Dokument-Nr. 21398

Internationale Hygieneausstellung Dresden 1930. Dresden, vor dem 31. Dezember 1928

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Inhalt
Einführung 4
Grundplan 5
Das Deutsche Hygiene-Museum als wissenschaftlicher Träger der Ausstellung 6
Aufbau der Ausstellung 13
   I. Wissenschaftliche Abteilung 14
   II. Ausstellung der Körperschaften 19
   III. Internationale Abteilung 20
   IV. Industrie-Abteilung 21
Grundsätze für die Ausstellungsbestimmungen 25
Innere Organisation der Ausstellung 28
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Einführung
Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden wird im Jahre 1930 sein neues Heim beziehen. Die Bedeutung, die dieses Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege mit seiner planmäßig aufbauenden Arbeit gewonnen hat, ist heute bereits weitesten Kreisen bekannt. Zu fast allen Kulturstaaten der Erde haben sich von ihm aus rege Beziehungen entwickelt, hat doch gerade die Kulturarbeit des Deutschen Hygiene-Museums die durch den Krieg abgerissenen Fäden zum Ausland vielfach wieder mit anknüpfen helfen. So lag es nahe, daß die bevorstehende Eröffnung des seit den Tagen der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 erstrebten Museumsbaues im Deutschen Hygiene-Museum den Plan reifen ließ, wieder einmal wie im Jahre 1911 einen Querschnitt durch das hygienische Wissen und Können der Zeit in Form einer Ausstellung zu legen und damit zugleich den weiteren Rahmen aufzuzeigen, in den sich das Deutsche Hygiene-Museum mit seiner Arbeit gestellt sieht.
Dem Plan kommt zustatten, daß das ständige Ausstellungsgelände der Jahresschau Deutscher Arbeit mit seinen zweckmäßigen Einrichtungen ebenso wie ausgedehnte städtische Anlagen zur Pflege der Leibesübungen in unmittelbarer Nachbarschaft des Museumsgeländes liegen und leicht mit diesem zu einem organischen Ganzen zusammengefaßt werden können.
So steht zu hoffen, daß das unter so günstigen Vorzeichen begonnene Unternehmen in der Gestalt, wie es Verwirklichung findet, seine Berechtigung erweisen und die gewünschte Wirkung entfalten wird.
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Grundplan
Die räumliche Gliederung der Ausstellung ist zu einem großen Teil durch die Einbeziehung des Deutschen Hygiene-Museums gegeben. Nicht lückenlose Vollständigkeit, sondern das pädagogisch Wichtige und Wesentliche soll gezeigt werden. Zu diesem Zwecke sollen in den Werkstätten des Hygiene-Museums, die sich seit vielen Jahren diesen Sonderaufgaben widmen, die Ausstellungsgruppen einheitlich durchgearbeitet werden, um das durch die Mitarbeit berufener Fachleute gewährleistete wissenschaftliche Niveau auch in der Durcharbeitung und formalen Gestaltung des Stoffes zu erreichen. Wie im Jahre 1911 und wie bei den bisherigen Ausstellungen der Jahresschau Deutscher Arbeit soll es der Gegenstand der Ausstellung selbst sein, der in immer neuer Abwandlung die Besucher anzieht und fesselt.
Die Ausstellung wird durchgeführt von dem "Verein zur Veranstaltung der Jahresschau Deutscher Arbeit Dresden e. V." und dem "Deutschen Hygiene-Museum Dresden" und erfreut sich der Mitwirkung des Reiches, des Sächsischen Staates und der Stadt Dresden. Letztere hat u. a. das ihr gehörige Ausstellungsgelände am Großen Garten mit allen Hallen und Bauten zur Verfügung gestellt. Dieses einen Flächeninhalt von 124.000 qm umfassende Ausstellungsgelände, welches Gebäude mit steinernen Fundamenten von 6.700 qm, weitere zehn Hallen mit 123.000 qm Bodenfläche und elektrische Kraft für jeden Bedarf besitzt, wird um 235.000 qm mit 15.000 qm Hallenraum vergrößert werden. Das gesamte Gelände wird also 359.000 qm umfassen und ca. 35.000 qm überdachten Hallenraum enthalten. Die industrielle Ausstellung soll keineswegs Luxusgegenstände zeigen, sondern vor allem Dinge für den täglichen Gebrauch sowie auch für technische Zwecke, aber nur Höchstleistungen. Um diese Forderung zu erfüllen, werden nur Erzeuger aufgefordert oder zugelassen, die Werterzeugnisse herzustellen vermögen. In Zweifelsfällen entscheidet über die Zulassung von Ausstellern ein aus Fachleuten zusammengesetzter Prüfungsausschuß.
Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 soll Anfang Mai eröffnet werden und bis Anfang Oktober dauern.
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Das Deutsche Hygiene-Museum als wissenschaftlicher Träger der Ausstellung
Als die Vorarbeiten für die "Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" durch ihren Schöpfer, den Dresdner Großindustriellen Lingner, aufgenommen und die Mithilfe und Unterstützung öffentlicher Gewalten und der Fachwelt begehrt wurde, begründete Lingner seine Bitte damit, daß es sich bei der Ausstellung um ein Unternehmen mit höheren Zielen handele, als es sonst bei Ausstellungen üblich sei. Der ideale Zweck, die Bevölkerung hygienisch aufzuklären und ein lückenloses Bild dessen zu geben, was bisher auf hygienischem Gebiete geleistet worden ist, solle ausschließlich im Vordergrunde stehen, und nur aus äußerlichen Gründen werde für diese universelle Lehrveranstaltung die Form einer Ausstellung gewählt. Ihr Zweck sei nicht nur, in dem Besucher einen nachhaltigen Eindruck zu erzeugen und ihn zu besserer Gesundheitspflege anzuhalten, sondern sie solle auch den Ausgangspunkt bilden für eine Bewegung, überall Gelegenheiten zu dauernder hygienischer Belehrung zu schaffen. Dieses von Lingner gewünschte Ergebnis der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 ist auch erzielt worden.
In mehr als hundert Hallen war das gewaltige Lehrbuch der Hygiene aufgestellt. Mit der Organisation, der Anordnung des Materials, der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie hatte Lingner auch dem Ausstellungswesen neue Wege gewiesen und einen unerwartet großen Erfolg zu verzeichnen. Auch das Ausland beteiligte sich in einem bisher in Deutschland ungewohnten Umfange an der Ausstellung. Es waren dies die Stadt Amsterdam, die Länder Brasilien, China, England (private Organisation), Frankreich, Italien, Japan, Österreich, Rußland, Schweiz, Spanien, Ungarn.
Die "Internationale Baufach-Ausstellung Leipzig 1913" und die "Internationale Buchgewerbe-Ausstellung Leipzig 1914" sowie die "Ausstellung für Gesundheitspflege Stuttgart 1914" bauten sich in ihrer Organisation und in ihrer Durchführung auf die in der Hygiene-Ausstellung 1911 geschaffene Neugestaltung des Ausstellungswesens auf.
Die Entwicklung des Ausstellungswesens nach dem Kriege verließ zunächst diese Grundlage vollständig. Fast jede deutsche Stadt ging daran, sich eigene
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Ausstellungsparks zu schaffen, Ausstellungshallen zu bauen und zur Ausnutzung dieser Hallen Ausstellungen zu veranstalten, die aber kaum kulturelle Bedeutung hatten, sondern einen ausgesprochenen Messecharakter trugen. Dadurch wurde nur Unruhe in die deutschen Wirtschaftskreise gebracht, so daß die führenden wirtschaftlichen Verbände, unterstützt vom Deutschen Ausstellungs- und Messe-Amt, gegen dieses überhandnehmen von Ausstellungen Stellung nehmen mußten.
Dresden, die Stadt der "Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911", ist in der "Jahresschau Deutscher Arbeit" wieder dazu übergegangen, einen Ausstellungstyp zu schaffen, der den Qualitätsgedanken an die Spitze seiner Arbeit stellt. Alljährlich wird ein bestimmtes Gebiet des deutschen Gewerbes in Höchstleistungen an Arbeitsgüte, Form und Stoff in einer Ausstellung vorgeführt. Damit hat Dresden gezeigt, daß es auf dem Grundgedanken der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 weiterbaut und berufen ist, auch eine über den Rahmen einer Jahresschau hinausgehende Ausstellung von kulturellem Niveau zu schaffen, wie sie für die Gesundung des deutschen Ausstellungswesens nötig sind. Wenn aus diesen Erwägungen heraus der Entschluß gefaßt worden ist, im Jahre 1930 wiederum eine Internationale Hygiene-Ausstellung zu veranstalten, so war dafür auch die in der ganzen Welt anerkannte führende Stellung Dresdens in Fragen der hygienischen Volksbildung maßgebend.
Das aus der "Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" entstandene Deutsche Hygiene-Museum hat die damals begonnene Aufklärungsarbeit fortgesetzt und sich besonders durch seine Tätigkeit auf dem Gebiete der Wanderausstellungen im In- und Auslande Weltruf erworben. Es ist ja das große Verdienst der Ausstellung von 1911 und weiterhin des Deutschen Hygiene-Museums, der hygienischen Volksbelehrung die Bahn freigemacht und neue Wege gewiesen zu haben. Die Notwendigkeit hygienischer Volksbildung ist heute von allen Einsichtigen anerkannt. Gesundheit ist der höchste Besitz des Menschen und das größte Gut der Völker. Gesundheit bedeutet Lebensglück für den einzelnen, Kraft und Macht für das Volk. Aber so geläufig uns auch diese Sätze sind, so wenig handeln doch die meisten Menschen nach ihnen. Daraus ergibt sich zwingend die Notwendigkeit fortgesetzter hygienischer Volksbelehrung und Volkserziehung. Die Menschen müssen zur
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Beachtung der Gesundheitsregeln erzogen werden, vor allen Dingen müssen sie ihren Körper verstehen lernen, denn nur, wer das Kunstwerk des menschlichen Körpers begriffen hat, kann sich auch gesundheitsgemäß verhalten. Von diesem Gedanken ist Dr. Lingner, der Schöpfer der Internationalen Hygiene-Ausstellung und des Deutschen Hygiene-Museums, bei allen seinen Arbeiten ausgegangen. Da nur die wenigsten Menschen von sich aus die Neigung haben, sich die nötigen Kenntnisse durch eigenes Studium zu erwerben, mußte ein gangbarer Weg gefunden werden, die Unwissenheit zu bekämpfen, und dieser war die neue Art der Ausstellung.
