Privileg und Indult

Das Privileg ist eine bevorzugte Rechtsstellung, die dem objektiven, gemeinen Recht entgegensteht, also ein Ausnahmerecht darstellt. Von der Dispens unterscheidet es sich dadurch, dass diese lediglich von der Gesetzesverpflichtung befreit, während das Privileg gemeinhin positiv ausgerichtet ist und das Ausnahmerecht an die Stelle des regelmäßigen Rechts setzt.
Man unterscheidet zwischen "unechten" und "echten" Privilegien. Erstere bedeuten die Vorrechte von Personenklassen und Gemeinschaften, z. B. die Standesprivilegien der Kleriker (vgl. cann. 118-132 CIC/1917), des Bischofs (vgl. can. 349 § 1 CIC/1917) etc. Sie gelten als unecht, weil sie für diese Personen kein Ausnahmerecht, sondern regelmäßiges Recht darstellen. Darüber hinaus sind sie grundsätzlich "objektives" Recht, d.h. sie sind Rechtsnormen, denen auf Seiten der Begünstigten jeweils "subjektive" Rechte entsprechen. Wenn beispielsweise dem abgefallenen Ordensmann nach can. 2385 CIC/1917 alle Standesprivilegien entzogen werden, bleiben die Ordensprivilegien als objektives Recht natürlich unangetastet. "Echte" Privilegien sind hingegen einer physischen oder juristischen Person, einer Gemeinschaft, einer Sache oder auch einem Ort zustehende Ausnahmerechte vom gemeinen, regelmäßigen Recht. So z. B., wenn ein einfacher Priester das Privileg des Tragaltars bekommt (vgl. can. 822 § 2,3 CIC/1917), obwohl dies eigentlich nur Kardinälen und Bischöfen zukommt. Ob diese Art Privilegien ebenfalls "objektives" Recht darstellen, war in der Kirchenrechtswissenschaft umstritten.
Privilegien können durch den Gesetzgeber verliehen werden, entweder in Gesetzesform oder aber durch einen Verwaltungsakt. Parallel dazu können sie auch durch Gewohnheit oder Verjährung erworben werden (vgl. cann. 63-65 CIC/1917). In der Regel ist das Privileg auf dauerhafte Geltung angelegt (vgl. can. 70 CIC/1917), es kann aber auch befristet oder auf eine bestimmte Quantität von Fällen beschränkt sein, sodass es nach Ablauf der Zeit oder dem Erschöpfen der Rechtsfälle erlischt (vgl. cann. 70-78 CIC/1917).
Der Indult ist rechtlich mit dem "echten" Privileg identisch. Ein formaler Unterschied besteht lediglich darin, dass jener "mehr in einer Nachsicht von einer gesetzlichen Verpflichtung als in einer positiven Vergünstigung besteht und in der Regel zeitlich begrenzt ist" (Mörsdorf), vornehmlich auf drei Jahre.
Quellen
1917 Codex Iuris Canonicis, cann. 63-65, 70-78, 118-132, 349, 822 und 2385, in: www.jgray.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Codex Iuris Senior, cann. 63-65, 70-78, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Codex Iuris Senior, cann. 118-132, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Codex Iuris Senior, can. 349, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Codex Iuris Senior, can. 822, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Codex Iuris Senior, can. 2385, in: www.catho.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, cann. 63-65, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, cann. 70-78, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, cann. 118-132, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, can. 349, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, can. 822, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
GASPARRI, Pietro (Hg.), Codex Iuris Canonici Pii X Pontificis Maximi iussu digestus, Benedicti Papae XV auctoritate promulgatus, Rom 1917, can. 2385, in: www.archive.org (Letzter Zugriff am: 13.06.2016).
Literatur
LINDNER, Dominikus, Die Lehre vom Privileg nach Gratian und den Glossatoren des Corpus Iuris Canonici, Regensburg 1917.
EICHMANN, Eduard / MÖRSDORF, Klaus, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, Bd. 1: Einleitung, Allgemeiner Teil und Personenrecht, München / Paderborn / Wien 71953, S. 80 f., 156-170.
VAN HOVE, A., De privilegiis et indultis, in: Ius Pontificum 9 (1929), S. 290-295.
Empfohlene Zitierweise
Privileg und Indult, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 9090, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/9090. Letzter Zugriff am: 05.12.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 24.06.2016.
Als PDF anzeigen