Dokument-Nr. 2762
Pacelli, Eugenio an Matt, Franz
München, 26. Mai 1923

[Kopie]
Euer Exzellenz
habe ich die Ehre die ergebenste Mitteilung zu machen, dass ich soeben die Anweisung des Heiligen Stuhles zu dem von Euer Exzellenz mit verehrtem Schreiben vom 6. März ds. Js. mir zugesandten Gegenentwurf eines neuen Konkordates erhalten habe. Um den Abschluss desselben möglichst zu beschleunigen, bin ich vom Hl. Stuhl beauftragt, der bayerischen Staatsregierung zunächst die Antwort betr. Art. XIII und XIV § 1 vorzulegen. Der Hl. Stuhl hegt das Vertrauen dass, wenn erst hinsichtlich dieser Punkte eine Einigung erzielt ist, es nicht allzu schwer sein dürfte, sich auch in den übrigen zu verständigen.
Art. XIII.
Zu § 1 Lit. b). Dem Hl. Stuhl ist dieser Passus nicht genügend klar; Er bittet daher die bayerische Staatsregierung um eine geneigte Erklärung darüber,
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"ob es sich bei dieser Bestimmung um den Besuch der betreffenden Schulen, oder nur um das Bestehen einer Prüfung handelt, und in dieser zweiten Annahme, ob um Prüfung an den Staatsgymnasien oder an irgend einer gleichwertigen Anstalt " . Nur in diesem letzteren Falle, und nach Vornahme einer klareren Fassung des Punktes oder wenigstens einer offiziellen schriftlichen Erklärung zu demselben, vermöchte der Hl. Stuhl den Vorschlag der Regierung anzunehmen.
Zu § 1 Lit. c). Der Hl. Stuhl ist nur dann in der Lage, diese Bestimmung anzunehmen, wenn die bayerische Staatsregierung erklärt, dass "es genüge, wenn der Geistliche die philosophisch-theologischen Studien an einem deutschen bischöflichen Seminar (das sehr wohl auch Hochschule genannt werden kann) in Rom macht".
Ohne die geforderten Aenderungen bzw. Erklärungen zu obigen zwei Punkten wäre es dem Heiligen Stuhl zu seinem grössten Bedauern nicht möglich, das Konkordat abzuschliessen.
Art. XIV § 1
Der Heilige Stuhl wird beim Abschluss neuer Vereinbarungen nirgends in der Welt seine Freiheit in Ernennung der Bischöfe einschränken lassen.1 Nur um Bayern einen besonderen Beweis seines Wohlwollens zu geben, ist Er bereit, als äusserstes Zugeständnis den bayerischen Domkapiteln zu ge-
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währen, dass sie alle drei Jahre direkt an den Heiligen Stuhl eine Liste von Kandidaten einreichen, die sie für das bischöfliche Amt als würdig und geeignet erachten; unter diesen – und den von den Hochwürdigsten Herren Bischöfen bezeichneten – behält sich der Heilige Stuhl freie Auswahl vor.
Der Heilige Stuhl wird ausserdem bezgl. der neuen Bischöfe an die bayerische Staatsregierung eine Anfrage richten, nur um zu erfahren, ob gegen sie keine Bedenken politischer Art bestehen. Der Heilige Stuhl kann infolgedessen in pflichtgemässer Wahrung Seiner Freiheit in einer Materie von so hoher Bedeutung, in der Er ausschliesslich zuständig ist, auf die von ihm vorgeschlagene Fassung nicht verzichten.
Mit der Bitte um baldige Stellungnahme beehre ich mich mit dem Ausdruck ausgezeichnetster Hochschätzung zu verharren als
Euer Exzellenz
ergebenster
(gez.) + Eugen Pacelli,
Erzbischof von Sardes,
Apostolischer Nuntius.
1"Der Heilige Stuhl […] einschränken lassen" hds. am linken Seitenrand von unbekannter Hand angestrichen, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Pacelli, Eugenio an Matt, Franz vom 26. Mai 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2762, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2762. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 24.10.2013.