Das zweite Verdienst der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 war, daß sie die als notwendig erkannte Aufklärung über den menschlichen Körper als großes lebendiges Bilderbuch brachte, als ein großartiges Lehrmittel für die Besucher im Sinne des Arbeitsunterrichtes, wie es jetzt in den deutschen Volksschulen vielfach eingeführt ist. Diese Ausstellung brachte bildliche und plastische Darstellungen, bewegliche Modelle, also alles Dinge, die den Betätigungsdrang der Besucher anregen sollten. Dadurch sollte erreicht werden, gleichsam spielend dem Beschauer das Wichtigste über den Menschen, seine Organe, das Verhältnis der Funktionen der Organe zueinander beizubringen. Der überwältigende Erfolg der Ausstellung 1911, und besonders der so starke Besuch der Abteilung "Der Mensch" hat bewiesen, daß diese Grundgedanken richtig sind. Das ist auch dem Deutschen Hygiene-Museum, das planmäßig in der gleichen Richtung weiterarbeitet, durch die außerordentlich günstigen Ergebnisse seiner Wanderausstellungen im In- und Auslande bestätigt worden.
So hat sich das Deutsche Hygiene-Museum im Laufe der Jahre zu einem Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege entwickelt, seine Bedeutung für die Hebung der Volksgesundheit ist allgemein bekannt. In Deutschland und zahlreichen europäischen Ländern (Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Holland, Luxemburg, Schweiz, Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Lettland) hat es ein fruchtbares Betätigungsfeld gefunden, und auch die Hygienesektion des Völkerbundes hat sich seiner Mithilfe bedient bei der Beschaffung von Unterrichtsmaterial zur ärztlichen Fortbildung in Moskau, Charkow und Warschau. Allein die Hygiene-Ausstellung Wien im Jahre 1925, die in neun
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Wochen einer Besucherzahl von über einer Million Menschen hygienische Kenntnisse vermitteln konnte, ist als ein bedeutender Erfolg zu werten.
Als neue Erfolge sind im Jahre 1928 hinzugekommen die Ausstellung "Frau und Kind" in Wien, die gemeinsam mit der österreichischen Gesellschaft für Volksgesundheit veranstaltet wurde, sowie die Ausstellung "Die Ernährung" in Berlin, die zusammen mit dem Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrsamt der Stadt Berlin durchgeführt wurde.
Mit Hilfe des Deutschen Reiches, des Sächsischen Staates und der Stadt Dresden wird nun dem Deutschen Hygiene-Museum in schönster zentraler Lage Dresdens, in unmittelbarer Nähe der großen Sportplatzanlage (Stadion), des Großen Gartens und des Dresdner Ausstellungsgeländes ein würdiges Heim errichtet. Der Grundstein ist am 8. Oktober 1927 gelegt worden, und genau ein Jahr später, also am 8. Oktober 1928, fand das Richtfest statt. Im Herbst 1929 wird der Neubau bezogen, und Anfang Mai 1930 wird das Deutsche Hygiene-Museum seine Pforten dem Publikum öffnen. Es wird zum ersten Male eine Anzahl neuer Gruppen des Museums gezeigt werden können, die auf Grund der neuesten wissenschaftlichen Forschung und der weiterentwickelten Ausstellungstechnik geschaffen worden sind.
So liegt es denn nahe, daß aus diesem Anlaß in Dresden, dem Sitze des Deutschen Hygiene-Museums und unter seiner Führung das Gebiet der Hygiene und der Leibesübungen wieder einmal zum Gegenstand einer umfassenden Ausstellung gemacht wird.
Die große "Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf 1926", an deren Ausgestaltung sich das Deutsche Hygiene-Museum durch Darstellung wichtiger Gruppen, besonders der Gruppe "Der Mensch", wesentlich beteiligte, war das Werk des bekannten Kinderarztes und Organisators Geheimen Medizinalrates Professor Dr. Schloßmann. In einer kaum wieder zu erreichenden Vollständigkeit war hier in besonderem Maße das Gebiet der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege zur Darstellung gebracht worden. Dresden dagegen will in seiner Ausstellung nicht gleichmäßig alle Gebiete der Gesundheitspflege, der sozialen Fürsorge und der Leibesübungen behandeln, sondern es sollen, dem Qualitätsgedanken der Dresdner Ausstellungen folgend, die eng umrissenen Gebiete der persönlichen Hygiene und der Leibes-
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übungen, die auf der Gesolei verhältnismäßig kurz behandelt worden waren, den Hauptteil der für 1930 in Dresden geplanten Ausstellung bilden.
Seit 1911 sind auf dem Gesamtgebiet der Hygiene und auch der Leibesübungen fast revolutionäre Umwälzungen erfolgt, so daß man 1911 nur als einen ersten Vorstoß bezeichnen kann. Manches, was schon 1911 gezeigt worden ist, wird heute ein ganz anderes Gepräge tragen, in wissenschaftlicher Hinsicht ebenso wie in der Darstellungsweise. Man denke nur an die Gebiete der Vererbung, der Eugenik (Rassenhygiene), der Ernährungswissenschaft, der hygienischen Volksbelehrung usw.
Bei dem außerordentlichen Interesse, das den Bestrebungen des Deutschen Hygiene-Museums vom Deutschen Reiche, den deutschen Ländern, den Provinzen, Städten, Landkreisen, Versicherungsträgern und allen Organisationen auf dem Gebiete der Gesundheitspflege und der Leibesübungen entgegengebracht wird, ist damit zu rechnen, daß die Beteiligung dieser Stellen an der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930 zum mindesten in gleichem Umfange erfolgt, wie es bereits 1911 in Dresden der Fall gewesen ist, oder wie diese Stellen 1926 in Düsseldorf sich beteiligt haben. Dresden, diese zentral gelegene Stadt Mitteldeutschlands, die einen stetig wachsenden Fremdenverkehr aufweist, und die auch als Kunststadt in aller Welt bekannt ist, wird von sich aus alles tun, den Besuchern der Ausstellung den Aufenthalt in Dresden so angenehm wie möglich zu machen.
Auch das Ausland zeigt für die in Dresden geplante Ausstellung 1930 lebhaftes Interesse und wird sich höchstwahrscheinlich in größerem Umfange beteiligen. Bereits jetzt haben einige Staaten fest zugesagt, sodaß der internationale Charakter der Ausstellung gesichert ist. - Schon die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 hat gezeigt, welch große Leistungen auf dem Gebiete der Gesundheitspflege das Ausland aufzuweisen hat und wie wichtig es ist, wenn In- und Ausland ihre Erfahrungen auf diesem internationalen Gebiete austauschen. Seit 1911 ist dies nicht mehr geschehen. Es liegt auch in den Satzungen des Völkerbundes begründet, daß durch die eigens für diesen Zweck gebildete Hygiene-Sektion, durch Studienreisen und andere Unternehmungen ein Austausch der Ärzte erfolgt. Es ist nur eine Erweiterung dieses Gedankens, wenn man wieder einmal den Staaten Europas
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und darüber hinaus der ganzen Welt Gelegenheit gibt, an dem Orte, von dem die ersten starken Anregungen auf dem Gebiete der hygienischen Belehrung des Volkes ausgegangen sind, die Erfahrungen auszutauschen.
Mit Rücksicht auf die allgemein herrschenden schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse bleibt es den internationalen Ausstellern überlassen, auf dem "Platz der Nationen" ihre Ausstellung in einem gemeinsamen "Haus der Nationen" unterzubringen oder eigene Pavillons zu errichten.
Zusammenfassung der Gesichtspunkte:
1. Durch die "Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911", die der Ausgangspunkt der gesundheitlichen Belehrung und Aufklärung weit über die Grenzen Deutschlands hinaus war, ist eine neue Tradition auf dem Gebiete des Ausstellungswesens begründet worden.
2. In dem aus der "Internationalen Hygiene-Ausstellung" hervorgegangenen Deutschen Hygiene-Museum, das sich durch stete Weiterentwicklung der in der Internationalen Hygiene-Ausstellung aufgestellten Ziele zu einem Zentralinstitut für Volksgesundheitspflege weit über die Reichsgrenzen hinaus entwickelt hat, und dessen Eröffnung Mitte Mai 1930 stattfindet, wird der Ausstellung ein Mittelpunkt geboten, wie er keiner anderen Stadt zu Gebote steht.
3. Die Entwicklung auf allen Gebieten der Gesundheitspflege und die Umwälzungen seit 1911, besonders durch die Kriegs- und Nachkriegszeit, die verstärkte Inanspruchnahme der Arbeitskraft der Menschen, die Erkenntnis, daß die dagegen notwendigen Maßnahmen der Gesundheitspflege vor allem vom Tun und Lassen der einzelnen Menschen abhängen, lassen es als unbedingt notwendig erscheinen, wieder einmal in einer großen Ausstellung zusammengefaßt der Bevölkerung Belehrung zu bieten.
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4. Wohl selten zuvor haben zwei so eng verbundene Gebiete, wie die Körperpflege und Leibesübungen in so kurzer Zeit einen derartigen Aufschwung genommen. Wenn man bedenkt, daß 1911 erstmalig das Gebiet des Sports, wie man es damals nannte, zusammenfassend vorgeführt worden ist, zum ersten Male ein Sportlaboratorium in Tätigkeit vorgeführt wurde und dies mit der Entwicklung im Jahre 1928 vergleicht, so wird man darin die Berechtigung sehen, dieses für die Volkskraft so wichtige Teilgebiet einmal wieder geschlossen vorzuführen.
5. Die Erfahrungen der Ausstellung 1911, an der das Ausland so starkes Interesse zeigte, haben mit zwingender Notwendigkeit bewiesen, daß man das internationale Gebiet der Gesundheitspflege durch Beteiligung fremder Staaten zum Nutzen aller fördern kann. Dresden, der Ausgangspunkt der hygienischen Volksbelehrung, ist hierfür die gegebene Stadt.
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Aufbau der Ausstellung
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I. Wissenschaftliche Abteilung
Die Ausstellung hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die unbedingt notwendige, rationelle Gesundheitspflege gerade für den Menschen der abendländischen Zivilisation eindringlich zu zeigen. Ausgehen wird sie dabei vom Menschen selbst und seinen naturgegebenen Lebensbedürfnissen, wird von hier aus weiterführen zur Schilderung der Umwelt des heutigen Menschen und wird schließlich die Maßnahmen darstellen, welche die Schäden dieser Umwelt ausgleichen können.
Das gesamte Gebiet der Gesundheitspflege ist in Gruppen aufgeteilt worden, von denen sich ein Teil im Deutschen Hygiene-Museum befindet, während ein anderer Teil in Verbindung mit Industrieabteilungen in den Ausstellungshallen untergebracht wird.

