Dokument-Nr. 4987
Kilian, Augustin an Pacelli, Eugenio
Limburg an der Lahn, 05. Januar 1918

Excellenz!
Selbstverständlich bin ich bereit, dem Wunsch des hl. Vaters wie in jeder anderen, so auch in der Sache des Priesters Dr. Karl Maria Kaufmann willig und gern Folge zu leisten. Da aber Kaufmann, wie es scheint, dem hl. Vater falsch berichtet hat, halte ich es für meine Pflicht, zuvor den Sachverhalt richtig vorzutragen.
Nicht frühere "Meinungsverschiedenheiten" haben mich zu dem Verbot an Kaufmann bestimmt, in Frankfurt Limburgischen Anteils die hl. Messe zu lesen. Dieses Verbot ist erst unter dem 13.4.1917 ergangen. Kaufmann wohnt aber schon seit 1911 in Frankfurt und hat dort bis zu dem genannten Termin von mir unbeanstandet zelebriert. Erst als ihn ein gewissenhafter und zuverlässiger Frankfurter Pfarrer verschiedener Vergehen in glaubwürdiger Weise bezichtigte, habe ich das fragliche Verbot erlassen. Kaufmann, der sich nicht klerikal kleidet, wird beschuldigt:
1. auf seinem Zimmer Hazardspiele zu veranstalten, wobei hohe Beträge umgesetzt würden. Selbst einfache Gesellen ziehe Kaufmann dazu heran. Zwei Spieler sind bereit, diese Sache eidlich zu bezeugen: ein Geselle und ein Oberlehrer.
Es sei Gefahr, dass die Polizei eingreife und ein Skandal entstehe;
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2. am Stammtische im Wirtshause sittlich unpassende, ärgerniserregende Reden geführt zu haben;
3. Cafés mit Damenbedienung, die in Mittel- und Norddeutschland verdächtige Lokale sind, besucht zu haben;
4. eine verdächtige Person als Haushälterin zu haben, die er für seine Nichte ausgebe und bald mit "Du" bald mit "Sie" anrede.
Auch für die Beschuldigungen sub 2-4 können Zeugen erbracht werden. Kaufmann hat beim Klerus wie bei hervorragenden katholischen Laien in Frankfurt kein gutes Renomé. Das Verbot, die hl. Messe zu lesen, dass ich übrigens unter Zustimmung sämmtlicher [sic] Domkapitulare gegeben habe, wurde dort beifällig aufgenommen.
Kaufmann bat sofort den Herrn Bischof von Fulda um die Erlaubnis, im Fuldaer Anteil von Frankfurt zelebrieren zu dürfen. Der Hochwürdigste Herr ersuchte mich um Angabe der Gründe meines Verbotes. Nachdem ihm dieselben bekannt gegeben waren, hat er, wie es scheint, Kaufmann die erbetene Erlaubnis nicht gegeben.
Excellenz! Frankfurt ist eine ganz moderne, für das sittliche Leben höchst gefährliche Stadt. Aber gerade sie wird von solchen Priestern, die aus ihren Diözesen auswandern – nicht selten wegen sittlicher Vergehen – mit Vorliebe zum Aufenthaltsorte gewählt. Ich habe keine Jurisdiktion über solche Priester. Sie sind jeder Aufsicht dort entrückt. Wir haben schon manchen Skandal dort erlebt. Solche Priester machen mir schwere Sorgen.
Das alles glaubte ich Euer Excellenz sagen zu müssen. Wenn trotzdem der hl. Stuhl wünscht, dass ich Kaufmann in Frankfurt zelebrieren lassen soll – in den übrigen Teilen der Diözese darf er ohnehin die hl. Messe lesen –,
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dann werde ich sofort mein Verbot aufheben.
Mit dem Ausdruck meiner tiefsten Verehrung bin ich
Ew. Excellenz
treu ergebener
Augustinus.
Empfohlene Zitierweise
Kilian, Augustin an Pacelli, Eugenio vom 05. Januar 1918, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4987, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4987. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 02.03.2011, letzte Änderung am 07.06.2011.