Religionsedikt in Bayern vom 26. Mai 1818

Das Konkordat zwischen dem Königreich Bayern und dem Heiligen Stuhl vom 5. Juni 1817 war insbesondere in den allgemeinen Deklarationen missverständlich formuliert. Bayern wollte dem Eindruck vorbeugen, dass es auf die aufklärerischen Grundsätze der Toleranz und Parität sowie auf alle alten und neuen Kirchenhoheitsrechte verzichte, weshalb es durch das sogenannte Religionsedikt eine authentische Auslegung des Konkordats vorlegte. Das Religionsedikt wurde der bayerischen Verfassung vom 26. Mai 1818 als II. Beilage angehängt und mit ihr am 17. Juni 1818 verkündet.
Es bestätigte die bisher geltende Toleranz- und Paritätsgesetzgebung und beanspruchte die Interpretation der mehrdeutigen Stellen des Konkordats im Sinne des staatlichen Standpunktes. Darüber hinaus wurde eine Reihe von Aufsichtsrechten des Staates wiedereingeführt. Dazu zählten beispielweise das königliche Plazet und der Recursus ab abusu.
Das Konkordat selbst wurde zusammen mit einem "Edikt über die inneren kirchlichen Angelegenheiten der protestantischen Gesamtgemeinde", dem sogenannten Protestantenedikt, am 22. Juli 1818 als Anhang zum Religionsedikt veröffentlicht. Beide waren aber nicht Bestandteil der Verfassung, sondern wurden als einfache Gesetze verkündet. Damit war das Konkordat nur für innerkirchliche Angelegenheiten gültig und gegenüber der Verfassung und dem Religionsedikt subsidiär.
Dagegen erhob sich scharfer Protest der Römischen Kurie und von Teilen des bayerischen Katholizismus. Insbesondere weigerten sich zahlreiche Kirchenmänner, den Eid auf die Verfassung zu leisten, der für alle Bürger vorgeschrieben war. Nach langen Verhandlungen wurde deshalb am 15. September 1821 die Tegernseer Erklärung König Maximilians I. verkündet, nach der sich u.a. der Verfassungseid nur auf bürgerliche Verhältnisse beziehe und niemand gezwungen werden könne, seinem Gewissen und kirchlichen Vorschriften zuwiderzuhandeln.
Diese Erklärung verdeckte den Widerspruch zwischen dem Konkordat und dem Religionsedikt nur oberflächlich und wurde während des 19. Jahrhunderts selbst unterschiedlich interpretiert. Letztendlich richtete sich die Staatspraxis nach dem Religionsedikt. Die katholische Kirche und der bayerische Staat fanden dennoch einen Modus vivendi, auch wenn die Münchener Nuntien stets dazu aufgefordert waren, auf eine Abschaffung des Religionsedikts hinzuarbeiten.
Quellen
Das Baierische Religionsedict, in: KREMER-AUENRODE, Hugo von (Hg.), Actenstücke zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche im 19. Jahrhundert I/II. Mit Anmerkungen von Hugo von Kremer-Augenrode, Bd. 1: Die Actenstücke bis zur Enzyclica und Syllabus vom 8. December 1864, Hildesheim / New York 1976, Nr. 4746, S. 39-49.
Das Religionsedikt vom 26. Mai 1818, in: HAUSBERGER, Karl, Staat und Kirche nach der Säkularisation. Zur bayerischen Konkordatspolitik im frühen 19. Jahrhundert, St. Ottilien 1983, S. 331-344.
Edict über die äußern Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften (Zweyte Beylage zur Verfassungs-Urkunde des Reichs. Tit. IV. §. 9.) vom 26. Mai 1818, in: Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1818, Sp. 149-180, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 25.01.2016).
Edikt über die äußeren Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreiches Bayern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften, in: HUBER, Ernst Rudolf / HUBER, Wolfgang (Hg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Bd. 1: Staat und Kirche vom Ausgang des alten Reichs bis zum Vorabend der bürgerlichen Revolution, Berlin 21990 ND Darmstadt 2014, Nr. 60, S. 128-139.
Literatur
BÖTTCHER, Hartmut / SEPP, Florian, Staatskirchenhoheit (19./20. Jahrhundert), in: Historisches Lexikon Bayerns, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 25.01.2016).
HAUSBERGER, Karl, Staat und Kirche nach der Säkularisation. Zur bayerischen Konkordatspolitik im frühen 19. Jahrhundert (Münchener theologische Studien. Historische Abteilung 23), St. Ottilien 1983.
PATIN, Wilhelm August, Das Bayerische Religionsedikt vom 26. Mai 1818 und seine Grundlagen. Eine staatskirchenrechtliche Studie, Erlangen 1918.
WEIS, Eberhard, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825), in: SCHMID, Alois (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Teilbd. 1: Staat und Politik, München 22003, S. 3-126, hier 109-113.
Empfohlene Zitierweise
Religionsedikt in Bayern vom 26. Mai 1818, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 13060, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/13060. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 26.06.2019.
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