Reichsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18. Dezember 1926

Das Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18. Dezember 1926 bedeutete keine Vorzensur, sondern Vertriebsbeschränkungen für in einer Liste von Schund- und Schmutzschriften geführten Texte. Die Liste wurde von einer hierfür eingerichteten Oberprüfstelle in Leipzig erstellt. Was als Schund- und Schmutzschrift geführt wurde, durfte nicht öffentlich beworben oder an Personen unter 18 Jahren abgegeben werden.
Hintergrund waren die Artikel 118 (Meinungsfreiheit) und 122 (Jugendschutzauftrag) der Weimarer Reichsverfassung (WRV). Im zweiten Absatz des Art. 118 WRV hieß es einschränkend: "Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig." Das Gesetz vom 18. Dezember 1926 bezog sich dann sowohl auf den Aspekt der allgemeinen Bekämpfung von Schund- und Schmutzliteratur, als auch auf den Aspekt des Jugendschutzes, wie er in Art. 122 WRV ausgeführt wurde: "Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige oder körperliche Verwahrlosung zu schützen. Staat und Gemeinde haben die erforderlichen Einrichtungen zu treffen. Fürsorgemaßregeln im Wege des Zwanges können nur auf Grund des Gesetzes angeordnet werden."
Eine grobe Definition von "Schmutzschriften" fand sich im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches, §§ 184 und 184a RStGB (letzterer erlassen am 25. Juni 1900). Demnach waren es "unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen", also insbesondere Pornographie, sowie allgemein "Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen". Noch unklarer war der Begriff "Schund": Darunter wurden vom Gesetz "minderwertige" Schriften verstanden. So musste die Oberprüfstelle 1928 präzisieren, dass es nicht um schlechte oder wertlose Schriften gehen könne, sondern mindestens um schädliche.
Aufgrund seines Charakters als Ausnahmegesetz wurde das Gesetz sehr eng ausgelegt, was von den Kirchen und Sittlichkeitsvereinen, die das Gesetzesvorhaben maßgeblich vorangebracht hatten und eine entsprechend weiter Auslegung forderten, kritisiert wurde.
Quellen
Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: Reichsgesetzblatt 152 (1919), S. 1383-1418, in: www.lwl.org (Letzter Zugriff am: 31.07.2018).
Gesetz, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, in: Deutsches Reichsgesetzblatt 1900, Nr. 23, S. 301–303, hier 302.
Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften. 18. Dezember 1926, in: Reichsgesetzblatt 1926 I, S. 505, in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 05.09.2018).
Literatur
ENGELHARDT, Isabelle, Der Kampf gegen die moralische Vergiftung. Die Disakussion um "Schund und Schmutz" in Film und Literatur, in: EITZ, Thorsten / ENGELHARDT, Isabelle, Diskursgeschichte in der Weimarer Republik 2, Hildesheim / Zürich / New York 2015, S. 261-312.
PETERSEN, Klaus, Zensur in der Weimarer Republik, Stuttgart / Weimar 1995, S. 56-67, 155-174.
Empfohlene Zitierweise
Reichsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften vom 18. Dezember 1926, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1830, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1830. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 26.06.2019.
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