Schreiben Poincarés zu den Erleichterungen, die die Besatzungsbehörden im Falle der Beendigung des passiven Widerstandes gegen die Ruhrbesetzung gewähren würden

Der Gelbbuch genannte Band "Documents diplomatiques. Documents relatifs aux notes allemandes des 2 mai et 5 juin sur les réparations" enthält mehrere Noten des französischen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré zu den Erleichterungen, die die Besatzungsbehörden im Falle der Beendigung des passiven Widerstandes gegen die Ruhrbesetzung gewähren würden. Die bekannteste ist die an den deutschen Geschäftsträger in Paris, Leopold von Hoesch, vom 6. Mai 1923, in der Poincaré allerdings nicht auf mögliche Erleichterungen einging. Wahrscheinlich meint Pacelli das Schreiben Poincarés an den französischen Botschafter in London, Auguste Comte de Saint-Aulaire, vom 12. Juni 1923.
Dieses Schreiben steht im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen Frankreich und Großbritannien über den Umgang mit dem Deutschen Reich in der Reparationsfrage. Vor allem durch innenpolitische Rücksichten geleitet verfolgte die französische Regierung eine sehr viel schärfere Politik als Großbritannien, das an einer auch für das Reich erträglichen Lösung interessiert war.
Nach dem Beginn der Ruhrbesetzung und des einsetzenden passiven Widerstandes im Januar 1923 kam es zu einem Notenwechsel zwischen dem Reich und den Alliierten über eine mögliche Beendigung dieser Zwangsmaßnahme. Am 7. Juni machte die Reichsregierung erstmals ein akzeptables Angebot. Um über dieses zu diskutieren, traf sich ab dem 11. Juni der britische Außenminister George Curzon mit den Botschaftern Frankreichs, Belgiens und Italiens in London. Dabei versuchte Frankreich die anderen Mächte dazu zu bewegen, das Reich durch gemeinsame Maßnahmen zur Beendigung des passiven Widerstandes zu bewegen. Curzon lehnte dies ab und die Londoner Unterredungen führten zu keinem Ergebnis.
In diesen Zusammenhang gehört genanntes Schreiben, in welchem Poincaré unter anderem Erleichterungen aufzählte, die die Aufgabe des passiven Widerstandes zur Folge habe. So würde etwa die Anzahl der Besatzungstruppen verkleinert und ihr Kontakt mit der Zivilbevölkerung, beispielsweise mit den Arbeitern in den Fabriken, auf ein Minimum reduziert werden. Würden diese Maßnahmen umgesetzt werden, so würde sich der Charakter der Besetzung ändern, da der Druck von den Arbeitern genommen würde und die Auswirkungen der Besetzung verringert würden.
Quellen
Poincaré an Saint-Aulaire vom 12. Juni 1923, in: Documents diplomatiques. Documents relatifs aux notes allemandes des 2 mai et 5 juin sur les réparations (2 mai-3 août 1923), Paris 1923, S. 38 f., in: gallica.bnf.fr (Letzter Zugriff am: 20.03.2014).
Literatur
KENT, Bruce, The Spoils of War. The Politics, Economics, and Diplomacy of Reparations 1918-1932, New York 1991, S. 209-219.
Empfohlene Zitierweise
Schreiben Poincarés zu den Erleichterungen, die die Besatzungsbehörden im Falle der Beendigung des passiven Widerstandes gegen die Ruhrbesetzung gewähren würden, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 400, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/400. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 29.09.2014.
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