Dokument-Nr. 6385
Ritter zu Groenesteyn, Otto Freiherr von an Pacelli, Eugenio
Lugano, 18. Dezember 1917

Geheim!
Sehr verehrter und lieber Monsignor!
Eingedenk Ihrer freundlichen Aufforderung im Hafen von Lindau, Ihnen offen und rückhaltlos zu schreiben, wenn ich einmal wegen irgend einer Sache in Sorge sein sollte, will ich Ihnen heute eine solche Sorge ganz vertraulich und absolut inoffiziell bekennen.
Wie Sie wissen, wurde ich vor einiger Zeit beauftragt,
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den dringenden Wunsch Seiner Majestät des Königs von Bayern, Seine Exzellenz den hochwürdigsten Herrn Erzbischof von Faulhaber möglichst bald zum Kardinal ernannt zu sehen, und die Bitte um Erfüllung dieses Wunsches zur Kenntnis Seiner Heiligkeit des Papstes zu bringen. Veranlaßt war die Bekundung dieses Wunsches durch das Gerücht von einem bevorstehenden Konsistorium.
Ich habe mich in diesem Sinne zu Seiner Eminenz dem Herrn Kardinalstaatssekretär
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geäußert mit dem Ersuchen, Seine Heiligkeit entsprechend verständigen zu wollen.
Daraufhin habe ich nun die Antwort von Seiner Eminenz erhalten, die folgendermaßen lautet:
"J'ai eu l'honneur de recevoir la Note confidentielle du 30 Octobre dern. par laquelle V. E. m'a gracieusement exprimé le vif désir de Sa Majesté le Roi de Bavière de voir le titulaire du Siège Archiépiscopal de Munich élevé aux honneurs de la Pourpre Sacrée en cas où un prochain Consistoire aurait lieu.
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A ce propos j'ai l'honneur d'informer V. E. que la nouvelle d'un prochain Consistoire, annoncée par quelques journaux, est dépourvue de tout fondement."
Da Seine Eminenz in dieser Note gar nichts davon sagt, daß sie von dem Wunsche Seiner Majestät dem Heiligen Vater Kenntnis gegeben habe und da überdies die Note so gefaßt ist, als wäre dieser Wunsch nur für das vermeintliche Konsistorium im Monat Dezember l. Js. geäußert worden, so befürchte ich, daß die Antwort Seiner Eminenz
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am Promenadeplatz Befremden erregen wird.
Aus meinem an den Herrn Kardinalstaatssekretär gerichteten Schreiben geht deutlich hervor, daß die Bitte Seiner Majestät keine zeitlich beschränkte ist und nur aus Anlaß der Gerüchte von einem bevorstehenden Konsistorium zum formellen Ausdruck gebracht wurde.
Die Tatsache, daß ein solcher Wunsch bezw. eine solche Bitte überhaupt geäußert worden ist, hängt damit zusammen, daß auf die Anfrage
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der Deutschen Reichsleitung, warum bei den letzten Kardinalsernennungen im Dezember 1916 Deutschland nicht berücksichtigt worden sei, vom Vatikan die Antwort erteilt wurde, daß von deutscher Seite kein Wunsch nach der Ernennung eines deutschen Kardinals dem Hl. Stuhl ausgesprochen worden sei.
Ich bin sehr betrübt darüber, daß die Antwort Seiner Eminenz des Herrn Kardinalstaatssekretärs so lakonisch abgefaßt ist und
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danach angetan ist, wenn Sie nicht in der Lage sein sollten, dem Wunsche Seiner Majestät eine etwas erfreulichere Perspektive zu eröffnen, in München eine Enttäuschung hervorzurufen.
Das ist meine Sorge, die ich Ihnen vertrauensvoll an's Herz lege. Wäre ich in Rom, so hätte ich sicherlich die Möglichkeit gehabt, die Sache sofort aufzuklären, denn ich bin überzeugt, daß die Antwort Seiner Eminenz nur wegen des mir wohl bekannten
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heiklen Charakters der Angelegenheit so gefaßt ist und daß man zwischen den Zeilen mehr lesen soll. Nichts desto weniger wäre es vielleicht doch erwünscht, daß Sie die große Güte hätten, den Herrn Kardinalstaatssekretär wissen zu lassen, wie großen Wert Seine Majestät der König darauf legen, daß die Bitte Seiner Majestät um eine baldige Erhebung Seiner Exzellenz des Hochwürdigsten Erzbischofs von Faulhaber zur Kardinalswürde Seiner Heiligkeit als eine Bitte bezeichnet werden
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möchte, die Seiner Majestät nach wie vor sehr am Herzen liegt und deren Erfüllung Seine Majestät als eine besonders gnädige Gunstbezeugung und als einen Akt hochzuschätzenden väterlichen Wohlwollens seitens des Heiligen Vaters ungemein dankbar empfinden würde.
Nun ist mein Brief schon wieder sehr lang geworden und doch möchte ich noch einmal meine Feder in die Tinte tauchen, um Ihnen zu sagen, mit welch herzlichen Gefühlen ich Ihrer angesichts des
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bevorstehenden Weihnachtsfestes gedenke. Es ist Ihr erstes Weihnachten in der Fremde. Möge es Ihnen in München nicht zu kalt vorkommen, möge Sie das Bewußtsein erwärmen, wie froh wir in Bayern sind, gerade Sie in diesen ernsten Zeiten in unserer Mitte zu wissen und möge Ihnen der liebe Gott durch Seine Gnade in reichlichem Maße alles das vergelten, was Sie in anstrengender und aufopfernder Arbeit auf Ihrem Münchner
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Posten zum Besten der Menschheit tun. Mit den innigsten Wünschen für einen gesegneten Erfolg Ihrer Tätigkeit und für Ihr persönliches Wohlergehen verbleibe ich in treuer Freundschaft und Verehrung
Ihr ergebenster
O. Ritter

P.S. Am Promenadeplatz weiß man nicht, daß ich Ihnen über obige Angelegenheit geschrieben habe und ich bitte, das auch geheim halten zu wollen, falls
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Exzellenz von Dandl Ihnen gegenüber auf die Angelegenheit zu sprechen kommen sollte. Ich glaubte, durch diese private Information Ihnen und der Sache zu dienen.
Die italienische Übersetzung dieses Schreibens ist als Dokument Nr. 2016 ediert.
Empfohlene Zitierweise
Ritter zu Groenesteyn, Otto Freiherr von an Pacelli, Eugenio vom 18. Dezember 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6385, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6385. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 20.12.2011, letzte Änderung am 14.01.2013.