Separatistische Bewegungen in der Novemberrevolution

Der Sturz der Monarchien im November 1918 führte zu unterschiedlichen partikularistischen Bewegungen innerhalb des Deutschen Reichs. Betroffen waren die Gegenden, wo die preußisch-protestantische Dominanz besonders kritisch gesehen worden war wie im katholischen Bayern und im katholischen Rheinland, aber auch im polnisch-katholischen Oberschlesien.
Mit Schlagworten wie "Bayern den Bayern" und "Los von Berlin" gab die Bayerische Volkspartei bei ihrer Gründung im November 1918 den gegen das Reich und Preußen gerichteten Bestrebungen einen großen Raum. Ihr Mitbegründer Georg Heim postulierte im "Bayerischen Kurier" separatistische Pläne, die sich gegen die Revolutionsregierung unter Kurt Eisner (USPD) richteten. Allerdings gewann der Föderalismus die Überhand gegen den Separatismus und wurde zum Leitmotiv aller bayerischen Staatsregierung in der Weimarer Republik.
Um eine französische Besatzung der linksrheinischen deutschen Gebiete zu verhindern, startete die katholische "Kölner Volkszeitung" am 10. November 1918 eine Pressekampagne für die Errichtung einer "Rheinischen Republik" im Rahmen des Deutschen Reichs. Die Nebenmotive dieser rheinischen separatistischen Bewegung – die antipreußischen und antiprotestantischen Ressentiments als Auswirkungen der Kulturkämpfe der 1870er Jahre sowie die Angst vor einem sozialistischen Preußen nach Beendigung der Revolution – fanden in der Parole "Los von Berlin" ihren Ausdruck. Am 1. Juni 1919 proklamierte Hans Adam Dorsten mit Unterstützung der französischen Besatzungsmacht in Wiesbaden eine "Rheinische Republik". Nach vier Tagen scheiterte der Putsch an den Streikbewegungen in den rheinischen Städten.
In Oberschlesien gab es aufgrund der Bevölkerungsstruktur zwei separatistische Strömungen. Die Bevölkerung mit stark regional ausgeprägter Identität verlangten mit Unterstützung von Teilen der regionalen Zentrumspartei die Gründung eines selbständigen Freistaats Oberschlesien, der sowohl unabhängig vom Deutschen Reich als auch von der neugegründeten Polnischen Republik sein sollte. Durch die Gewährung einer weitgehenden Autonomie in der Kirchen- und Schulpolitik sowie der Beamtenbesetzung konnte dieser Strömung seitens des Reichs allerdings Einhalt geboten werden. Parallel dazu gab es eine nationalistische polnische Bewegung, die neben der Eingliederung Posens auch die Oberschlesiens an Polen forderte und ihre Ziele durch bewaffnete Aufstände durchzusetzen versuchte. Nach der Volksabstimmung vom 20. März 1921 kam es zur Aufteilung Oberschlesiens zwischen dem Deutschen Reich und der Polnischen Republik.
Quellen
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Literatur
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Empfohlene Zitierweise
Separatistische Bewegungen in der Novemberrevolution, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 19051, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/19051. Letzter Zugriff am: 16.04.2024.
Online seit 02.03.2011, letzte Änderung am 14.05.2013.
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