Schreiben Dubois' an Schulte vom 17. April 1921

Die Kölnische Volkszeitung veröffentliche den Text des Schreibens Louis Ernest Dubois an den Kölner Kardinal Schulte mit einer Vorbemerkung:
"Kardinal Schulte hat nach seiner Aufnahme in das Kardinalkollegium u.a. auch dem Kardinal Erzbischof Dubois von Paris hiervon Mitteilung gemacht. Dieser hat darauf an den Kölner Kardinal folgendes Schreiben gerichtet, dessen Wortlaut die französische Presse veröffentlicht.

'Paris, den 17. April 1921
Eminenz!
Sie haben mir gütigst von Ihrer Erhebung zu den Ehren des römischen Purpurs Kenntnis gegeben. Ihre Ernennung zum Kardinal findet meinen Beifall; indem nämlich der Papst den Erzbischof von Köln ehrte, dankte er auch dem ehemaligen Bischof von Paderborn für seine Verdienste.
Ich erinnere mich daran, daß Ew. Eminenz viel getan haben, um unseren Kriegsgefangenen die Härten des Krieges zu mildern. Ihr Werk scheint noch nicht vollendet. Sie vermögen viel, um zwischen unseren beiden Nationen einen bis jetzt leider unbeständigen Frieden herzustellen.
Der dauernde Friede muß auf der Gerechtigkeit beruhen, und die Gerechtigkeit erfordert die Wiedergutmachung des Unrechts, das dem anderen angetan wurde. Gott selbst legt, um zu verzeihen, diese Verpflichtung auf, so lautet die Lehre der Kirche, und wir beide predigen es.
Nun, wer könnte ernsthaft leugnen, daß Deutschland Frankreich Unrecht zugefügt hat? Die Klügeleien der Kanzleien vermögen nichts gegen offensichtliche Tatsachen und die Klarheit der Geständnisse von Leuten, die es wissen müssen. Wir waren zu unrecht angegriffen. Gott hat es zugelassen, daß wir Sieger wurden, zwei Gründe, um die ungeheuren Schäden, die Frankreich verursacht wurden, wiedergutzumachen. Überdies hat sich hierzu Deutschland seit beinahe zwei Jahren durch Unterzeichnung des Friedens von Versailles verpflichtet, und seitdem laufen alle Anstrengungen seiner Regierung darauf hinaus, strikte eingegangenen und feierlich unterschriebenen Verpflichtungen aus dem Wege zu geben.
Das siegreiche, aber gequälte Frankreich hat bis jetzt unter wiederholter Annahme seiner Rechte seinen Schutz mit seiner Würde zu vereinigen vermocht. Es hat ruhig und stark dahingelebt und guten Willen, der reichlich sich zeigte, ungenügenden und illusorischen Versprechungen entgegengesetzt.
Eminenz! Die Geduld Frankreichs ist zu Ende. Ich sage dies nicht, um den Erklärungen unserer Staatsmänner einen Widerhall zu verleihen, sondern weil man dies überall sieht und fühlt. Man verletzt nicht ungestraft das Gerechtigkeitsgefühl eines Volkes. Und Gerechtigkeit ist es allein, was wir verlangen. Sie können diese nicht zugleich mit uns verlangen. Über dem Wirrwarr der politischen Leidenschaften und Interessen erheben Sie Ihre Stimme, Eminenz, die laute Stimme des Kirchenfürsten. Möchte Ihre Stimme gehört werden! So, eben auch nur so werden normale Beziehungen wieder möglich werden und kann von neuem die Liebe ohne Hindernisse zwischen Frankreich und Deutschland Platz greifen. Gott wird zufriedengestellt sein, die Wiederherstellung der verletzten Ordnung wird die Herrschaft des Friedens sichern. – Beschleunigen Sie, Eminenz, unter Ihrer hohen Vermittlung, den Anbruch dieser neuen Aera, einer Aera christlicher Liebe unter den Völkern, gegründet auf die in die Tat umgesetzte Achtung der internationalen Gerechtigkeit, und beehren Sie mich, Eminenz, mir zu gestatten den Ausdruck meiner gottesfürchtigen und brüderlichen Hochachtung im Herrn ergebenst zu übermitteln.
Ludwig Kardinal Dubois, Erzbischof von Paris.'

Der Kardinal und Erzbischof von Köln ist von dem Schreiben des Kardinals und Erzbischofs von Paris, das einen klassischen Beleg für die Mentalität Frankreichs gegenüber Deutschland darstellt, aufs peinlichste überrascht worden und erst recht von seiner Veröffentlichung durch die Havas-Agentur. Er glaubt seinerseits von einer Veröffentlichung seiner Antwort an Kardinal Dubois Abstand nehmen zu sollen, weil eine öffentliche politische Auseinandersetzung zwischen einem französischen und einem deutschen Kardinal weder im staatlichen noch im kirchlichen Interesse liegt. Wenn freilich die französische Presse seine Antwort irgendwie verstümmelt oder entstellt wiedergeben sollte, hält er sich für gezwungen, seine Antwort in vollem Wortlaut der Öffentlichkeit zu übergeben."
Quellen
Kölnische Volkszeitung Nr. 359 vom 13. Mai 1921. Zweite Morgen-Ausgabe, S. 1.
Literatur
LAMA, Friedrich von, Papst und Kurie in ihrer Politik nach dem Weltkrieg. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen dem Vatikan und Deutschland, Illertissen 1925, S 96, 187.
Empfohlene Zitierweise
Schreiben Dubois' an Schulte vom 17. April 1921, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 329, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/329. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 26.06.2019.
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