Dokument-Nr. 21145
[Kilian, Augustin] an Bertram, Adolf Johannes
Limburg an der Lahn, 07. November 1929

Eurer Eminenz
beehre ich mich auf das hochgefällige Schreiben vom 26. v. Mts. G. K. No 6651, die Verteilung der konkordatsmäßigen Staatsdotation1 betr., ganz ergebenst zu erwidern was folgt.
Ich bedaure, dass die Diözesanvertreter in der Beratung am 21. v. Mts. zu Berlin den vom Herrn Nuntius für die philosophisch-theologische Lehranstalt St. Georgen der Diözese Limburg in Frankfurt a. M. vorgeschlagenen Zuschuss aus der Staatsdotation durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt haben. Dagegen muss ich insbesondere Einspruch erheben, "dass für die Ablehnung geltend gemacht worden ist, dass es sich hier (scl. bei der Anstalt St. Georgen) garnicht [sic] um eine eigentliche Diözesananstalt handle." (Niederschrift über die Beratung Seite 5.)
Die Bulle Provida solersque vom 16. August 1821, durch welche das Bistum Limburg gleichzeitig mit dem Erzbistum Freiburg und den Bistümern Fulda, Mainz und Rottenburg errichtet wurde, enthält die Bestimmung: "In jeder der benannten erzbischöflichen und bischöflichen Kirchen soll nach Vorschrift der hl. Kirchenversammlung von Trient zur Erziehung und Unterweisung des Klerus und der freien Leitung und Verwaltung des Bischofs ein kirchliches Seminar bestehen, wo eine dem Bedürfnis und Nutzen der Diözese angemessene Anzahl von Zöglingen
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unterhalten werden kann."
"Da Uns bekannt ist, dass in vier von jenen Diözesen dergleichen schon bestehen, so befehlen Wir, dass baldmöglichst in der einzigen noch übrigen eine solche zweckmässig errichtet werde."
Diese einzige Diözese, für die ein Seminar noch errichtet werden sollte, war die neu errichtete Diözese Limburg. Dem ersten Bischof Dr. Brandt glückte es, die päpstliche Bestimmung auszuführen und in Limburg eine theologische Fakultät einzurichten. Sie ist anfangs vom Herzog von Nassau gefördert, nach einigen Jahren infolge der gegnerischen Stellung der Nassauischen Regierung wieder eingegangen und die Limburger Theologen mussten die Universität Giessen besuchen, an welcher von Hessen und Nassau 1838 eine katholische theologische Fakultät errichtet worden war.
Der Apostolische Stuhl hat an seiner Forderung auf ein Priesterseminar in dem Bistum Limburg unentwegt festgehalten. Darauf ist es zurückzuführen, dass in dem Preussischen Gesetz vom 29. April 1887 (Gesetzsammlung 1887 S. 127) dem Bischof von Limburg ausdrücklich die Befugnis zugesprochen wurde, ein Seminar zur wissenschaftlichen Vorbildung der Geistlichen zu errichten.
Meine Vorgänger und mich selbst hat der Hl. Vater wiederholt gemahnt, für die Diözese Limburg ein eigenes wissenschaftliches Priesterseminar zu errichten. Dies ist geschehen, obwohl die Päpste und
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die zuständige Kongregation wusste, dass die Limburger Priesteramtskandidaten seit Ostern 1887 ihre philosophischen und theologischen Studien in dem bischöflichen Priesterseminar der Diözese Fulda machten.
Meine Vorgänger seit Bischof Peter Josef Blum und ich haben stets die Errichtung eines vollen Priesterseminars in der Diözese Limburg im Auge gehabt. Unter persönlichen Opfern sind in Jahrzehnten Mittel für den Bau und die Errichtung eines Priesterseminars gesammelt worden und die Zeit war abzusehen, zu der die lang gehegte Absicht aus eigenen Mitteln der Diözese hätte verwirklicht werden können. Die Inflation hat das wieder vernichtet. Ich sehe es als ein Wirken der göttlichen Vorsehung an, dass die Väter der Gesellschaft Jesu bereit waren, das Priesterseminar für die Diözese Limburg zu übernehmen, sonst wären wohl abermals Jahrzehnte hingegangen, bis das in der Bulle von 1821 geforderte Priesterseminar Wirklichkeit geworden wäre. Der Heilige Vater hat diese Lösung begrüsst und in allem gebilligt. Die preussische Staatsregierung hat die von mir errichtete philosophisch-theologische Lehranstalt St. Georgen in Frankfurt anerkannt. Ich bitte daher den Hochwürdigsten Episkopat ergebenst mir zu meinem Rechte zu verhelfen.