A. Wissenschaftl. Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum
Der Mensch
Diese Gruppe wird im Jahre 1930 in durchaus neuer Form erscheinen. Da das Museum alle seine Darstellungserfahrungen mit besonderer Liebe dieser Gruppe zuwendet, so wird das, was hier 1930 an Bildern, plastischen Nachbildungen, beweglichen Modellen und Apparaten zur Selbstbetätigung erscheinen wird, ein ganz neues und vom altgewohnten verschiedenes Bild ergeben. Neben dem "Durchsichtigen Menschen", der in den letzten Jahren vielgenannten Sonderschau, wird noch eine Darstellung erscheinen, die endlich den alten Gedanken Lingners verwirklicht, in besonderer Weise den Menschen als technisches und künstlerisches Meisterwerk zu zeigen. Die letzten Monate brachten die Erfüllung dieser Idee.
Vererbung und Eugenik
(Rassenhygiene)
Das sind Zweige der Wissenschaft, die zwar 1911 schon in ihren ersten Anfängen gezeigt wurden, in der Zwischenzeit aber erst ihren eigentlichen Ausbau erfahren haben. Hier werden gezeigt die gesicherten Forschungsergebnisse über die Vererbungsgesetze, über das Zusammenwirken von Erbanlage und Umwelt, über die erblichen Anlagen und
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Leiden, die Keimschädigung, ferner die privaten und öffentlichen Maßnahmen der Eugenik (Rassenhygiene).
Die Frau als Gattin und Mutter
Die Frau als Hauptträgerin der menschlichen Fortpflanzung findet eine besondere Darstellung. Ihre Besonderheit dem Manne gegenüber, die besondere Belastung der Frau durch Fortpflanzungstätigkeit, die biologische Einheit von Mutter und Säugling werden den Beschauern vor Augen geführt. (Die Stellung der Frau im tätigen Leben wird an anderer Stelle der Ausstellung behandelt, und zwar im Zusammenhang mit der allgemeinen Körperpflege.)
Ernährungslehre
Ausgehend von den Verdauungsorganen kommen wir zum Stoffwechsel, erhalten einen Überblick über die Grundlagen des Stoff- und Kraftwechsels in der Natur und im Körper, dann anschließend über den Bedarf an Nahrung im Ganzen und an einzelnen Nährstoffen. Aber auch die Bedeutung der einzelnen Nahrungsmittel und Nahrungsstoffe, ihre Bewertung, ihr Preis und ihre Zubereitung werden im einzelnen gezeigt. Besonderem Interesse dürfte die Darstellung der Vitamine und der verschiedenen Nährschäden begegnen.
Gesundheit und Krankheit
Hier kann eine Gegenüberstellung der Geschichte mit der Neuzeit die besondere Lage des heutigen Menschen klären, denn uns bedrohen heute andere Krankheiten als die Menschen vor einigen Jahrhunderten. Die Abteilung würde dann zu zeigen haben, was der einzelne tun kann, um sich vor Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten, Grippe, ansteckenden Kinderkrankheiten, Pocken, Typhus, Tollwut usw. zu schützen. Hierher gehören die Fragen der Konstitution und Ansteckung, des Einflusses der Lebensweise, des Alters usw., der besonderen Schutzbedürftigkeit und Schutzmöglichkeit in bestimmtem Alter und verschiedenen Lebenslagen.
Hygienische Volksbelehrung
Die in der Ausstellung gezeigten Forderungen zur Gesundheitspflege können nur Wirklichkeit werden durch die hygienische Volksbelehrungs- und Volksbildungsarbeit. Hier muß deshalb in der Ausstellung 1930 eine eigene Sondergruppe gebildet werden, in der nun alle Mittel und Wege dieser Art vom Bild und Plakat über das gesprochene und geschriebene Wort bis zum Theater, Film und Rundfunk geschlossen vorgeführt werden. Bei dieser Gruppe ist besonders an die Mitarbeit des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung gedacht.
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Gesundheitspflege in Geschichte und Völkerkunde
Schon im Jahre 1911 hatte die Geschichtlich-Völkerkundliche Abteilung lebhaften Anklang gefunden. Diesmal wird besonderer Wert darauf gelegt werden, die großen Entwicklungslinien der Gesundheitspflege anschaulich herauszuarbeiten, die von der fernsten Vergangenheit durch die einzelnen Kulturkreise hindurch zur Gegenwart führen und ohne die Inhalt und Ziel der modernen Hygiene gar nicht voll erfaßt werden kann. Ebenso finden die großen bodenständigen außereuropäischen Kulturen den gebührenden Platz. In den einzelnen Untergruppen der Ausstellung werden daneben die einschlägigen Sonderfragen behandelt.

