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Die russische Regierung unter Zar Nikolaus I. verschärfte im 19. Jahrhundert
zunehmend die Maßnahmen gegen die römisch-katholische Kirche, begünstigte Übertritte von mit
Rom unierten Kirchen zur orthodoxen Landeskirche und schränkte die Kontakte Roms mit den
Katholiken in Polen und im Russischen Reich immer weiter ein. Papst Gregor XVI. prangerte in
einer Ansprache am 22. Juli 1842 die Notsituation der Kirche in Polen und Russland
öffentlich an. Nikolaus I. reagierte darauf mit einer weiteren Verschärfung der
antikirchlichen Maßnahmen, besonders gegen Seminare und Orden. Durch das Einwirken des
russischen Kanzlers und Außenministers Karl Robert von Nesselrode wechselte die Regierung
bald jedoch zu einer Entspannungspolitik, um dem öffentlichen Ansehen Russlands als
"auserwähltem" Zarenland gegenüber dem von Revolutionen geprägten Europa nicht zu schaden.
Ein Wechsel des russischen Diplomaten in Rom 1843 und erneuerte Kontakte, die 1844 durch die
Vermittlung der Nuntien in Wien und München geebnet wurden, führten zu einer persönlichen
Zusammenkunft von Nikolaus I. und Gregor XVI. Die von beiden vereinbarten zukünftigen
Verhandlungen wurden im November 1846 in Rom eröffnet. "Rom strebte eine totale Revision der
russischen Gesetzgebung an, die der katholischen Kirche ihre Freiheit zurückgeben sollte.
Petersburg dagegen wünschte eine Verbesserung seiner Beziehungen zu Rom, um dadurch die
polnische Agitation zu beruhigen und die europäische Öffentlichkeit für sich zu gewinnen"
(Roger Aubert). Nach 20 Verhandlungseinheiten, die bis März 1847 andauerten, wurde in
einigen Fragen, z. B. jener der Bischofsnominationen, ein Konsens erzielt. Die russische
Delegation weigerte sich jedoch, das Thema der Unterdrückung von unierten Kirchen in der
Ukraine aufzugreifen und vertrat weiterhin für Rom unannehmbare Positionen, vor allem in
Bezug auf die Mischehen und die Verbindung der russischen Bischöfe mit Rom. Die
Verhandlungsstagnation wurde durch das konziliante Wirken von Nesselrodes auf der einen und
durch ein vom Papst, inzwischen Pius IX., selbst geleiteten Kardinalskommission
aufgebrochen. Man einigte sich am 3. August 1847 auf ein Konkordat, das zwar beide
Seiten nur teilweise zufriedenstellte, aber die vom Zaren seit dem 18. Jahrhundert
einseitig vollzogene Politik gegenüber der Kirche beendete. Unter dieser Perspektive konnte
das Konkordat als ein Erfolg des Heiligen Stuhls gewertet werden.
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Konkordat mit Russland von 1847
Quellen
MOY DE SONS, Ernst Freiherrn von, Die der päpstlichen Denkschrift vom
15. November 1866 über die Verfolgung der Kirche in Russland und Polen beigegebenen
Urkunden, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 17 (1867), S. 383-451.
Literatur
AUBERT, Roger / JEDIN, Hubert (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 6: Die
Kirche der Gegenwart, Teilbd. 1: Die Kirche zwischen Revolution und Restauration,
Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1971, S. 596-604.
MERCATI, Angelo (Bearb.), Raccolta di Concordati su Materie Ecclesiastiche tra la
Santa Sede e le Autorità Civil, Bd. 1: 1098-1914, Rom 21954,
S. 751-765.
SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung
der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964,
S. 395-397.
Empfohlene Zitierweise
Konkordat mit Russland von 1847, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 11052, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/11052. Letzter Zugriff am: 17.06.2025.