Dokument-Nr. 7788
Schulte, Karl Joseph an [Dubois, Louis-Ernest]
Köln, 11. Mai 1921

Abschrift
Eminenz,
Für die mir freundlichst entbotenen Glückwünsche zu meiner Aufnahme in das heilige Kollegium der Kardinäle bitte ich meinen ergebensten Dank sagen zu dürfen.
Den Appell, den Euere Eminenz unter dem 17. v. M. im Interesse Frankreichs an mich gerichtet haben, musste ich begreiflicherweise vor Beendigung der augenblicklich schwebenden Verhandlungen zwischen Deutschland und den Ententemächten zu beantworten zögern. Heute erst, wo mir bekannt wird, dass Deutschland das Ultimatum der Ententemächte angenommen, schien mir die Zeit dazu gekommen, um Euerer Eminenz meine Gedanken zu Ihrem Appell zu schreiben. Gerade im Begriffe, dies zu tun, ersehe ich aus der Zeitung, dass die Havas-Agentur bereits in der Lage war, Ihren an mich gerichteten Appell zu veröffentlichen. Eine solche Veröffentlichung vor Eintreffen meiner Antwort muss mich überraschen und davon abhalten, Euerer Eminenz in allem Vertrauen meine Ueberzeugungen näher darzulegen, die ich weder inbezug auf die gegen Deutschland gerichteten Anklagen, noch inbezug auf die Gerechtigkeit des Versailler Friedens mit den Ihrigen in Einklang zu bringen vermag. Aus der vor Eintreffen meiner Antwort geschehenen Veroeffentlichung ersehe ich aber auch,
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dass es Euerer Eminenz hauptsaechlich auf einen oeffentlichen Appell an mich angekommen ist, weniger auf meine Stellungnahme zu dem Appell. Unter solchen Verhaeltnissen kann ich nicht mehr glauben, dass der von Euerer Eminenz mir insinuierte Schritt in der Oeffentlichkeit fuer Frankreich oder fuer den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich von irgendwelchem Nutzen und Segen sein wird.
Ich begnuege mich daher, Euerer Eminenz persoenlich mein schmerzliches Empfinden zu offenbaren, dass Eure Eminenz einen in so gebieterischem Tone abgefassten Appell an mich richten und dessen Befolgung als Fortfuehrung meines Liebeswerkes zu Gunsten der franzoesischen Kriegsgefangenen von mir erwarten. Ich habe niemals auf irgendwelchen Dank Frankreichs wegen meiner Bemuehungen um die franzoesischen Kriegsgefangenen gerechnet; aber ich haette auch nicht geglaubt erleben zu muessen, dass mir seitens eines so hervorragenden Mitgliedes des franzoesischen Episkopates, das waehrend des Krieges lediglich die Not der Soehne des eigenen Landes beruecksichtigt hat, aus einem solchen zu Gunsten Frankreichs von mir eingerichteten Liebeswerke unter heftigen Anschuldigungen gegen mein eigenes Vaterland mir noch politische Verpflichtungen vor der Oeffentlichkeit auferlegt wuerden. Ich muss den Ton Ihres Appells, Eminenz, um so schmerzlicher empfinden, als seinerzeit meine Bemuehungen, den franzoesischen Episkopat zu einem dem Paderborner Liebeswerke der deut-
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schen Bischoefe korrespondierenden Liebeswerk zugunsten der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich zu veranlassen, völlig vergeblich gewesen sind. Der verstorbene Kardinal Sévin von Lyon, mit dem ich damals in dieser Angelegenheit korrespondierte, schrieb mir schliesslich, dass die franzoesische Bischöfe mit Ruecksicht auf ihre Beziehungen zur franzoesischen Staatsregierung leider nicht in der Lage waeren, sich fuer ein Liebeswerk zu Gunsten der deutschen Kriegsgefangenen zu interessieren.
Euere Eminenz dürfen sich versichert halten, dass ich gemaess den wiederholten ernsten Mahnungen des um den Voelkerfrieden so vaeterlich besorgten Stellvertreters Christi Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XV. alles Erdenkliche tun werde, um die christliche Liebe zwischen Deutschland und Frankreich energisch zu foerdern. Aber Euere Eminenz bitte ich ebenso sehr meine Ueberzeugung zu wuerdigen, dass diese christliche Liebe auf dem von Ihnen beschrittenen und mir von Ihnen vorgeschlagenen Wege sich nicht erzielen laesst.
Unter dem Ausdruck meiner besonderen Hochschaetzung, in der ich mich zum Kusse des h. Purpurs neige, bin ich Euerer Eminenz in Christo ganz ergebenster
s. C. J. Card. Schulte.
Empfohlene Zitierweise
Schulte, Karl Joseph an [Dubois, Louis-Ernest] vom 11. Mai 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 7788, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/7788. Letzter Zugriff am: 27.04.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 16.08.2013.