B. Wissenschaftliche Ausstellung in den Ausstellungshallen
Die nachstehenden Gruppen bilden jeweils den Mittelpunkt für die betreffende Industrie­Abteilung.
Allgemeine Körperpflege
Hier wird ein geschichtlicher und völkerkundlicher Überblick besonders fesseln. Die Besucher werden aber auch sicher von den Darstellungen über allgemeine Körperpflege, Schlaf und Arbeit, Anstrengungen und Erholung, Freizeit, allgemeine Schönheitspflege, Verjüngung, Haut-, Nagel- und Haarpflege, Badewesen, Zahnpflege usw. stark angezogen werden.
Im Zusammenhang mit dieser Gruppe werden die besondere Belastung der Frau durch Haushalt und Berufstätigkeit und die besonderen Maßnahmen, die zum Ausgleich nötig sind, vor Augen geführt.
In räumlichem Zusammenhang hiermit wird in einer besonderen Gruppe
das Kind
die Entwicklung vom Säugling zum Kleinkinde und Schulkinde, die Frage der richtigen Ernährung des Kindes, die Erziehung im Schulalter, die Krise im Pubertätsalter, das
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körperliche und seelische Wesen des Jugendlichen sowie die besondere Gesundheitspflege in diesen Jahren zur Darstellung gelangen.
Leibesübungen
Sport, Turnen, Gymnastik oder - pädagogisch gesehen - die körperliche Erziehung und die Körperübungen sind das wichtigste, aktive Glied in der Gesundheits- und Lebenspflege. Die Ausstellung soll erstmalig eine umfassende Darstellung dieses Gebietes bringen, und zwar nicht nur als geschichtlichen Überblick, auch nicht nur die Darstellung dessen, was in dieser Angelegenheit geschieht, in Vereinen, Schulen und dergleichen, sondern wie die körperlichen Übungen betrieben werden sollen und warum sie in dieser geforderten Weise notwendig sind.
Es werden also die Anatomie, Physiologie, Hygiene und Methodik der körperlichen Übungen eingehend geschildert werden. Das Deutsche Hygiene-Museum hat jetzt schon ganz neue Darstellungsmethoden zu diesem Zweck ausgearbeitet und fertiggestellt.
Im Rahmen dieser Gruppe wird im weitesten Maße künstlerisches Material, welches Leibesübungen darstellt, zur Ausstellung gelangen und zur Verschönerung der Gruppe dienen. Auch wird dafür Sorge getragen, daß verschiedene Kunstgegenstände gezeigt werden, die sich gelegentlich sportlicher Veranstaltungen und dergleichen als Preise und Auszeichnungen eignen.
Arbeits- und Gewerbehygiene
Der Ausgleich der Zivilisationsschäden kann aber nicht nur außerhalb des Berufs stattfinden, er muß in den Beruf selbst eintreten, mit anderen Worten: Arbeits- und Gewerbehygiene sind ein wichtiges Glied des Gesundheitsschutzes. Die Ausstellung wird zeigen, wie wechselweise Beruf und Mensch aufeinander einwirken, in welchem Verhältnis Mensch und Arbeit zueinander stehen. Berufseignung, Arbeitsphysiologie auf der einen, Berufsschädigungen und ihre Verhütung auf der anderen Seite und die Folgerungen aus beiden, Arbeitstechnik, Ausgleichsmöglichkeiten (Leibesübungen, Freizeit), Berufsberatung, Berufswahl sollen hier den Menschen vorgeführt werden und ihnen wertvolles Wissen für das praktische Leben mitgeben.
Seelenleben und seelische Hygiene
Schon bei der Ausstellung von 1911 war vielfach der Wunsch zutage getreten, neben den körperlichen nun auch den seelischen Menschen gestellt zu sehen, denn weder das Leben selbst noch seine Pflege ist ohne diese seine Innenseite zu begreifen. Es wird darum
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hier zum ersten Male der Versuch gemacht werden, die Zusammenhänge zwischen dem leiblichen und seelischen Geschehen, die psychologischen Grundtatsachen und Bedürfnisse des Menschen und sein Verhältnis zur Umwelt zu zeigen. Weiterhin sollen die mannigfachen Störungen des Seelenlebens bis zu den Geisteskrankheiten dargestellt werden. Auch die Aufgaben der Geisteskrankenfürsorge und die Frage der Genußgifte werden gebührende Berücksichtigung finden.
Leitender Gedanke soll dabei stets sein Schutz des einzelnen und der Gesamtheit vor Schädigungen, vor allem aber die positive psychische Hygiene, d. h. Hebung des seelischen Wohlbefindens und der Widerstandskraft gegenüber den Anforderungen des praktischen Lebens.
Lebensmittel (Nahrungsmittel)
Die Gewinnung und Herstellung der Lebensmittel (Nahrungs- und Genußmittel) ist einer der wichtigsten Zweige der Industrie geworden. Ebenso hat ihre Haltbarmachung große Bedeutung erlangt. Eine besondere Wissenschaft ist durch das Studium der Zubereitung der Speisen entstanden und auch die Analyse und Prüfung der Lebensmittel hat sich immer mehr vertieft und verfeinert. Über alle diese wichtigen Teile der Ernährungswissenschaften soll hier berichtet werden.
Kleidung
Mode und Gesundheit! Welch anziehendes Thema, wie oft schon literarisch behandelt, noch nie anschaulich! - Der Besucher soll erfahren, warum wir uns kleiden müssen, welche Schäden und Nachteile die Kleidung haben kann, welche Anforderungen an eine hygienisch richtige Kleidung zu stellen sind, und er soll dann auch gleich praktische Vorschläge hierzu sehen.
Wohnung
Die erweiterte Kleidung ist die Wohnung. Daß die Wohnungsfrage Schlüsselfrage für die Gesundheitsfrage ist, haben wir alle am eigenen Leibe verspürt. Die Ausstellung wird deshalb den Stand dieses Problems kurz aber treffend schildern, sie wird zeigen, warum wir in unserem Klima eine Wohnung brauchen. Sie wird einen kurzen Überblick darüber geben, wie das Wohnungsbedürfnis zu anderen Zeiten und bei anderen Völkern befriedigt wurde und im Gegensatz dazu darstellen, wie der Durchschnitt des Europäers heute wohnt. Demgegenüber wird sie die Forderung der Hygiene an eine gesunde Wohnung und Wohnform aufstellen und auch hier von sich aus Muster richtiger Wohnungsanlagen, Wohnungsbauten und Einrichtungen bringen und Vorschläge zur Wohnungspflege machen.
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Schädlingsbekämpfung und Desinfektion
Diese Abteilung ist eine Ergänzung der Museumsgruppe "Gesundheit und Krankheit" und wird zeigen, in welcher Weise uns von verschiedenen Schädlingen, sei es durch diese selbst, sei es durch deren Vermittlung als Träger von Krankheiten, Gefahren drohen, und wie man diese Gefahren zweckmäßig meidet und bekämpft.
Sonderschau "Das Krankenhaus"
Den Mittelpunkt dieser Sonderschau wird eine wissenschaftliche Gruppe bilden, welche einerseits das Geschichtlich-Völkerkundliche auf dem Gebiete des Krankenhauswesens berücksichtigt, andererseits Bau und Einrichtung, ärztliche und pflegerische Versorgung, Verwaltungs- und technischen Betrieb des Krankenhauses darstellt.
Die Sonderabteilung Krankenhaus veranschaulicht zum ersten Male auf einer internationalen Ausstellung ein Gebiet, das in den letzten Jahrzehnten eine außerordentliche Entwicklung genommen hat und dessen Probleme zu einem gewissen Abschluß gelangt sind, sodaß eine zusammenfassende Darstellung geboten sein dürfte. Es soll dies in möglichst anschaulicher Form, sei es durch direkten Betrieb, sei es durch Lichtbilder, Filme usw., sowie in engster Verbindung mit der angegliederten industriellen Ausstellung geschehen.