Die Errichtung der Anstalt hat natürlich meiner Diözese auch finanzielle Verpflichtungen gebracht. Wenn sie auch an die Professoren, weil sie
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Ordensleute sind, keine Gehälter zahlt, so zahlt sie doch dafür, dass die niederdeutsche Provinz der Gesellschaft Jesu die Gebäude in Frankfurt und die Professoren stellt, an die genannte Ordensprovinz eine jährliche Pauschalsumme, welche die Diözese mangels anderer Mittel durch Steuern aufbringen muss. Ausserdem hat sie zum Bau selbst verschiedene Male grössere Summen zahlen müssen.
Wenn geltend gemacht wurde, dass St. Georgen keine eigentliche Diözesananstalt sei, so muss es eigentlich berühren, dass Diözesanvertreter diese Auffassung aussprachen, nachdem die massgebenden kirchlichen und staatlichen Stellen St. Georgen ausdrücklich als das wissenschaftliche Seminar der Diözese Limburg anerkannt haben. Wenn in St. Georgen auch einige Studierende anderer Diözesen sind, so spricht das ebensowenig gegen den Diözesancharakter als es bei Fulda dagegen spricht, wo auch Theologiestudierende aus anderen Diözesen sind, und, solange Limburger Studierende in Fulda waren, hier die Fremden wiederholt die Einheimischen überwogen.
Wenn den Diözesen Trier, Paderborn, und Fulda aus der Staatsdotation für ihre wissenschaftliche [sic] Seminare beträchtliche Zuschüsse gewährt werden, so empfinde ich es als ein Unrecht, dass für das Priesterseminar meiner Diözese die Gewährung
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des vom Herrn Nuntius vorgeschlagenen bescheidenen Zuschusses abgelehnt worden ist. Da die jetzige Verteilung Verteilung der Staatsdotation der Verteilung einer künftigen Erhöhung präjudiziert, wird die Ablehnung für immer eine Benachteiligung meiner Diözese sein. Deshalb muss ich in Wahrung der Interessen meiner Diözese grundsätzlich die Forderung auf einen entsprechenden Anteil aus der neuen Staatsdotation für St. Georgen, wie ich sie in meinem Schreiben vom 29. Juli ds. >Js. an die Hochwürdigsten Herrn Mitglieder der Fuldaer Bischofskonferenz geltend gemacht habe, aufrecht erhalten und eventuell mir die Hilfe des Heiligen Vaters erbitten.
Wie ich wiederholt erklärt habe, ist bei der Bemessung der widerruflichen Zuschüsse im Jahre 1906 meine Diözese zu kurz gekommen. Ich habe keine Mittel, die Staatsregierung von ihrem Standpunkte, die neue Dotation auf der Grundlage von 1906 zu erhöhen, abzubringen. Notgedrungen füge ich mich mit Ausnahme2 der Ablehnung des Zuschusses für3 St. Georgen in Frankfurt4 der Verteilung der Berliner Konferenz, obwohl sie gegenüber dem Verteilungsvorschlag der Staatsregierung eine Minderung um 2.700 RM jährlich für meine Diözese bedeutet.
I. W. Strieth
Diese Denkschrift ist eine Anlage zum Schreiben Bertrams an Pacelli (Dokument Nr. 573).
1Hds. rot unterstrichen: "Verteilung der konkordatsmässigen Staatsdotation".
2Hds. rot unterstrichen: "füge ich mich mit Ausnahme".
3Hds. rot unterstrichen: "Zuschusses für".
4Hds. rot unterstrichen: "Frankfurt".
Empfohlene Zitierweise
[Kilian, Augustin] an Bertram, Adolf Johannes vom 07. November 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 21145, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/21145. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 20.01.2020.