Dokument-Nr. 20805
Fritz, Karl an Pacelli, Eugenio
Freiburg im Breisgau, 04. April 1929

Abschrift
Ew. Exzellenz!
Hochwürdigster Herr Nuntius!
Das Erzb. Ordinariat Freiburg hat keine Bestimmung getroffen, nach der alle Missionsgelder durch die Pfarrer der Erzb.Kurie zuzuleiten sind. Die diesbezügliche Angabe der Missionsvereinigung Zentrale in Pfaffendorf ist unzutreffend.
Wohl aber hält das Ordinariat darauf und prüft genau nach, daß in allen Pfarreien die vorgeschriebenen allgemeinen Kollekten gehalten werden und die angeordneten kirchlichen Vereine eingeführt sind, sowie daß ihre Erträgnisse und Spenden an die Erzb. Kollektur zur Weiterleitung fü ihre Zwecke ganz und pünktlich eingesandt werden. Im Jahr 1928 sind 811.402,26 RM eingegangen, wovon auf Missionszwecke 316.902,97 RM (Kindheit-Jesuverein 157.073,84 RM Franziskus-Xaveriusverein 83.211,84 RM, Missionskollekte 35.211,64 RM, Afrikanische Missionen 39.718,15 RM, Liebeswerk des hl. Benedikt 1.688,50 RM) entfallen.
Die Katholiken in Baden und Hohenzollern haben Kirchensteuer für allgemeine Zwecke der Erzdiözese (Besoldung der Geistlichen und Beamten, bauliche Unterhaltung der Erziehungsanstalten künftiger Priester) zu zahlen; außerdem wird in 255 Pfarreien Kirchensteuer für örtliche Zwecke (Kirchenbauten, Besoldung der Organisten und Mesner, Paramente u. dergl.) erhoben. Es betrug im Jahre 1927 die allgemeine Kirchensteuer in Baden und Hohenzollern 4.000.655 RM + 99.367 RM und die örtliche Kirchensteuer 2.963.608 RM[.] Weil das Kirchensteuerjahr 1928 die Zeit 1. April 1928/1929 umfaßt und von den Erhebern die Ablieferung nicht ganz gemacht sind, können die Steuer-
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summen für 1928 noch nicht angegeben werden; sie sind nicht niederer als die des Jahres 1927.
Sonach haben die Katholiken der Erzdiözese Freiburg in einem Jahr
an Kirchensteuern 4.000.655 RM
99.367 RM
2.963.608 RM
7.063.630 RM
und an abgelieferten Kollekten 811.402 RM
zusammen 7.875.032 RM
rund 7.900.000 RM (Goldmark) gespendet. Die Erzdiözese zählt nicht ganz 1.500.000 Katholiken; sonach entfällt auf jeden Katholiken eine Gabe von 5,30 RM.
Hierzu kommen die örtlichen Sammlungen in den Pfarreien ohne örtliche Kirchensteuer für die Kosten des Gottesdienstes und die Unterhaltung der kirchlichen Gebäude; in der überwiegenden Mehrzahl der Pfarreien mit örtlicher Kirchensteuer wird der Aufwand für den Gottesdienst auch durch Sammlungen bestritten, weil in ihnen die örtliche Kirchensteuer nur für Bauzwecke erhoben wird. Was an solchen Spenden die Katholiken leisten, kann ich nicht genau angeben; der Betrag von 2.000.000 RM dürfte zu nieder sein, zumal da nur in 255 Pfarreien von 865 Pfarreien Ortskirchensteuer erhoben wird, Das Vermögen der kirchlichen Stiftungen und Pfründen (Pfarreien und Kaplaneien) ist wie auch sonst in Deutschland durch die Inflation der Jahre 1920/1924 größtenteils verloren gegangen – in Baden allein 40.000.000 M. Immer wieder bitten die Pfarrer, es möchten keine neuen Sammlungen angeordnet oder erlaubt werden, weil sie die Kosten für den Gottesdienst fast nicht aufbringen können.
In Baden und Hohenzollern bestehen 17 Männerklöster, deren Insassen ebenfalls von Spenden der Katholiken der Erzdiözese leben.
Der Aufwand für das Priesterseminar, das Theologische Konvikt, die sechs Gymnasialkonvikte muß größtenteils durch Naturalsammlungen an Kartof-
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feln, Fleisch und Eier aufgebracht werden; diese Anstalten haben 970 Insassen.
Der Aufwand für die sechs weiblichen Kongregationen, die in der Kranken- und Kinderpflege tätig sind, lasse ich außer Rechnung.
Nun ist Baden Grenzland und hat im Elsaß und in der Schweiz die Absatzgebiete für Industrie und Handel verloren. In Baden, Württemberg und Hohenzollern wurden Ende Dezember 1928 rund 140.000 Arbeitslose unterstützt; hirvon entfallen auf Baden 91.000. Auch früher war die Arbeitslosigkeit in Baden sehr empfindlich. Der Unterzeichnete wird von Hilfesuchenden mehr als genügend angegangen, so daß er kaum mehr helfen kann.
Bei dieser Sachlage ist erklärlich, daß die kirchlichen Abgaben von der Bevölkerung sehr empfunden werden und in Versammlungen wiederholt geäußert wurde, der Herr Erzbischof möge von den Orden und Kongregationen, die große und schöne Gebäude herstellen und kaufen, die Mittel erheben und die Kirchensteuer senken.
Die sozialdemokratischen Zeitungen und die kommunistische "Arbeiterzeitung", welche in Mannheim erscheint, weisen immer wieder auf die Kirchensteuer und Sammlungen hin und fordern zum Austritt aus der Kirche auf. Aus der katholischen Kirche sind tatsächlich ausgetreten
im Jahre 1912 939 Personen
1920 1880 Personen
1921 1877 Personen
1923 984 Personen
1924 1045 Personen
1926 1814 Personen
1927 2039 Personen und
1928 1961 Personen.
Bei diesen Verhältnissen, die ich seit Jahren genau kenne, glaube ich meiner oberhirtlichen Pflicht schuldig zu sein, daß ich nicht alle kirchli-
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chen Sammlungen unbeschränkt zulasse; die Überschreitungen, welche bei solchen vorgekommen sind, will ich hier nicht erwähnen. Die Pfarrer verweisen vielfach die Sammler an das Ordinariat, welches dann nach Zweck und Bedürfnis eine Empfehlung für bestimmte Zeit und einen bestimmten Teil der Erzdiözese ausstellt, so daß innerhalb dieser Grenzen gesammelt werden kann und nicht immer dieselbe Gegend beansprucht wird. Auf diese Weise wird eine ungehörige Belästigung und der Mißmut gegen die Kirche möglichst vermieden.
Diese Ausführungen erlaube ich mir zu machen, weil nun wiederholt in Rom Beschwerde geführt worden ist; den Beschwerdeführern scheint Baden ein Paradies zu sein, während auch wir sehr zu kämpfen haben und in der geldlichen Beanspruchung der Katholiken vorsichtig sein müssen. Ich wäre sehr dankbar, wenn Ew. Exzellenz dem Hl. Stuhl von der wirklichen Sachlage Bericht erstatten würden.
Die "Missionsvereinigung der katholischen Frauen und Mädchen" Zentrale in Pfaffendorf hätte sich wohl an mich oder mein Ordinariat wenden können.
In ausgezeichneter Hochschätzung und Verehrung
Ew. Exzellenz
ergebenster
gez. + Carl
Empfohlene Zitierweise
Fritz, Karl an Pacelli, Eugenio vom 04. April 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20805, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20805. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 20.01.2020, letzte Änderung am 28.10.2019.