II. Ausstellung der Körperschaften
A. Reich, Länder, Provinzen, Städte und Landkreise
B. Versicherungsträger
C. Vereine und Verbände
Mit der zunehmenden Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland konnte die Gesundheitspflege durch die verschiedenen Körperschaften, namentlich auch unter Zuhilfenahme der während der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit gemachten Erfahrungen, einen erneuten Aufschwung nehmen. Gerade die letzten Jahre haben in der öffentlichen Gesundheitspflege gewaltige Fortschritte gebracht, sodaß es an der Zeit sein dürfte, anläßlich der Internationalen Hygiene-Ausstellung Dresden 1930 die erreichten Verbesserungen und angestrebten Ziele der öffentlichen und freien Körperschaften einheitlich und geschlossen zu veranschaulichen.
Die Hüter der Volksgesundheit werden hier zeigen können, in welcher Weise sie für die Gesundheit des einzelnen wie der Gesamtheit durch Förderung der Leibesübungen, durch Freiflächen-Politik, zweckmäßige Erziehung in Schulen und Volkshochschulen beitragen, inwieweit die Bauten von Schulen in gesundheitsfördernder Hinsicht um- und
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neugestaltet worden sind, und wie man durch Wasserversorgung und Verkehrshygiene, Erholungsfürsorge usw. den Gesundheitszustand der Bevölkerung erhalten und heben kann. Die sozialhygienischen Organisationen werden Inhalt, Umfang, Entwicklung und Stand ihrer Arbeit darlegen können.
Wie in den anderen Ausstellungsgruppen, so wird auch hier das Ziel der Ausstellung die hygienische Volksbelehrung sein. Der Ausstellungsbesucher wird hier manche Maßnahmen kennen lernen, über deren Ausgangspunkt und praktischen Wert er sich manchmal im Unklaren befand. Keineswegs werden ausschließlich statistische Angaben die Hauptmenge des Ausstellungsmaterials bilden; vielmehr wird auch in dieser Abteilung größter Wert darauf gelegt werden, greifbare und wesentliche Dinge zur Darstellung zu bringen, und zwar in möglichst anziehender und unmerkbar belehrender Form, sodaß der Ausstellungsbesucher wirklich einen Einblick in den hohen kulturellen und praktischen Wert der öffentlichen Gesundheitspflege gewinnt und den persönlichen Nutzen für sich selbst erkennt.

