Dokument-Nr. 7125
Eichhorn, Emil Gottfried Hermann von an Michalkiewicz, Kazimierz Mikołaj
Hauptquartier, 30. Mai 1917

Abschrift
Eure Excellenz
haben zur Weitergabe ein Schreiben an den katholischen Feldpropst der Armee gerichtet, in dem Eure Excellenz Beschwerde gegen die Feldgeistlichen führen.
Eure Excellenz verkennen hierbei die eigene Stellung und die Stellung des Feldpropstes der Armee, wie die Stellung der kath. Feldgeistlichen.
Diese stehen zunächst ausschließlich unter dem Befehl und der Disziplinargewalt der betreffenden militärischen Vorgesetzten. Wenn Eure Excellenz daher glauben, sich über diese Geistlichen beschweren zu müssen, so muss es Eure Excellenz überlassen bleiben, sich an den militärischen Vorgesetzten der Geistlichen zu wenden; dieser ist in erster Linie der Etappen-Inspekteur der 10. Armee. Ein Rekurs gegen dessen Entscheidung wäre bei mir und im weiteren Verlauf bei dem Oberbefehlshaber Ost vorzulegen. Ich habe daher von einer Weitergabe des Schreibens an den Feldpropst der Armee abgesehen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Eurer Excellenz nicht verhehlen, wie schmerzlich ich in diesem Fall das Verhalten der polnischen Geistlichkeit gegen die deutschen Katholiken empfinde. Es lässt – ich kann es nicht anders ausdrücken – christliche Brüderliebe in hohem Grade vermissen.
Eure Excellenz haben seiner Zeit beantragt, den deutschen katholischen Gottesdienst ausschließlich in orthodoxen Kirchen abhalten zu lassen. So verweigert die polnische katholische Kirche der deutschen die einfachste Gastfreiheit.
Die orthodoxen Kirchen machen, wie auf mich, auf jeden deutschen Christen einen fremdartigen, erkaltenden Eindruck. Gott freilich ist ein Geist
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und lässt sich in jeder Behausung anbeten. Aber es ist ganz sicher, dass jeder deutsche Katholik in den hiesigen polnischen Kirchen, die ihn in ihrer ganzen Ausstattung und Einrichtung an die Kirche seiner Heimat erinnern, mit größerer Inbrunst seine Gebete verrichtet und für seine Seele größere Erquickung erhält, als wenn ihm die Gnadenmittel der Kirche in orientalischer Umgebung zu Teil werden.
Es ist traurig für mich annehmen zu müssen, dass die polnische katholische Geistlichkeit auf diese Gefühle deutscher Gläubigen keine Rücksicht glaubt nehmen zu dürfen.
Ich würde sehr bedauern, wenn deutsche Feldgeistliche, gereizt durch das Verhalten polnischer Amtsbrüder, sich Übergriffe zu Schulden kommen ließen. Aus den mir vorliegenden Berichten, die sich mit der Eurer Excellenz durch den Erzpriester Ellert gemachten Angabe vielfach nicht decken, kann ich zur Zeit solche nicht erkennen. Andererseits ist es zu billigen, wenn die deutschen Feldgeistlichen ihre Rechte und die der deutschen Soldaten gegen übelwollende Eingriffe wahren.
Wenn Eure Excellenz am Schluss des Schreibens sagen, "sed me potius, ex exempla praedecessorum suorum sequentes, in suis negotiis adire vellent", so kann ich nur feststellen, ohne den Sachverhalt zu kennen, den Euer Excellenz damit meinen, dass das Verhalten dieser Vorgänger unrichtig war.
Auch die Vorgänger hätten sich in kirchlichen Dingen an ihren kirchlichen Vorgesetzten, den Herrn Feldpropst der Armee, in weltlichen Angelegenheiten an ihren militärischen Vorgesetzten wenden müssen.
Eure Excellenz bitte ich aufrichtig, ihren Einfluss auf den Erzpriester der St. Johanneskirche, Ellert, im Sinne christlicher Duldung und Liebe auszuüben, damit polnische und deutsche Geistliche nebeneinander fürderhin ihres segensreichen Amtes in der St. Johanneskirche walten können.
Der Oberbefehlshaber (Unterschrift) Eichhorn. Generaloberst.
Empfohlene Zitierweise
Eichhorn, Emil Gottfried Hermann von an Michalkiewicz, Kazimierz Mikołaj vom 30. Mai 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 7125, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/7125. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 10.03.2014.