Möglichkeit des Widerrufs der missio canonica von Professoren und Dozenten in den Statuten der Universitäten Bonn und Münster sowie in der Konvention betreffend die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg

Die Möglichkeit, dass der Ortsbischof Lehrenden an der katholisch-theologischen Fakultät die "missio canonica" entziehen konnte, war an den Universitäten von Bonn, Münster und Straßburg gegeben. Unterschiede gab es jedoch zwischen den beiden ersteren und der letzteren in Bezug auf die Verpflichtung des preußischen Staates, diese Entscheidung auch wirksam werden zu lassen.
Für Bonn findet sich die entsprechende Passage im Gegensatz zu Pacellis Angabe nicht in den Statuten der Universität, sondern in § 4 der "Statuten der katholisch-theologischen Fakultät der Königlich Preussischen Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität zu Bonn" vom 18. Oktober 1834:
"Sollte wider Verhoffen ein der katholisch-theologischen Fakultät in Bonn angehöriger Lehrer in seinen Vorlesungen oder in Schriften der katholischen Glaubens- und Sitten-Lehre, welche er wissenschaftlich zu begründen berufen ist, zu nahe treten, oder auf andere Art in sittlich-religiöser Beziehung ein auffallendes Aergernis geben: so ist der erzbischöfliche Stuhl [von Köln] befugt, hiervon Anzeige zu machen, und das Ministerium wird, auf den Grund einer solchen Anzeige, mit Ernst und Nachdruck einschreiten und Abhülfe leisten."
Auch für Münster findet sich der entsprechende Passus nicht in den Universitätsstatuten, sondern in der Satzung der Katholisch-Theologischen Fakultät vom 31. März 1906. Unter ausdrücklichem Bezug auf die entsprechenden Regelungen der Universitäten Breslau und Bonn heißt es in § 3:
"Sollte sich ferner ein Lehrer wider Verhoffen eines groben und ärgerlichen Verstosses gegen Glauben und Sitten schuldig machen, so kann der Bischof [von Münster] davon zur weiteren Untersuchung und der Sache gemäßen Verfügung unter Vermittlung des Kurators dem Minister [der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten] Anzeige machen, welcher hierauf mit allem Ernst und Aufmerksamkeit Rücksicht nehmen wird."
Im Gegensatz zu diesen recht vagen Formulierungen einigten sich Preußen und der Heilige Stuhl in Bezug auf die katholisch-theologische Fakultät der Universität Straßburg in der Konvention vom 5. Dezember 1902 auf ein weitgehendes Eingriffsrecht des Straßburger Bischofs und sogar des Papstes. Bei durch die kirchliche Behörde nachgewiesenem Mangel an Rechtgläubigkeit und priesterlichem Lebenswandel eines Professors – also bei Entzug der missio canonica – sollte die Regierung Artikel 5 zufolge diesen alsbald von den Geschäften der Fakultät ausschließen und für Ersatz sorgen. Der wurde Staat somit – im Gegensatz zur bisherigen Praxis in Preußen – dazu verpflichtet, Professoren, denen die missio canonica entzogen wurde, zu versetzen. Die Letztentscheidung über einen solchen Entzug lag beim Papst. Da der Ausschluss eines Professors von den Fakultätsgeschäften keine rechtliche Grundlage hatte, war der Staat de facto verpflichtet, eine solche zu schaffen.
Quellen
Concordato per l'erezione della Facoltà teologica nell'Università di Strasburgo del 5 dicembre 1902, in: MERCATI, Angelo (Hg.), Raccolta di Concordati su materie ecclesiastiche tra la Santa Sede e le Autorità civili, Bd. 1: 1098-1914, Rom 21954, S. 1090 f.
Konvention, betreffend die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Strassburg vom 5. Dezember 1902, in: SCHÖPPE, Lothar (Bearb.), Konkordate seit 1800. Originaltext und deutsche Übersetzung der geltenden Konkordate (Dokumente 35), Frankfurt am Main / Berlin 1964, S. 98.
Satzung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Königlichen Universität zu Münster vom 31. März 1906, in: HEGEL, Eduard, Geschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster 1773-1964, Bd. 2 (Münsterische Beiträge zur Theologie 30,2), Münster 1971, S. 268-272.
Statuten der katholisch-theologischen Fakultät der Königlich Preussischen Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität zu Bonn vom 18. Oktober 1834, in: KOCH, Johann Friedrich Wilhelm (Hg.), Die Preussischen Universitäten. Eine Sammlung der Verordnungen, welche die Verfassung und Verwaltung dieser Anstalten betreffen, Bd. 1: Die Verfassung der Universitäten im Allgemeinen, Berlin / Posen / Bromberg 1839, S. 232-246.
Literatur
Konvention betreffend die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg vom 5. Dezember 1902; Schlagwort Nr. 24007.
Satzung der Königlichen Universität Münster vom 18. Oktober 1902; Schlagwort Nr. 27008.
Statuten der Königlich Preussischen Rhein-Universität Bonn vom 1. September 1827; in: Schlagwort Nr. 27025.
Empfohlene Zitierweise
Möglichkeit des Widerrufs der missio canonica von Professoren und Dozenten in den Statuten der Universitäten Bonn und Münster sowie in der Konvention betreffend die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät in Straßburg, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 23033, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/23033. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 10.03.2014, letzte Änderung am 17.12.2014.
Als PDF anzeigen