Dokument-Nr. 13506
Kreutz, Benedict an Pacelli, Eugenio
Freiburg im Breisgau, 26. März 1923

Euer Exzellenz
gestatte ich mir die folgende ehrfurchtsvolle Bitte vorzutragen: Zur Linderung der Leiden der katholischen Ruhrbevoelkerung hat der Deutsche Caritasverband als die von den hochwuerdigsten deutschen Bischoefen anerkannte Zentralstelle der kirchlichen Liebestaetigkeit Deutschlands unter dem Namen "Caritashilfswerk fuer das Ruhrgebiet" eine Hilfsaktion eingeleitet, deren Hauptaufgaben die Wahrnehmung der Interessen und Belange der Katholiken des Ruhrgebiets und des besetzten Gebietes ueberhaupt ist.
Zur Gruendung dieses Hilfswerks veranlasste und insbesondere die Ueberzeugung, dass einerseits das katholische Volk nicht teilnahmslos gegenueber den Leiden der ueberwiegend katholischen Bevoelkerung des neuen und altbesetzten Gebietes stehen duerfe und dass andererseits durch die feindliche Besetzung starke katholische Interessen bedroht seien, deren Vertretung und Schutz nur eine katholische Zentralstelle uebernehmen koenne.
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Unser Ruhrhilfswerk ist ein selbstaendiger Teil der uebrigen fuer das Ruhrgebiet eingeleiteten, teils staatlichen, teils privaten Hilfsaktionen. Als solches ist es dem deutschen Volksopfer angegliedert, ohne jedoch dadurch in seiner Selbstaendigkeit behindert zu sein.
Durch unser Caritashilfswerk wollen wir allen bedraengten Glaubensgenossen des besetzten Gebietes, insbesondere des neubesetzten Gebietes nach Massgabe unserer Kraefte und Mittel zu Hilfe kommen. Unserer Fuersorge wenden wir hauptsaechlich den notleidenden katholischen Kindern des Ruhrgebietes, der gefaehrdeten Jugend, den durch Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfaehigkeit bedraengten Staenden (Kleinrentnern, alten Leuten, alleinstehenden Frauen usw.) sowie den caritativen katholischen Anstalten, die in ihrer Existenz bedroht sind, zu. Zu letzteren gehoeren vor allem die Krippen- und Saeuglingsheime, die Kinderbewahranstalten und Kleinkinderschulen, die Kinderhorte, die Erziehungs- und Rettungsanstalten, die Kranken- und Pflegehaeuser, die Altersheime, die Heime fuer Maedchenschutz und fuer gefaehrdete sowie gefallene Maedchen, die Kloester vom guten Hirten usw.
Die erforderlichen Mittel suchen wir durch Sammlungen und Kollekten im Inlande und Auslande aufzubringen. Die Hochwuerdigsten Bischoefe Deutschlands haben uns ihre tatkraeftige Hilfe zur Foerderung unseres Liebeswerkes zugesichert. Von dem Appell, den wir an das katholische Ausland gerichtet haben, erhoffen wir ebenfalls wohlwollende Unterstuetzung unserer grossen Hilfsaktion.
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Aus den oeffentlichen Blaettern entnehmen wir, dass Seine Heiligkeit Papst Pius XI. in der Person des hochwuerdigsten Monsignore Testa einen eigenen Delegierten in das Ruhrgebiet entstandt hat, um sich dort an Ort und Stelle ueber die Notlage der Ruhrbevoelkerung zu unterrichten. Der Heilige Vater hat durch diesen hochherzigen Entschluss seine unbegrenzte Liebe zu der notleidenden Bevoelkerung des Ruhrgebietes bekundet, und wir sind ueberzeugt, dass die Berichte seines Delegierten Hoechstdenselben veranlassen werden, in grosszuegiger Weise den bedraengten katholischen Teilen der Bevoelkerung zu Hilfe zu kommen.
Der Deutsche Caritasverband bittet nun Euer Exzellenz ehererbietigst, bei Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. der wohlwollende Befuerworter unseres "Caritashilfswerks fuer das besetzte Ruhrgebiet" gnaedigst sein zu wollen. Wir richten diese ehrerbietige Bitte vor allem deshalb an Euer Exzellenz, weil nach uns zugegangenen Berichten interkonfessionelle Organisationen, von denen wir eine gerechte Betreuung der katholischen Interessen nicht erwarten duerfen, sich an die Spitze der gesamten Hilfsaktion fuer das besetzte Ruhrgebiet zu draengen versucht haben. Schon das Vorhandensein solcher Bestrebungen legt uns zum Besten unserer heiligen Kirche nahe, der hoechsten kirchlichen Stelle in aller Ehrfurcht von der Existenz unseres Hilfswerkes Kenntnis zu geben.
Euer Exzellenz wuerden uns tief begluecken, wenn Hochdieselben von dem Inhalte unseres Schreibens auch dem Delegierten Seiner Heiligkeit, Monsignore Testa, Mitteilung zu machen die Guete haetten.
Mit der wiederholten Versicherung ehrfurchtsvoller Gesinnung verharre ich als
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Euer Exzellenz
treu-gehorsamster
gez. Dr. Kreutz
Paepstlicher Geheimkaemmerer,
Praesident des Deutschen Caritasverbandes.
Empfohlene Zitierweise
Kreutz, Benedict an Pacelli, Eugenio vom 26. März 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13506, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13506. Letzter Zugriff am: 30.04.2024.
Online seit 24.10.2013.