III. Internationale Abteilung
Die Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1911 hat erstmalig gezeigt, wie ungemein wertvoll eine Gegenüberstellung der gesundheitfördernden Maßnahmen der verschiedenen Nationen ist, und wie sich daraus ein praktischer Nutzen für die gesamte Menschheit ergibt. So wie die geographische Lage eines Landes beispielsweise durch die klimatischen Verhältnisse sich in Ernährung, Kleidung und Wohnung des betreffenden Volkes auswirken, so werden sich auch auf allen anderen Gebieten der Gesundheitspflege Verschiedenheiten ergeben. Und dennoch bleibt bei allen Völkern das Endziel das gleiche: die Erhaltung und Schaffung des gesunden Menschen.
Schon die Ausstellung 1911 hat wertvolle Anregungen zur Verbesserung der Gesundheitspflege gegeben. Nach Beendigung des Weltkrieges, der überall mehr oder minder seine Schädigungen auf die Volksgesundheit ausgeübt hat, sind allenthalben die Bestrebungen auf dem Gebiete der Hygiene vergrößert worden, und einer der bedeutenden Fortschritte dieser Zeit ist die Bildung der Hygiene-Sektion des Völkerbundes gewesen, deren Arbeit der ganzen Welt zugute kommt. Es steht zu hoffen, daß, wie im Jahre 1911, so auch im Jahre 1930, die verschiedenen Nationen sich weitestgehend an der Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden beteiligen werden, sodaß auch dann für alle Kulturstaaten sich neue Richtlinien zur Erhaltung und Besserung der Volksgesundheit ergeben.
Die internationale Beteiligung an der Sonderschau "Das Krankenhaus" wird durch die erfolgte Bildung von Landesausschüssen in allen Staaten für die mit dem Internationalen Krankenhauskongreß im Juni 1929 in Atlantic City verbundene wissenschaftliche Ausstellung wesentlich erleichtert werden.
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Die Industrie[-]Abteilung
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Gliederung
der Industrie-Abteilung

Die Internationale Hygiene-Ausstellung 1930 soll nicht nur in ihrem wissenschaftlichen Teil in ganz neuer Weise einheitlich und geschlossen sein, sondern auch im industriellen. So wie in der wissenschaftlichen Ausstellung in der Beschränkung auf die persönliche Gesundheitspflege und die Leibesübungen und in der eingehenden volkstümlichen Darstellung dieser Gebiete die Hauptanziehung bestehen wird, so soll auch für die Industrie in dieser Geschlossenheit und in diesem Sichbeschränken eine ganz neue und wichtige Möglichkeit der Werbung geschaffen werden. Die wissenschaftliche und die Industrie-Abteilung sollen räumlich nicht getrennt, sondern die Industrie jeweils den betreffenden wissenschaftlichen Gruppen angegliedert werden. In der Mitte jeder Halle soll die volkstümliche Ausstellung, die das Deutsche Hygiene-Museum schafft, aufgestellt werden, und daran sollen sich höchstens einige Gruppen anderer wissenschaftlicher Aussteller anschließen, dann aber der übrige Raum für die Industrieschau vorbehalten sein. Durch diese Anordnung wird auch die Industrieschau klar und übersichtlich nach Sachgebieten gegliedert und jeder messeartige Charakter vermieden. Es wird außerdem eine günstige Verbindung zwischen dem wissenschaftlich Dargestellten und Geforderten und dem, was die Industrie zur praktischen Durchführung dieser Forderung anzubieten hat, geschaffen. Der Besucher wird also gleichsam geistig vorbereitet die Industrieschau betreten. Die industrielle Darstellung fällt auf einen schon vorgeackerten Boden, und der Besucher hat es nicht nötig, sich dauernd geistig umzustellen, wodurch eine viel größere Tiefenwirkung der Industrieschau erreicht wird. Ein letzter Vorteil dieser Anordnung ist der, daß der industrielle Aussteller wirklich sicher ist, daß seine Gegenstände auch vom Publikum angesehen werden, weil ja die Besucher durch die zentrale, volkstümliche Gruppe unbedingt in jede Halle gezogen werden.
Im Ausmaß soll die Industrie begrenzt erscheinen, denn es soll dem Qualitätsgedanken dieser wie aller Dresdner Ausstellungen folgend nur das Allerbeste und wirklich Erprobte gezeigt werden. Vor allen Dingen soll nur das ausgestellt werden, was wirklich im Zusammenhang mit dem Ausstellungsthema steht. Das ist für die ausstellenden Firmen wiederum ein nicht zu unterschätzender Vorteil, weil sie nicht in einem Wust von Ausstellungsgegenständen untergehen, sondern bei dieser strengen Auswahl in ihrem Fachgebiet stark zur Geltung kommen.
Die nachfolgende Gliederung des industriellen Teiles, der sich, wie schon gesagt, eng an die Gruppierung der wissenschaftlichen Abteilung anschließt (siehe Seite 16 ff.), ist eine Richtlinie für die in Frage kommenden Industriezweige, ohne ganz erschöpfend sein zu wollen und ohne auch die Größe der einzelnen Industriegruppen hiermit schon abzugrenzen.
Die Anmeldungen werden einerseits in der Reihenfolge ihrer Daten, andererseits nach den Entscheidungen des Prüfungsausschusses berücksichtigt. Im übrigen wird auf die Grundsätze der Ausstellungsbestimmungen (siehe Seite 25) verwiesen.
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Allgemeine Körperpflege
Kosmetik im weitesten Sinne
(Haut-, Nagel-, Haar-, Zahnpflege usw.)
Frauenpflege
Gegenstände zur Säuglings-, Kleinkinder- und Schulkinderpflege.

