Dokument-Nr. 3408
Schulte, Karl Joseph an Pacelli, Eugenio
Köln, 30. Oktober 1922

Abschrift
Euere Exzellenz
bitte ich ganz ergebenst, die Verzögerung meiner Antwort auf das geschätzte Schreiben vom 14. d. M. (Nr. 25347) mir zugute halten zu wollen. Eine Firmungsreise in der Industrie-Großstadt Essen hat mich in meiner Korrespondenz zurückgebracht. Ich danke vielmals für die gütige abschriftliche Zusendung des kultusministeriellen Schreibens vom 27. September. Leider bin ich durch die Diözesansynode und durch andere vordringliche Arbeiten etwas ausser Bilde bezüglich der konkordatären Verhandlungen geraten. Um wertvolle Bemerkungen zu den verschiedenen Punkten des zitierten Schreibens machen zu können, müsste ich auch jetzt mehr Musse haben, als ich sie wirklich habe. Eine recht verfängliche Wendung scheint mir der Satz auf Blatt 2: "Die baldige glückliche Beendigung usw." zu sein. Die Verquickung der Frage bezüglich Anstellung und Vorbildung der Geistlichen mit der Frage der Aufhebung bezw. Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze aus der Zeit des Kulturkampfes ist m. E. vollkommen willkürlich. Überdies wird
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ja über Anstellung und Vorbildung der Geistlichen im Referentenentwurf des Reichskonkordats das Notwendige vorgesehen. Wozu da noch mit Preussen eigene Abmachungen? Die Aufhebung bezw. Abänderung der genannten kirchenpolitischen Gesetze vorzunehmen, wird der Preussische Staat durch die Reichsverfassung Art. 135 veranlasst, durch nichts anderes.
Wie mir der Deutsche Botschafter am Hl. Stuhl, Exzellenz von Bergen, dieser Tage erzählte, habe er der preussischen Regierung nahe gelegt, in konkordatären Fragen nur d'accord mit dem Auswärtigen Amte vorzugehen. Auch deutete er an, dass Preussen schliesslich auf ein Konkordat zu verzichten bereit wäre, wenn das Reichskonkordat zustande komme. Mir deucht, dass kirchlicherseits nicht so ohne Weiteres auf ein Konkordat mit Preussen verzichtet werden kann wegen der bislang auch durch das Konkordat geschützten staatlichen finanziellen Leistungen für die Kirche. Es ist wahr, dass die Konkordate (z. B. die Bulle "De salute animarum") nicht die einzigen und nicht die primären Rechtstitel für die staatlichen Leistungen an die Kirche sind. Jedenfalls ist es aber gut, in einem Konkordate diese kirchlichen Rechtsansprüche erneut festzulegen und eine Umschreibung dieser Rechtsansprüche nach dem heutigen Stand der Dinge vorsichtig zu versuchen. Wenn in dem zitierten
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Schreiben des Herrn Ministers (Blatt 5) behauptet wird, dass die in den Bullen vorgesehenen Dotationen dem sinkenden Geldwert dauernd angepasst worden seien, so ist das bezüglich der Bischofsgehälter für die 100 Jahre seit Erlasse der Konkordatsbulle "De salutate animarum" nicht der Wahrheit entsprechend. Die Erhöhungen sind bezüglich der Bischofsgehälter und der Besoldungen der Domkapitulare immer – auch in letzter Zeit – unentsprechend geblieben. Der verstorbene vortragende Rat im früheren Kultusministerium, Freusberg, – ein treuer Katholik – sagte mir einmal, es seien der katholischen Kirche in Deutschland allein aus der Konkordatsbulle "De salutate animarum" unermessliche Werte zu gewinnen gewesen, wenn die Bischöfe jederzeit ihr Recht gewahrt hätten. Noch 1910 meinte er, ein Justitiar der Bischöfe zur Wahrung ihrer Rechte aus der genannten Bulle würde sich lohnen. Die Bischöfe sind aber bzgl. ihrer persönlichen Ansprüche an den Staat anspruchslos gewesen bis auf den heutigen Tag. Immerhin fühlten und fühlen die Bischöfe den starken Rückhalt der Konkordatsbullen und sind auch – soweit ich die Stimmung kenne – der Ansicht, es sei nicht gut, ihre Geltung zu bestreiten, solange nicht neue konkordatliche Übereinkunft vorliege.
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Indem ich Euerer Exzellenz diese vielleicht längst bekannten Bedenken unterbreite, bin ich in treuester Verehrung und Ehrerbietung
Euerer Exzellenz
ergebenster
(gez.) C. J. Card Schulte
Erzbischof von Köln.
Empfohlene Zitierweise
Schulte, Karl Joseph an Pacelli, Eugenio vom 30. Oktober 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 3408, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/3408. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013.