Dokument-Nr. 10057
Bodman, Sophie Amalie von und zu, geb. von Dahmen an Pacelli, Eugenio
Schloss Stamsried bei Pösing, 04. November 1921

Euer Exzellenz
Hochwürdigster Herr Nuntius!
Am Tag vor meiner Abreise von München,bat mich I. K. Hoheit Herzogin Carl in Bayern Euer Exzellenz über unsere Mittelstandsküche, deren Protektorin I. K. Hoheit sind, einen kurzen Bericht zu erstellen! –
Leider war es mir nicht mehr möglich, dies persönlich zu thun und so erlaub [sic] ich mir dies nun nachzuholen. –
Als die Noth des Mittelstandes vor nun bald drei Jahren eine solch' erschreckende Zunahme erfuhr, habe ich I. K. Hoheit den Vorschlag unterbreitet, wie in Wien so auch in München Mittelstandsküchen zu errichten, wo die Ärmsten der Armen um billiges Geld einen kräftigen gesunden Mittagstisch erhalten.
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Es ist dieser Tisch gedeckt für ehmalige Kleinrentner, Pensionisten, alte erwerbsunfähige Leute gebildeter Stände, Studierende etc. etc., die Aufmachung ist danach eingerichtet und sollen diese Armen damit vor dem Verhungern bewahrt werden! I. K. Hoheit waren begeistert von dem Gedanken u. haben den Wunsch damals ausgesprochen, daß dieser Gedanke sofort in die That umgesetzt werde. So entstand die erste Mittelstandsküche "Emaus" Theresienstr. 17. Wir bettelten etwas Mittel zusammen, die Stadt kam uns auf Vermittlung des ehemaligen Bürgermeisters von Borscht zu Hilfe mit Lebensmitteln und so konnten wir beginnen! Der Zudrang war ein enormer, besonders auch von unzähligen verschämten Armen; und mit schwerem Herzen mußten wir viele abweisen, weil wir nicht reichten und die Mittel nicht hatten eine zweite Küche aufzumachen! – Aber auch die Theuerung nahm erschreckend zu und mit dieser die Schulden, die die Leitung der Küche machen mußte! Nun wurde uns auch das Lokal gekündet [sic]
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und wir mußten trachten ein anderes zu bekommen, das aber wohl viel theurer kommen wird!
Die Lebensmittelvorräthe, die wir jetzt im Großen einkaufen sollten um über Winter durchhalten zu können, sollten alsbald beschafft werden, aber wir haben kein Geld dazu! –
Ich bat deshalb I. K. Hoheit die Güte zu haben sich an die Gnade unseres vielgeliebten Heiligen Vaters zu wenden! Seine Heiligkeit sind unser Vater [sic] werden in dieser furchtbaren Zeit seine ärmsten Kinder, die Kinder der Großstädte, nicht vergessen und uns sicher eine Spende zuweisen, die der liebe Heiland mit seinem Segen begleiten wird für seine Heiligkeit, für die Kirche und für uns arme Münchner! Die Arbeiter und alle jene, welche noch verdienen können, sind ja gut daran im Verheltniß [sic] zu den Armen des Mittelstandes. Diese waren ja stets die Stützen des Vaterlandes u. der hl. Kirche. Jetzt sind sie vollkommen ruiniert und durch die traurigen Verhältnisse der Heimath
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auf den [Aussterbetod gesetzt].
Ich erlaube mir die ergebenste und herzlichste Bitte an Euer Exzellenz zu richten, vor dem Throne Seiner Heiligkeit ein warmer Fürsprecher für uns zu sein; dann wird unser geliebter Heiliger Vater unser Liebeswerk sicherlich unterstützen.
Mich und unser Werk in Ihr frommes Gedenken am Altare einschließend bin ich Euer Exzellenz
Sehr ergebene
Baronin Sophie v. u. z. Bodman
geb v. Dahmen
Empfohlene Zitierweise
Bodman, Sophie Amalie von und zu, geb. von Dahmen an Pacelli, Eugenio vom 04. November 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10057, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10057. Letzter Zugriff am: 24.04.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 16.12.2013.