Leibesübungen
Turn- und Sportgeräte aller Art, vom Ball bis zum Paddelboot, den Schneeschuhen usw.
Sporthallen und Übungsplätze
Sportkleidung.

Arbeits- und Gewerbe-Hygiene
Unfallverhütungs-Geräte
Staubverhütungs-Einrichtungen
Schutzeinrichtungen zur Verhütung von Gewerbekrankheiten
Liegehallen, Dachgärten usw.
Wochenendhäuser
Erholungsheime und dergleichen.

Lebensmittel
Milch
Eier
Fleisch
Fische
Brot und andere Mehlprodukte
Gemüse
Früchte
Zucker
Genußmittel.
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Kleidung
Unterkleidung und Leibwäsche
Oberkleidung für Kinder, Frauen, Männer
Berufskleidung
(Sportkleidung siehe Gruppe: Leibesübungen)
Fußbekleidung.

Wohnung
Wohnungseinrichtungen einschließlich
Küchen
Heizungs- und Lüftungsanlagen
Beleuchtung
Wasseranschlüsse
Wäschereigeräte
Geräte zur Abwasser- und Abfallstoff-Beseitigung.

Schädlingsbekämpfung und Desinfektion
Desinfektionsmittel aller Art.

Hygienische Volksbelehrung
Lehrmittel
Projektions- oder Kino-
Apparate usw.

Sonderschau "Das Krankenhaus"
Krankenhaus-Einrichtungsgegenstände aller Art.
66r
Grundsätze
für die Ausstellungs-Bestimmungen


Dauer
Die Hygiene-Ausstellung 1930 soll Anfang Mai eröffnet und Anfang Oktober geschlossen werden.
Sollte es nötig sein, den festgesetzten Anfangs- oder Endtermin aus irgendeinem Grunde zu verschieben, so steht dem Aussteller ein Anspruch auf Entschädigung nicht zu. Sollte die Ausstellung aus irgendwelchen, erheblichen Gründen nicht oder erst später stattfinden oder vorzeitig geschlossen werden, so stehen dem Aussteller außer Zurückgabe seiner Ausstellungsgegenstände keinerlei Ansprüche zu, jedoch ist dem Aussteller, falls die Ausstellung überhaupt nicht stattfinden kann, die etwa schon gezahlte Platzmiete abzüglich eines Verwaltungskostenabzuges nach Möglichkeit zurückzuerstatten.
Anmeldung, Zulassung und Platzmiete
Für die geschäftlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen der Ausstellung und den Ausstellern sind allein die Ausstellungsbestimmungen maßgebend.
Über die Annahme der Anmeldungen und die Zulassung der Ausstellungsgegenstände entscheidet die Ausstellungsleitung durch einen besonders eingesetzten Prüfungsausschuß. Es wird vorausgesetzt, daß die auszustellenden Gegenstände vom Aussteller selbst oder in seinem Auftrage hergestellt worden sind.
Eine einmal erfolgte Anmeldung kann nicht zurückgenommen werden.
Die Platzmiete beträgt:
in geschlossenen Hallen Mk. 80 bis 150 pro qm,
in offenen Hallen Mk. 50 bis 100 pro qm,
im Freien Mk. 30 bis 100 pro qm,
Wandfläche: jeder laufende Meter Mk. 80 bis 150 bis 3 m Höhe.
Falls bevorzugte oder freiliegende Plätze beansprucht werden, wird jeder angefangene Geviertmeter Bodenfläche, jeder laufende Meter Tisch- oder Wandfläche voll berechnet.
Die Mindestplatzmiete beträgt Mk. 200.
Die Plätze, welche Formen sie auch haben, werden mit rechtwinkliger Ergänzung und immer nach ihrer größten Ausdehnung berechnet.
Die Leihgebühr für Glasschränke oder Vitrinen, die in größerer Anzahl und in verschiedenen Ausmessungen zur Verfügung stehen, wird je nach Größe berechnet. Beschädigungen fallen dem Aussteller zur Last.
Für Sammelausstellungen bleiben besondere Vereinbarungen vorbehalten.
66v
Platzzuweisung
Die Zuweisung der Plätze ist ausschließlich Sache der Ausstellungsleitung. Die Wünsche der Aussteller werden bei der Auswahl der Plätze tunlichst berücksichtigt.
Der Aussteller ist ohne schriftliche Genehmigung der Ausstellungsleitung nicht berechtigt, seinen Platz oder einen Teil davon an andere abzugeben oder Weitervermietungen vorzunehmen.
Aufstellung der Ausstellungsgegenstände
Die Aufstellung der Ausstellungsgegenstände wie auch die Ausstattung seines Platzes hat der Aussteller auf eigene Kosten nach den Richtlinien der Ausstellungsleitung selbst zu besorgen, wobei er sich dem Gesamtplan der künstlerischen Leitung einzuordnen hat.
Betriebsvorführung
Die Lieferung von Gas, Wasser und Elektrizität erfolgt zu den gewöhnlichen städtischen Sätzen zuzüglich 10% für Verwaltungskosten. Derselbe Zuschlag wird erhoben, wenn von der Ausstellungsleitung für Rechnung der Aussteller irgendwelche Arbeiten und Lieferungen vorgenommen werden.
Versicherung, Haftung u. Bewachung
Auf Verlangen des Ausstellers übernimmt die Ausstellungsleitung für seine Rechnung die Versicherung der Ausstellungsgegenstände auf die Zeit von der Einlieferung an bis spätestens vier Wochen nach Schluß der Ausstellung gemäß den noch zu erlassenden Bedingungen. Die Versicherung ist nur dann rechtskräftig, wenn sie auf dem dafür auszugebenden besonderen Vordruck beantragt wird. Die allgemeine Angabe, daß eine Versicherung beabsichtigt ist oder gewünscht wird, verpflichtet die Ausstellung nicht.
Eine Haftpflichtversicherung ist seitens der Ausstellung nicht beabsichtigt.
Die allgemeine Bewachung der Hallen geschieht durch das Aufsichtspersonal der Ausstellung. Es wird jedoch von ihr kein Ersatz geleistet für Schäden irgendwelcher Art, die den Ausstellern durch höhere Gewalt (z.B. Feuer, Blitzschlag, Wasserschäden, Explosion), ferner durch Diebstahl, Aufruhr, Baufehler, Bruch, Durchregnen oder aus irgendeiner ähnlichen Ursache entstehen können. Zur Beaufsichtigung des eigenen Standes oder zur geschäftlichen Vertretung kann vom Aussteller Personal bestellt werden.
67r
Reinigung
Die Reinigung der Gänge und freien Plätze in den Hallen wird von der Ausstellung veranlaßt. Für die ordnungsmäßige Instandhaltung des eigenen Ausstellungsstandes ist der Aussteller verantwortlich.
Verkauf der Ausstellungsgegenstände
Die Wahrung geschäftlicher Interessen des Ausstellers kann erfolgen durch eigene Vertretung oder durch das Verkaufsbüro der Ausstellung. Bestellungen und Aufträge können angenommen werden, sogenannter Handverkauf jedoch ist nicht zulässig.
Auszeichnungen
Nähere Bestimmungen über eine etwaige Prämiierung bleiben vorbehalten.
Rücklieferung der Ausstellungsgegenstände
Der Aussteller darf keinesfalls vor Schluß der Ausstellung Ausstellungsgegenstände ohne Genehmigung der Ausstellungsleitung entfernen.
Die Abräumung erfolgt innerhalb 14 Tagen nach Schluß der Ausstellung.
Schlussbestimmungen, Gerichtsstand
Die durch vertragliche Abmachungen entstehenden Stempel- und sonstigen Gebühren hat der Aussteller zu tragen.
Durch Einsendung des mit seiner Unterschrift versehenen Anmeldebogens unterwirft sich jeder Aussteller den vorstehenden und allen weiteren, im Interesse der Aussteller und der Ausstellungsleitung noch zu erlassenden Bestimmungen, ferner auch allen ortspolizeilichen, gewerbebehördlichen und anderen gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften.
Nebenabmachungen irgendwelcher Art sind nur dann rechtsverbindlich, wenn sie schriftlich festgelegt sind.
Das Recht der Änderung oder Ergänzung der Ausstellungsbestimmungen steht der Ausstellung jederzeit zu.
In allen Ausstellungsräumen hat die Ausstellungsleitung das Hausrecht.
In Rechtsstreitigkeiten irgendwelcher Art unterwirft sich der Aussteller für sich und seine Angestellten und Beauftragten ausdrücklich der Zuständigkeit der Dresdner Gerichte.
67v
Die innere Organisation der Ausstellung

