß „die Kirche“ (lies: die römisch-katholische Kirche) von Christus dem Herrn gegründet sei, so ist das ein Glaubenssatz , der von den evangelischen zwei Dritteln in Preußen vorneweg nicht geteilt wird (und von vielen im restlichen Drittel gleichfalls nicht), der aber den Staat und seine Vertreter überhaupt nicht berührt. Inwieweit die christliche Kirche , zu der sämtliche christlichen Einzelkirchen mit Einschluß der reformatorischen Kirchen gehören, auf Stiftung Christi beruht, ist eine rein geschichtliche Frage, deren Beantwortung bekanntlich nicht so ganz einfach ist. Daß aber die hierarchisch gegliederte katholische Kirche von heute, mit der es der Staat zu tun hat, die Kirche, in der nach ihrer eigenen Auffassung nicht einmal die Bischöfe mehr etwas Richtiges zu sagen haben sollen, von Christus dem Herrn gestiftet sein soll, ist einfach eine geschichtliche Täuschung, die den Staat nichts angeht. Er betrachtet sich selbst – und das ist auch ein religiöser Gedanke – als die Quelle alles Rechts, in eigener Verantwortung und eigenem Pflichtgefühl.
Eine zweite großartige Täuschung ist die vom „Jurisdiktionsprimat“ des Papstes als des vermeintlichen Nachfolgers Petri – vielmehr eine Kette von Täuschungen. An diesem Anspruch des Jurisdiktionsprimates haften die verhängnisvollen Erinnerungen deutscher Geschichte, von den salichen und staufischen Kaisern bis zum dreißigjährigen Krieg und weiter. Den Staat aber geht die Stellung, die ein Teil – obendrein eine Minderheit – aus religiösen Gründen einem fremden Bischof einräumen zu müssen glaubt, wiederum nichts an. Was in seinem Hoheitsbereich Recht sein soll, kann er auch ohne die Mitwirkung eines Ausländers finden. Daß innerhalb der staatlichen Hoheitsrechte jede Rücksicht auf die religiösen Werte, die ein wertvolles Aktivum im Volksleben bedeuten, genommen werden wird, versteht sich von selbst.
Nebenbei bemerkt beschränkt sich nach der Auffassung des katholischen Dogmas der „Jurisdiktionsprimat“ des Papstes durchaus nicht auf die katholische Kirche, sondern umschließt alle Getauften. Wenn der schlechtunterrichtete Staat die Anerkennung dieses Jurisdiktionsprimats, wenn auch nur stillschweigend, vollziehen würde, so würde er damit auch die Gefühle seiner nichtkatholischen Bürger (der Mehrheit!) verletzen, denen dieser Anspruch eines Fremden unerträglich ist. Es hat schon einmal ein Pabst gegenüber einem Oberhaupt des preußischen Staats den Wink mit dem Jurisdiktionsprimat versucht, wurde aber ebenso würdig wie kräftig in die Schranken gewiesen. Der Papst hieß Pius IX., sein Widerpart Kaiser und König Wilhelm I. Sollten wir nicht erwarten dürfen, daß im Freistaat Preußen wenigstens ebensoviel Gefühl für Freiheit und Würde aufzubringen sein sollte?
Warum denn nur mit solchem Eifer der Weg der unmittelbaren staatlichen Gesetzgebung als ungangbar und der Weg des Konkordats als der einzig mögliche hingestellt wird? In Baden und in Württemberg sind die staatskirchenrechtlichen Verhältnisse auf dem Wege der staatlichen Gestzgebung geregelt worden, und die Vertreter des Zentrums, die doch wohl gewiß auch als die Vertreter katholischer Belange angesprochen werden können, haben sich ausdrücklich für befriedigt erklärt.
Katholische Staaten wie Oesterreich, Frankreich haben überhaupt kein Konkordat. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, als wollte die römische Diplomatie um jeden Preis die günstige politische Konjunktur ausnützen, um mit ihrer Hilfe dem Staat im Staate , den eine unter fremden Jurisdiktionsprimat stehende, durch Garantien internationalen Rechts geschützte und priveligierte katholische Kirche vorstellt, seine Stellung für dauernd zu sichern.
Es darf als bemerkenswert noch unterstrichen werden, daß sich die Erklärung der Bischöfe, wie die einleitenden Worte der offiziösen Mitteilung zeigen, auf ein Preußenkonkordat bezieht. Was man in eingeweihten Kreisen ohnedies wußte, wird dadurch bestätigt: die vatikanischen Kreise haben – vorläufig? – das Reichkonkordat auf Eis gelegt und steuern mit Volldampf auf ein Preußenkonkordat los. Das bedeutet: sie halten ihr Ziel für leichter erreichbar bei der Linkskoalition in Preußen als bei der Rechtskoalition im Reich. Wie konnte doch die Presse der Linken wacker schmähen, wenn man bei einer Partei der Rechten Konkordatsanwandlungen spürte! Hoffentlich macht man sich dort ebenso stark, wenn die Versuchung aus den eigenen Reihen kommt. Denn die Tatsache bleibt für alle Parteien bestehn: Wer vpm Konkordatstische ißt, läuft Gefahr, Wähler zu verlieren. Das gilt für rechts wie links.
Empfohlene Zitierweise
Hochstetter, Friedrich, Die Bischöfe zum Konkordat.in: Tägliche Rundschau vom 17. August 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18645, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18645. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 25.02.2019.