Dokument-Nr. 20460

Bund der Polen in Deutschland, Teilverband I: Resolution
an die massgebenden kirchlichen Stellen in Sachen des Konkordats. [Oppeln], vor dem 03. Mai 1929

Übersetzung
Im Augenblick, da das Projekt des preußischen Konkordats mit dem Apostolischen Stuhle bereits fertiggestellt und durch Vermittelung der Berliner Nuntiatur nach Rom gesandt ist, wenden wir uns im Namen der kath. polnischen Bevölkerung an die massgebenden kirchlichen Stellen, und zwar vor allem an den Hochwürdigsten Herrn Nuntius Eugen Pacelli und den Hochwürdigsten Herrn Cardinal Bertram mit der heißen Bitte, im Konkordat unsere natürlichen Rechte wohlwollend zu berücksichtigen und unsere Muttersprache zu schützen.
Während nach dem polnischen Konkordat in Polen im Gebrauch der Sprache bei Predigten, außerordentlichen Andachten und Vorträgen eine Änderung nur <auf Grund>1 einer Ermächtigung durch die Bischofskonferenz eingeführt werden kann, - was zur Folge hat, dass der Besitzstand der Sprache der Minderheit in Polen unangetastet ist – traten dagegen bei uns seit dieser Zeit erhebliche Änderungen zum Nachteil der polnischen und zum Vorteil der deutschen Sprache in der Kirche ein.
Deshalb wenden wir uns an die massgebenden kirchlichen Stellen mit der demütigen Bitte, im kommenden preußischen Konkordat einen ähnlichen Schutz unserer Muttersprache berücksichtigen zu wollen.
Die Sorge um die Muttersprache, die für uns genau so wie für andere Nationen ein teures Nationalgut ist, verbindet sich mit der Sorge um die Zukunft des heiligen Glaubens unter uns. Die Worte, die häufig von deutschen Priestern an ihre Landsleute gerichtet werden: dass die Loslösung vom Volkstum und der Muttersprache eine Loslösung vom Glauben nach sich zieht, machen wir uns zu eigen.
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Gerade die Geschichte Schlesiens überzeugt uns davon. Beweis ist unserer eigener oberschlesischer Adel, der nach seiner Germanisierung sich zum grossen Teile vom hl. kath. Glauben losgesagt hat. Noch im Jahre 1664 zählte das Verzeichnis des oberschlesischen Adels 304 polnische Namen. Heute, germanisiert, haben sie den Glauben verloren.
Die neueste Bevölkerungsstatistik im Reiche zeigt, dass noch heute Oberschlesien die gesündeste Provinz in moralischer Hinsicht ist, und zwar D<d>ank2 seiner polnischen Bevölkerung. Durch tägliche Erfahrung sind wir belehrt, dass die Gleichgültigkeit der Geistlichkeit gegenüber der natürlichen Entwickelung des polnischen Volkes in Schlesien und gegenüber seiner Muttersprache nicht nur die Germanisierung erleichtert, sondern zugleich auch dem Liberalismus, der Protestantisierung und dem moralischen Verfall den Weg bahnt.
