Preußische Verfassung vom 30. November 1920

Im Gegensatz zur Reichsverfassung und zu den meisten anderen Landesverfassungen, die spätestens 1919 in Kraft traten, wurde die preußische erst am 30. November 1920 beschlossen. Sie löste das Gesetz zur vorläufigen Ordnung der Staatsgewalt vom 20. März 1919 ab. Verzögert wurde die Verabschiedung der Verfassung insbesondere durch die politischen Unruhen der Jahre 1919 und 1920, die besonders den größten deutschen Staat betrafen. Jedoch konnten so die zwischenzeitlich gemachten politischen Erfahrungen in den Verfassungstext einfließen. Aufgrund des Präjudizes der Reichsverfassung ist der preußische Verfassungstext relativ knapp.
In der Verfassung war die Volkssouveränität (Art. 2) verankert. Volksabstimmungen waren zwar zugelassen (Art. 3), erlangten aber in der Folgezeit keine Bedeutung. Das Staatsministerium wurde als die "oberste vollziehende und leitende Behörde des Staates" definiert (Art. 7), die Unabhängigkeit der Judikative garantierte (Art. 8). Oberstes Repräsentationsorgan des Volkes mit legislativer und kontrollierender Funktion war der auf vier Jahre gewählte Landtag (Art. 9 bis 30). Des Weiteren wurde mit dem Staatsrat eine zweite Kammer geschaffen, die trotz geringeren Kompetenzen die Provinzen bei Gesetzgebung und Verwaltung vertrat (Art. 31 bis 43). Eine Besonderheit der preußischen Verfassung war die Forderung nach Verfassungstreue der Beamten (Art. 78).
Für das Verhältnis von Kirche und Staat war insbesondere Art. 76, der den Kirchenaustritt regelte, und Art. 82, Abs. 1 und 3 von Bedeutung. In diesen heißt es:
"(1) Die Befugnisse, die nach den früheren Gesetzen, Verordnungen und Verträgen dem König zustanden, gehen auf das Staatsministerium über.
[…]
(3) Die sonstigen bisher vom Könige gegenüber den Religionsgesellschaften ausgeübten Rechte werden im Sinne von Art. 137 der Reichsverfassung geregelt."
Das Zentrum hatte auf Anraten Pacellis durchgesetzt, dass Absatz 3 in den Verfassungstext aufgenommen werde (Dokument Nr. 1019).
Quellen
Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: Reichsgesetzblatt 152 (1919), S. 1383-1418, hier 1409, in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 14.05.2013).
Gesetz zur vorläufigen Ordnung der Staatsgewalt vom 20. März 1919, in: WITTRECK, Fabian, Weimarer Landesverfassungen. Die Verfassungsurkunden der deutschen Freistaaten 1918-1933, Tübingen 2004, S. 464-466.
Verfassung des Freistaats Preußen vom 30. November 1920, in: WITTRECK, Fabian, Weimarer Landesverfassungen. Die Verfassungsurkunden der deutschen Freistaaten 1918-1933, Tübingen 2004, S. 466-481.
Literatur
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 744-748.
MÖLLER, Horst, Preußen von 1918 bis 1947: Weimarer Republik, Preußen und der Nationalsozialismus, in: NEUGEBAUER, Wolfgang (Hg.), Handbuch der preußischen Geschichte, Bd. 3: Vom Kaiserreich zum 20. Jahrhundert und Große Themen der Geschichte Preußens, Berlin / New York 2001, S. 149-316, hier 214-220.
Empfohlene Zitierweise
Preußische Verfassung vom 30. November 1920, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 16075, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/16075. Letzter Zugriff am: 23.04.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 24.10.2013.
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