Dokument-Nr. 9831
Obernyer, Joseph
an [Pius XI.]1
Barmen, 05. August 1922
Mein Bruder mit Namen Franz Obernyer, wohnhaft hier in Barmen, Holzrichterstraße 5, ist von Beruf Kaufmann, 46 Jahre alt, Vater von 8 lebenden Kindern. Neben seinem Berufe war er einige Jahre Kirchenrendant hier an der Sankt Antonius Pfarre, um noch etwas mehr an Gehalt zu erwerben für seine große Familie.
Seit Beginn des schrecklichen Weltkrieges haben ihn Kummer und Nahrungssorgen vollständig ruiniert, und so ist er nun vollständig nervenleidend, geistesgestört, religiösen Wahnsinn [sic]. Hauspflege, Krankenanstalten und Nervenheilanstalt haben ihm keine Heilung verschafft. Nur sein Gottvertrauen, und sein Gebet Tag und Nacht, haben ihn seit 4 Monaten in etwa arbeitsfähig gemacht, so daß er furchtbar kämpfen muß um sich zur Arbeit zu zwingen; denn er ist furchtbar Menschenscheu [sic], ein Bild des Jammers und Elend. Ärztliches Zeugnis würde ich hier beifügen, wenn es nicht so viel Geld kostete. Aus meiner Eigenheit habe ich mich nun mit einem Blick nach Rom gewandt um Rat und Hilfe zu erhoffen; denn unsererseits kann nichts mehr geschehen um noch zu helfen. Mit dankbarem Herzen und innigem Gebet für Gott und seiner Heiligkeit würden wir alle aufblicken, wenn uns Hülfe zufließen würde, Gott möge helfen.
Nachstehend erlaube ich mir, auch noch die Kinderschar mit Namen
197r
aufzuführen und wann dieselben
geboren sind:1. | Franz | geboren am | 12.5.1902 | studiert geistlich im Kloster, |
2. | Otto | geboren am | 14.12.1903 | ist Schneider von Beruf, |
3. | Wilhelm | geboren am | 19.7.1905 | studiert, |
4. | Hildegard | geboren am | 12.4.1907 | als Stütze der Mutter, |
5. | Joseph | geboren am | 18.4.1910 | studiert geistlich im Kloster, |
6. | Werner | geboren am | 29.11.1913 | geht zur Schule, |
7. | Johannes | geboren am | 22.2.1913 | geht zur Schule, |
8. | Gertrud | geboren am | 13.3.1916 | geht zur Schule, |
Häufig lasen wir in den hiesigen Zeitungsberichten, daß Geldspenden für arme notleidende Familien seitens des Heiligen Vaters in Rom gestiftet wurden, und so bitten wir im Namen unserer ganzen Familie uns auch mal berücksichtigen zu wollen, da diese wirklich arme Familie noch nie Unterstützung aus irgend einem Wohltätigkeitsfonds erhalten hat. Nun habe ich noch eine Bitte und zwar dahin, recht bald Nachricht zu erhalten, ob für meinen armen Bruder etwas geschehen könnte. Möge dieser Brief glücklich in die Hände der Barmherzigkeit gelangen und Früchte bringen.
In steter Liebe und Ehrfurcht zu Gott und seinem
Gesandten verbleibe ich mit aller Ergebenheit
Joseph Obernyer.
1↑Brief fälschlicherweise an Benedikt XV.
adressiert.