Darum bitten wir die Hochwürdigsten Geistlichen, die wir als unsere Seelsorger achten, und die unsere Beschützer im Kampfe um die Muttersprache sein müssten:
sie möchten ihr und unser Volkstum schützen und achten; die Kinder sollen den Religionsunterricht nur in der Muttersprache erhalten;
genau so wie die deutschen Priester in Polen ihren Landsleuten, so möchten auch unsere Seelsorger unserem polnischen Volke predigen: "dass ein wahrer Christ die Pflicht hat, seine Nation zu lieben, dass ein wahrer Christ niemals seine Nationalität verleugnet, weder aus Furcht, noch wegen dieser oder jener Vorteile, dass derjenige, der seine Nationalität verleugnet, der Verachtung würdig ist, und dass er du<r>ch3 seine Verleugnung das Christentum schändet und sich einer Sünde gegen das 4., 5. und 8. Gebot Gottes schuldig macht". (O. Kempf O. F. M. auf einer Zusammenkunft der deutsch-kath. Frauen der Wojewodschaft Schlesien in Könighütte [sic] am 10.X.1927.);
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sie möchten uns weder von der Kanzel bekämpfen, noch sonst 4 sonst gegen uns agitieren, da uns als treuen Söhnen unseres Volkes und loyalen Staatsbürgern nur darum zu tun ist, die uns durch unsere Ahnen überlieferten Bräuche und die Muttersprache zu erhalten;
sie möchten nicht teilnehmen an solchen Konferenzen und Parteiversammlungen, deren Spitze gegen das polnische Volkstum sich richtet und sich lieber aus dem politischen Leben zurückziehen, das sich mit der erforderlichen Unparteilichkeit des Priesters nicht verträgt; sie sollen, - soweit sie Zentrumsleute sind, - zu den echt katholischen Grundsätzen Windthorsts zurückkehren, oder soweit sie Abgeordnete sind, im Geiste Windthorsts um die sprachlichen und kulturellen Rechte des polnischen Volksteils kämpfen, mit dessen Stimmen sie gewählt wurden und welchem gegenüber sie gerechterweise ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen sollten;
sie möchten das polnische Volk in Schlesien auffordern, sich auf organisatorischem und kulturellem Gebiete in der Muttersprache und im nationallen5 Geiste zu betätigen, nicht aber die deutschen Organistionen [sic] im polnischen Volksteile propagieren;
sie möchten nicht wie bisher, die polnische kath. Jugend vernachlässigen zum Vorteile der deutschen, für die sie überall Organisionen [sic] einrichten und propagieren, während sie sich leider nicht verpflichtet fühlen, eine Organisation für die polnische Jugend zu schaffen, die sie dadurch zwingen, sich entweder einer deutschen Organisation anzuschliessen oder sich oft ihr fremden, nicht erwünschten Einflüssen zu unterwerfen; sie möchten besorgt sein um die Reinheit der po<l>nischen6 Sprache in Predigten und privaten Gesprächen, insbesondere mit den Schülern und Ministranten in ihrer Muttersprache sich unterhalten;
unsere Geistlichen, deren Muttersprache gerade die Sprache unseres polnischen Volkes ist, möchten die Ausbreitung dieser
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Sprache in Schule und öffentlichem Leben sich angelegen sein lassen.
Obige Bitten wagen wir offen auszusprechen in der Überzeugung, dass die Sorge um unsere Tradition, Mutterspache [sic] und Volksbräuche, die uns von den Ahnen überliefert sind, eine weitere Ausbreitung unserer hl. kath. Religion günstig beeinflussen wird. Wo hingegen unsere ehrwürdigen Seelsorger sich um die Entwickelung der natürlichen ideelen [sic] und kulturellen Grundlagen des Volkes nicht kümmern, vielmehr nur ungern sich dazu hergeben, oder sich<e>7 gar bekämpfen, dort ist der Fortschritt des Sozialismus, Kommunismus und des Unglaubens offensichtlich.
Wir zögern schließlich nicht auszusprechen:
Wenn das polnische Volkstum, die Muttersprache und die althergebrachten Bräuche in Schlesien untergehen sollten, dann wird das polnische Volk in Schlesien langsam in der roten Flut untergehen. So wie so reift nach dem Urteil erleuchteter Priester unser Volk dem Unglauben entgegen. Die Verantwortung dafür wird jedoch nicht auf uns fallen, die wir es als unsere hl. Pflicht ansehen, in letzter Stunde unsere Stimme zu erheben.
Diese Denkschrift war eine Anlage eines Schreibens (Dokument Nr. 8611) des Vorsitzenden des Teilverbandes I des Bundes der Polen in Deutschland, Stefan Sczepaniak.
1Masch. eingefügt.
2Hds. vermutlich vom Verfasser gestrichen und eingefügt.
3Hds. vermutlich vom Verfasser eingefügt.
4Hds. vermutlich vom Verfasser gestrichen.
5Masch. gestrichen.
6Hds. vermutlich vom Verfasser eingefügt.
7Hds. vermutlich vom Verfasser gestrichen und eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Bund der Polen in Deutschland, TeilverbandI, Resolutionan die massgebenden kirchlichen Stellen in Sachen des Konkordats, [Oppeln] vom vor dem 03. Mai 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20460, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20460. Letzter Zugriff am: 28.04.2024.
Online seit 20.01.2020.