TEI-P5
Noch bis Juni 1914 galt der Dreibund zwischen dem Deutschen Reich,
Österreich-Ungarn und Italien als gefestigt. Es bildeten sich in Italien allerdings zwei
Lager, auf der einen Seite das der Interventionalisten und auf der anderen Seite das der
Neutralisten, das sich vorerst durchsetzte. Die Interventionalisten gewannen jedoch die
Oberhand und im geheimen Vertrag von London vom 26. April 1915 wurde der Kriegseintritt
Italiens auf Seiten der Entente beschlossen. Die italienische Kriegserklärung vom
23. Mai 1915 richtete sich zum Missfallen der Entente ausschließlich an
Österreich-Ungarn, mit dem Ziel der Gebietsabtretung von Trient und Triest an Italien. Neben
den territorialen Entschädigungen wurde im Londoner Vertrag auf Bestreben Italiens auch der
Ausschluss des Heiligen Stuhls aus möglichen Friedensverhandlungen festgeschrieben, um eine
Internationalisierung der "Römischen Frage" zu verhindern.
Der deutsche Zentrumspolitiker Matthias Erzberger hatte in Unkenntnis des Londoner Vertrags noch bis zuletzt in Verhandlungen mit Italien und dem Heiligen Stuhl versucht, einen Kriegseintritt Italiens abzuwenden. Seiner Meinung nach war es dem Heiligen Stuhl ohne territoriale Besitztümer nicht möglich, seiner Aufgabe als überparteilicher "padre commune" aller Katholiken nachzukommen. Er favorisierte dabei die Lösung, dass Österreich Trient an den Heiligen Stuhl abtreten solle, damit dieser es in Verhandlungen mit Italien um einen kleinen Kirchenstaat in Rom eintauschen könnte. So wäre die "Römische Frage" gelöst und Italien hätte keinen Grund mehr gehabt, in den Krieg einzutreten. Als Österreich Anfang Mai unter deutschem Druck zum Einlenken bereit war, war der Londoner Vertrag allerdings bereits unterzeichnet und der Kriegseintritt Italiens beschlossen.
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Kriegseintritt Italiens
Der deutsche Zentrumspolitiker Matthias Erzberger hatte in Unkenntnis des Londoner Vertrags noch bis zuletzt in Verhandlungen mit Italien und dem Heiligen Stuhl versucht, einen Kriegseintritt Italiens abzuwenden. Seiner Meinung nach war es dem Heiligen Stuhl ohne territoriale Besitztümer nicht möglich, seiner Aufgabe als überparteilicher "padre commune" aller Katholiken nachzukommen. Er favorisierte dabei die Lösung, dass Österreich Trient an den Heiligen Stuhl abtreten solle, damit dieser es in Verhandlungen mit Italien um einen kleinen Kirchenstaat in Rom eintauschen könnte. So wäre die "Römische Frage" gelöst und Italien hätte keinen Grund mehr gehabt, in den Krieg einzutreten. Als Österreich Anfang Mai unter deutschem Druck zum Einlenken bereit war, war der Londoner Vertrag allerdings bereits unterzeichnet und der Kriegseintritt Italiens beschlossen.
Bibliography
EPSTEIN, Klaus, Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Berlin /
Frankfurt am Main 1962, S. 138-172.
ISNENGHI, Mario, Italien, in: HIRSCHFELD, Gerhard / KRUMEICH, Gerd / RENZ, Irina (Hg.), Enzyklopädie Erster
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RUSCONI, Gian Enrico, Das Hasardspiel des Jahres 1915. Warum sich Italien für den
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(Hg.), Der Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 (Schriftenreihe der Vierteljahrhefte für
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RUSCONI, Gian Enrico, Deutschland - Italien, Italien - Deutschland. Geschichte einer
schwierigen Beziehung von Bismarck bis zu Berlusconi, Paderborn 2006.
WOLF, Hubert, Matthias Erzberger, Nuntius Pacelli und der Vatikan. Oder: Warum der
Kirchenstaat nicht nach Liechtenstein verlegt wurde, in: Matthias Erzberger. Ein
Demokrat in Zeiten des Hasses (Stuttgarter Symposien. Schriftenreihe 15), Karlsruhe
2013, S. 134-157.
Recommended quotation
Kriegseintritt Italiens, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', keyword no. 22085, URL: www.pacelli-edition.de/en/Keyword/22085. Last access: 18-06-2025.