Dokument-Nr. 497
Thoma, Franz Joseph an Pacelli, Eugenio
Bischofsreut, 03. Januar 1921

An die Hochwürdigste Apostolische Nuntiatur in München!
Der ehrfurchtsvollst und gehorsamst Unterzeichnete wagt es, nachstehenden Bericht, der aus bisher als sicher befundener Informationsquelle stammt, der gnädigsten Kenntnisnahme Eurer Excellenz zu unterbreiten, von der Überzeugung durchdrungen, daß durch dessen Inhalt eine neue Kunde des tschechischen Nachbarklerus kenntlich gemacht wird. Der mir berichtete Tatbestand ist folgender:
Zwischen dem 28. und 31. Dezember 1920 sprachen drei Herren der Pfarrei Böhmisch-Röhren, darunter ein Volksschullehrer, beim Konsistorium in Budweis vor, um über die Neubesetzung der Pfarrei Böhmisch-Röhren Bescheid zu erhalten.
Das Konsistorium versicherte, bis jetzt habe kein tschechischer Priester petitioniert; es sei also für Herrn Pfarrvikar Pechtl alle Aussicht vorhanden, Pfarrer von Böhmisch-Röhren zu werden. Leider habe man in der Diözese Budweis Mangel an deutschen Priestern.
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Ex-Pfarrer Divis sei politischer Spion gewesen; daher hätte es auch so schwer gehalten, ihn von Böhmisch-Röhren zu entfernen; es habe sogar Herr Abgeordneter Dr. Petersilka in Prag deshalb intervenieren müssen; ein Glück sei es gewesen, daß die Pfarrei Böhmisch-Röhren nicht Gewalt gegen Divis gebraucht habe, sonst wäre es den Leuten wohl schlimm ergangen.
Das Budweiser Konsistorium bestätigt somit die Wahrheit meines Berichtes an das Bischöfliche Ordinariat Passau sub N. 452 d. d. 1. Januar 1920 Ziffer 1; nach mir gewordener Zusicherung wurden meine sämmtlichen [sic] Berichte vom Bischöflichen Ordinariate Passau in Abschrift der Hochwürdigsten Apostolischen Nuntiatur in München zugeleitet, weshalb ich mir kurz darauf hinzuweisen erlaube.
Aus obiger Antwort des Budweiser Konsistoriums klingt als Unterton heraus die Entschuldigung wegen des bewiesenen Mangels an Entschiedenheit in der so traurigen Begebenheit. Gewiß mußte vorsichtig zu Werke gegangen werden; aber sicherlich war es nicht in der Ordnung, den so opfermutigen Herrn Pfarrvikar Pechtl brüsk zu ignorieren, gegen Divis aber eine Stellung einzunehmen, die genügend war, diesen eher in seiner unseligen Verblendung zu bestärken als zur
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Vernunft zurückzuführen. Ich erlaube mir hinzuweisen auf meinen Bericht sub N. 524 d. d. 18. April 1920 Ziffer 1; ferner auf N. 549 d. d. 16. Mai 1920 Ziffer 4; N. 557 d. d. 10. Juni 1920 Ziffer 2; N. 577 d. d. 22. Juni 1920 Ziffer 1 u. 2.
Unsagbar traurig wäre es ferner, wenn das Konsistorium in Budweis um die politische Spionage des Divis gewußt und dieselbe geduldet hätte. Ich möchte aus Ehrfurcht vor der hierarchischen Stellung eines Konsistoriums doch diesen Verdacht lieber abweisen, muß aber offen gestehen, daß mir dies schwer fällt unter ergebenstem Hinweis auf meinen Bericht N. 550 d. d. 21. Mai 1920 Ziffer 1 und 3.
Worauf ich aber das Augenmerk Eurer Excellenz lenken möchte, ist die gerechte Befürchtung, daß auch die noch übrigen tschechischen Priester im deutschen Sprachgebiete und an der Diözesangrenze insbesonders eine solch bedenkliche Rolle spielen; zum mindesten darf nach dieser Äußerung des Budweiser Konsistoriums über Divis eine amtliche Stellungnahme mit aller nur wünschenswerter Klarheit erwartet werden zu dieser das Priesterleben gewiß tiefst berührenden Gepflogenheit. Nachdem in solch autoritativer Form die Möglichkeit politischer Spionage seitens des tschechischen Klerus zugegeben wurde, ist die unausbleibliche Folge nur noch größeres Mißtrauen, ja Haß zwischen deutschen Gläubigen und tschechischem Klerus.
In aller Ehrfurcht zeichnet
Euer Excellenz
in Christo ergebenster Sohn und Diener
F. J. Thoma, Pfarrer.
Empfohlene Zitierweise
Thoma, Franz Joseph an Pacelli, Eugenio vom 03. Januar 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 497, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/497. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 25.06.2013.