Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB)

Der Württembergische Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB) repräsentierte im Gegensatz zur städtisch fundierten württembergischen Bürgerpartei den ländlichen Konservativismus. Im Kaiserreich als württembergischer Ableger des Bundes der Landwirte gegründet, fungierte der bis 1918 als Württembergischer Bauernbund firmierende WBWB aber nicht als "pressure group" innerhalb der Bürgerpartei, sondern bildete eine eigene Partei, die die landwirtschaftliche Interessen vornehmlich des protestantischen Bevölkerungsteils vertrat.
Wie die Bürgerpartei sah der WBWB in der Sozialdemokratie (SPD) seinen Hauptgegner, stand aber auch der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) ablehnend gegenüber. Darüber hinaus pflegte der Bund aufgrund seiner ländlichen Prägung auch zur Deutschen Volkspartei (DVP) ein distanziertes Verhältnis. Dem Zentrum stand der WBWB dagegen wegen ihres antisozialistischen Konsenses sowie der gemeinsamen gesamtchristlichen Wertvorstellungen in der Kultur- und Bildungspolitik, aber auch der gemeinsamen ökonomischen, vor allem landwirtschaftlichen und mittelständischen Interessen und der ähnlichen sozialen Basis beider Parteien nahe.
Vor dem Ersten Weltkrieg vor allem in protestantischen Gebieten organisatorisch verankert, drang der Bund nach 1918 auch in katholische Regionen vor. Dabei profitierte er ähnlich der Sozialdemokratie von einer starken lebensweltlichen Verankerung in der ländlichen Wählerschaft. Daneben legten eine straffe Parteiorganisation und das parteiinterne Proporzsystem nach Klein- und Großbauern, Landwirten und Weingärtnern sowie nach Regionen den Grundstein für die beachtlichen Erfolge des Bundes.
So erlangten die bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Landesversammlung am 12. Januar 1919 noch getrennt angetretenen Bauern und Weingärtner zusammen 8,5 Prozent der Stimmen, aber schon bei den ersten Landtagswahlen am 6. Juni 1920 17,7 Prozent. Nach den Landtagswahlen am 4. Mai 1924, bei denen sie 20,2 Prozent der Stimmen erhielten, bildeten sie zusammen mit Zentrum und Bürgerpartei eine Koalition unter Wilhelm Bazille, übernahmen jedoch kein Ministeramt. Mit Mittelstandspolitik, landwirtschaftsfreundlicher Haltung und Umsetzung "konservativer" Werte in Schul- und Bildungspolitik verfolgte die in der Tradition des Kaiserreich stehende, staatsautoritäre und verwaltungszentrierte Regierung eine Politik, die ganz im Sinnes des WBWB war. Bei den folgenden Landtagswahlen am 20. Mai 1928 erlangte der Bund 18,1 Prozent der Stimmen, beteiligte sich allerdings nicht mehr an der Minderheitsregierung von Zentrum und Bürgerpartei unter dem Ministerpräsidenten Eugen Bolz.
Der WBWB konnte sich zwar der Konkurrenz der Nationalsozialisten (NSDAP) länger als die Bürgerpartei erwehren, sobald die NSDAP aber auf dem Land nicht mehr als milieufremde Kraft "von außen" auftrat, ging der Bund wie alle anderen Parteien 1933 unter.
Literatur
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 113.
SAUER, Paul, Württemberg in der Weimarer Republik, in: SCHWARZMAIER, Hansmartin / SCHAAB, Meinrad (Hg.), Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 4: Die Länder seit 1918 (Veröffentlichung der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg), Stuttgart 2003, S. 73-150, hier passim.
WEBER, Reinhold, Bürgerpartei und Bauernbund in Württemberg. Konservative Parteien im Kaiserreich und in Weimar (1895-1033) (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 141), Düsseldorf 2004.
Empfohlene Zitierweise
Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB), in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 25051, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/25051. Letzter Zugriff am: 24.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 06.05.2019.
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