Wirtschaftlicher Träger
Jahresschau Deutscher Arbeit

Das Präsidium
Stadtrat Dr. jur. Krüger, Bankdirektor, Präsident
Hofrat Holst, Stadtverordneten-Vizevorsteher, 1. Vizepräsident
Regierungsrat Dr. med. h. c. Seiring, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, 2. Vizepräsident
Dr. jur. Graupner, Direktor der Stadtbank und der Sparkasse der Stadt Dresden, Schatzmeister
Stadtrat Barthel, Schriftleiter
Dr. Blanck, Vorsitzender des Landesverbandes der Sächsischen Presse
Professor Karl Groß, Direktor der Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe, Dresden
Dr. März, Syndikus des Verbandes Sächsischer Industrieller
Hofrat Professor Oskar Seyffert, Vorsitzender des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz
Stadtbaurat Dr. ing. e. h. Wahl, Vorstand des Städt. Betriebsamtes
Stadtbaurat Dr. ing. e. h. Wolf, Vorstand des Städt. Hochbauamtes
Fritz Brehmer, Handelskommissar, Hamburg, Korresp. Mitglied, Präsident der ersten Jahresschau

Vorstand der Geschäftsleitung
Carl Walter Strasshausen, Geschäftsführender Direktor

Kaufmännische Leitung
Friedrich Leege, Kaufmännischer Direktor, Stellvertreter des Vorstandes

Geschäftsstelle:
Dresden-A. 1, Lennéstraße 3
Fernruf: 36186, 34524, 34225, 32330
Drahtanschrift: Jahresschau
68r
Wissenschaftlicher Träger
Deutsches Hygiene-Museum, Dresden, vertreten durch einen besonders für diesen Zweck gewählten
wissenschaftlichen Arbeitsausschuss
Vorsitzender: Professor Dr. med. Süpfle, o. Professor der Hygiene an der Technischen Hochschule zu Dresden, Direktor des Hygienischen Instituts, ebenda
Regierungsrat Dr. med. h. c. Seiring, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden, Vorsitzender der Lingner-Stiftung
Geh. Medizinalrat Professor Dr. med. Thiele, Landesgewerbearzt, Ministerialrat im Sächsischen Arbeits- und Wohlfahrtsministerium
Dr. med. Vogel, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Hygiene-Museums, Dresden
Geh. Regierungsrat Dr. med. Weber, Präsident des Landesgesundheitsamtes
Wissenschaftlicher Sekretär: Dr. med. W. Winter

Büro der wissenschaftlichen Ausstellungsleitung:
Dresden-A. 1, Lennéstraße 3
Fernruf: 36186, 34524, 34225, 32330
Drahtanschrift: Jahresschau
68v
C. C. Meinhold & Söhne, G. m. b. H., Dresden-A. 1
69r
[Lageplan des Ausstellungsgeländes zwischen der Bürgerwiese, der Zinzendorf-Straße und der Stübel-Allee]
[Legende]
1 Sport-Halle
2 Leibesübungen
3 Arbeits- u. Gewerbe-Hygiene
4 Frau u. Kind
5 Körperpflege
6 Seelische Hygiene
7 Halle d. Nationen
8 Krankenhaus
9 Lebensmittel
10 Sozial-Versicherung
11 Wohnung u. Kleidung
12 Volksbelehrung, Lehrmittel
13 Schädlings-Bekämpfung, Desinfektion
14 Reich, Länder, Provinzen, Städte u. Landkreise
15 Die gesunde Stadt
16 Halle der Stadt Dresden
17 Säuglings-Heim
18 Kino

Internationale
Hygiene-Ausstellung
Dresden 1930
[Maßstab]
Dresden im Jan. 1929
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom vor dem 31. Dezember 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 21398, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/21398. Letzter Zugriff am: 29.04.2024.
Online seit 20.01.2020.