TEI-P5
Seit dem 18. Jahrhundert war Polen in ein preußisches, österreichisches und
russisches Gebiet ("Kongresspolen") unterteilt. Das Deutsche Reich intendierte zu Beginn des
Ersten Weltkrieges, die eroberten Teile Kongresspolens nicht an Russland zurückzugeben,
sondern einen polnischen Staat zu schaffen. Während Polen sich selbst verwalten sollte,
wollte Kaiser Wilhelm II., dass der Deutsche Kaiser das Oberkommando über die
polnischen Truppen erhalte. Nach der Besetzung Polens durch deutsche und österreichische
Truppen im Sommer 1915 wurde über die Rolle des polnischen Staates im zukünftigen Europa
debattiert. In geheimen Verhandlungen einigten sich Berlin und Wien schließlich auf die
Errichtung eines "Königreichs Polen", das am 5. November 1916 durch die beiden
Generalgouverneure der Besatzer, Hans Hartwig von Beseler und Karl Kuk, proklamiert wurde.
Am 14. Januar 1917 trat daraufhin der "Provisorische Staatsrat" Polens zusammen, der
zwar nur beratende Funktionen hatte, jedoch durch die Forderung, dass es keine polnische
Armee ohne eigenständige polnische Regierung geben dürfe, Druck ausübte. Nach der Weigerung
eines Teils der polnischen Truppen, die deutsche Eidesformel zu übernehmen, wurde der
Staatsrat bereits im Juli 1917 aufgelöst. An seine Stelle traten andere Institutionen, wie
z. B. der Regentschaftsrat, der das Gerichtswesen regelte. Mit dem Kriegseintritt der USA im
April 1917 gewann Polen einen weiteren Verbündeten. Am 4. Juni 1917 erlaubte die
französische Regierung die Bildung einer polnischen Exilarmee, am 15. August entstand
ein "Polnisches Nationalkomitee", das in Paris residierte. Dieses Komitee unterhielt
Verbindungen nach Polen und zu den Alliierten, die es zunehmend als Vertreterin der
polnischen Interessen verstanden. Mit der Oktoberrevolution in Russland brach eine
Teilungsmacht Polens zusammen. Auch der US-Amerikanische Präsident Woodrow Wilson
postulierte in seiner Rede am 8. Januar 1918 einen unabhängigen polnischen Staat. Zum
offiziellen Kriegsziel der Alliierten wurde dieser jedoch erst am 3. Juni desselben
Jahres auf der Interalliierten Konferenz in Versailles erklärt. Es entwickelte sich ein
gleitender Übergang in die neue Staatlichkeit, als der Regentschaftsrat am 7. Oktober
zur Bildung eines unabhängigen polnischen Staates und einer repräsentativen Regierung
aufrief. Die polnische Wehrmacht wurde dem Rat unterstellt und gewann rasch an Größe. Als
der ehemalige Leiter der Abteilung des Heereswesens im Provisorischen Staatsrat, Józef
Piłsudski, der 1917 in Deutschland inhaftiert worden war, am 10. November 1918 in
Warschau eintraf, unterstellten sich die polnischen Truppen seinem Kommando. Die
deutsch-österreichischen Besatzungsmächte brachen zusammen. Am 14. November bestätigte
der Regentschaftsrat die Machtübernahme durch Piłsudski. Damit war das Königreich Polen
aufgelöst und der neue Staat Polen entstanden.
Online seit 02.03.2011. Als PDF anzeigen
Königreich Polen
Literatur
ALEXANDER, Manfred, Kleine Geschichte Polens (Reclams Universal-Bibliothek 17060), Stuttgart 2008,
S. 260-270 .
Hutten, Czapski, Bodgan Graf von, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 2,
Berlin 1936, S. 275-533.
Empfohlene Zitierweise
Königreich Polen, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 11085, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/11085. Letzter Zugriff am: 25.05.2025.
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