Revolution in Württemberg

Wie in den anderen Teilstaaten und im Reich war die württembergische Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) noch unmittelbar vor dem Ausbruch der Novemberrevolution nicht an einem Sturz der Monarchie interessiert, sondern trat für eine Parlamentarisierung der Regierung im Rahmen der bestehenden Staatsordnung ein. Jedoch drohte die revolutionäre Agitation der Unabhängigen Sozialdemokratie (USPD) und insbesondere der Spartakisten, die das revolutionäre Aufbegehren radikalisieren wollten, die MSPD ins politische Abseits zu drängen. Als am 6. November 1918 der monarchische Staat diesem Druck nach- und den Weg zur Parlamentarisierung der Regierung freigab, kamen die Mehrheitssozialdemokraten nicht umhin, in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eine gemeinsame Regierung mit der USPD zu bilden, um ein Rätesystem nach russischem Vorbild zu verhindern. Diese provisorische Regierung trat am 9. November ins Amt und wurde von Wilhelm Blos (MSPD) und Arthur Crispien (USPD) geführt. Die provisorische Regierung wurde sowohl von der Mehrheit des Stuttgarter Arbeiter- und Soldatenrats, als auch vom württembergischen Militär unterstützt.
Zuvor war von König Wilhelm II. am 8. November eine letzte königliche Regierung berufen worden, an der Vertreter der MSPD, der Fortschrittlichen Volkspartei, des Zentrums und der Nationalliberalen Partei beteiligt waren. Auf Initiative der MSPD sollte diese königliche Regierung in die provisorische Regierung integriert werden, wobei sich MSPD und USPD die zentralen Ressorts für Äußeres, Inneres, Kultus, Arbeit und Kriegswesen vorbehielten und Finanz-, Justiz- und Ernährungsministerium an bürgerliche Politiker übertragen werden sollten. Der König stimmte dem am 10. November zu, um weiteres Chaos zu vermeiden.
Als auch noch die königstreue Beamtenschaft der provisorischen Regierung ihre Unterstützung zusicherte, waren die linksradikalen Kräfte wie die Spartakisten endgültig ins politische Abseits gedrängt. In ihrer Proklamation vom 11. November erklärte die Regierung die politischen Umwälzungen für vorläufig vollzogen und wollte sich in erster Linie um die Linderung der Not im Land kümmern. Wilhelm II. entband die Beamten am 16. November von ihrem Treueid und verzichtete am 30. November auf den Thron.
Kurz vor den Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung am 12. Januar 1919 und zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar versuchten Spartakisten einen Putsch in Stuttgart, der jedoch vom Militär blutig niedergeschlagen wurde. Die letzten Unabhängigen Sozialdemokraten, die noch in der Regierung verblieben waren, Crispien und Ulrich Fischer, wurden daraufhin aus der Regierung gedrängt, da sie mit den Putschisten sympathisierten.
In den Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung gingen MSPD, Zentrum und die Deutsche Demokratische Partei (DDP), die sich inzwischen konstituiert hatte, als Sieger hervor. Die provisorische Regierung Blos wurde bestätigt. Ab dem 14. Februar nannte sie sich "Staatsregierung". Das am 26. April 1919 verabschiedete württembergische Staatsgrundgesetz des nunmehrigen Volksstaats Württemberg manifestierte den demokratisch-parlamentarischen Staatsumbau. Nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 14. August 1919 wurde die Landeverfassung von der nunmehr zum württembergischen Landtag erklärten Landesversammlung überarbeitet und trat am 25. September 1919 endgültig in Kraft.
Literatur
GREIFFENHAGEN, Sylvia, Die württembergischen Sozialdemokraten im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik (1914-1933), in: SCHADT, Jörg (Hg.), Die SPD in Baden-Württemberg und ihre Geschichte. Von den Anfängen der Arbeiterbewegung bis heute, Stuttgart u. a. 1979, S. 160-191, hier 174-183.
KOLB, Eberhard / SCHÖNHOVEN, Klaus (Hg.), Regionale und lokale Räteorganisationen in Württemberg 1918/19, Düsseldorf 1976.
SAUER, Paul, Württemberg in der Weimarer Republik, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin / SCHAAB, Meinrad (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 4: Die Länder seit 1918 (Veröffentlichung der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 2003, S. 23-72, hier 74-84.
SCHECK, Manfred, Zwischen Weltkrieg und Revolution. Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Württemberg 1914-1920 (Dissertationen zur neueren Geschichte 10), , Köln 1981.
Empfohlene Zitierweise
Revolution in Württemberg, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 18121, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/18121. Letzter Zugriff am: 23.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 13.08.2012.
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