Bethmann Hollweg, Betrachtungen zum Weltkriege

Die Memoiren Theobalds von Bethmann Hollweg (1856-1921), der von 1909 bis 1917 Reichskanzler war, entstanden im Zuge der publizistischen Gefechte, die sich die Angehörigen der alten gesellschaftlichen Elite nach dem Ersten Weltkrieg lieferten. Das Werk war aber auch eine Reaktion auf die Publikationsflut im In- und Ausland zum Ersten Weltkrieg und seinen Akteuren.
Es handelt sich bei Bethmann Hollwegs Erinnerungen um eine Rechtfertigungsschrift, die gegenüber den Siegermächten die Gerechtigkeit und Friedensliebe der deutschen Politik vor dem Weltkrieg sowie deren Bereitschaft zu einem gemäßigten Frieden während des Krieges betonen sollte. Gegenüber den alten deutschen Eliten wollte Bethmann Hollweg bekräftigen, dass nationale Ehre und Größe die Maximen seines Handelns gebildet hatten. Des Weiteren wollte er sich mit dem Buch gegen den Vorwurf der neuen republikanischen Kräfte verteidigen, er sei schuld am Krieg gewesen und habe auch später den Frieden nicht gewollt.
Der erste Band der "Betrachtungen zum Weltkriege" erschien im Mai 1919. Die Abfassung des zweiten Bandes zog sich dagegen aufgrund des Untersuchungssausschusses für die Schuldfragen im August 1919 und der immer weiter wachsenden Zahl von Publikationen zum Weltkrieg, die zu verarbeiten waren, hin. Bethmann Hollweg starb kurz vor Vollendung am 2. Januar 1921. Das Buch wurde im Oktober 1921 posthum veröffentlicht, wohl aus Rücksicht auf die gleichzeitige Veröffentlichung einer englischen und französischen Übersetzung und nicht aufgrund einer posthumen Überarbeitung.
Wie von Pacelli befürchtet, berichtete Bethmann Hollweg im zweiten Band über dessen Reise nach Berlin und Bad Kreuznach im Juni 1917. Der ehemalige Reichskanzler schilderte die Unterredung mit Pacelli am 26. Juni 1917 in Berlin. Als sich der Nuntius beim damaligen Reichskanzler über die deutschen Kriegsziele und Friedensbedingungen erkundigt habe, habe er selbst die deutsche Bereitschaft zu einer allseitigen Rüstungskontrolle, zur Schaffung eines unabhängigen, aber neutralen Belgiens und zu Verhandlungen über mögliche Gebietsabtretungen an Frankreich erklärt. Bereits in einem Artikel in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 29. Februar 1920 hatte Bethmann Hollweg bestätigt, dass er gegenüber Pacelli die oben genannten Zusagen getätigt hatte.
Am 29. Juni 1917 sei Pacelli von Kaiser Wilhelm II. in Bad Kreuznach empfangen worden. Der Nuntius habe dem Kaiser einen Brief Benedikts XV. über die päpstlichen Friedensbemühungen übergeben, von dem er ihm bereits in Berlin in Kenntnis gesetzt habe. Wilhelm II. habe sich mit den päpstlichen Friedensbemühungen einverstanden erklärt.
Für das Scheitern der Friedensinitiative machte Bethmann Hollweg nicht primär den Unwillen der Entente zu Friedensverhandlungen verantwortlich, sondern vor allem die Julikrise 1917, die es ihm gegen seinen Willen verbeten habe, die Initiative weiter zu befördern.
Quellen
BETHMANN HOLLWEG, Theobald von, Betrachtungen zum Weltkriege, Bd. 2, Berlin 1921, S. 210-215.
BETHMANN HOLLWEG, Theobald von, Betrachtungen zum Weltkriege, hg. von Jost DÜFFLER, ND Essen 1989, S. 253-255, 310.
Literatur
FATTORINI, Emma, Germania e Santa Sede. Le nunziature di Pacelli tra la Grande guerra e la Repubblica di Weimar (Annali dell'Istituto storico italo-germanico Monografia 18), Bologna 1992, S. 48-50.
FATTORINI, Emma, Pacelli und der Erste Weltkrieg. Erste diplomatische Gehversuche?, in: WOLF, Hubert (Hg.), Eugenio Pacelli als Nuntius in Deutschland. Forschungsperspektiven und Ansätze zu einem internationalen Vergleich (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 121), Paderborn u. a. 2012, S. 61-86, hier 63 f.
WOLF, Hubert, Papst und Teufel. Die Archive des Vatikan und das Dritte Reich, München 22009, S. 52 f.
WOLLSTEIN, Günter, Theobald von Bethmann Hollweg. Letzter Erbe Bismarcks, erstes Opfer der Dolchstoßlegende, Göttingen u. a. 1995.
Empfohlene Zitierweise
Bethmann Hollweg, Betrachtungen zum Weltkriege, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 2107, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/2107. Letzter Zugriff am: 25.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.02.2013.
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