Reichsrat, Weimarer Republik

Der Reichsrat war als ständige Versammlung der Bevollmächtigten der Regierungen der einzelnen Staaten Ausdruck und Organ des Föderalismus in der Weimarer Republik. Seine verfassungsmäßigen Grundlagen waren in den Artikeln 60 bis 67 der Weimarer Reichsverfassung festgelegt. Bei den Bevollmächtigten, deren Mandat instruktionsgebunden war, handelte es sich um jeweils dazu bestimmte Regierungsmitglieder. Die Ministerpräsidenten nahmen in der Regel stimmführend an den Sitzungen teil.
Die Stimmverteilung im Gremium war an das Verhältnis der Bevölkerungszahlen der Länder gebunden. Pro 1 Million Einwohner, seit der Verfassungsänderung vom 24. März 1921 pro 700.000 Einwohner, gab es eine Stimme, ein bestimmtes Plus brachte eine zusätzliche Stimme (Art. 61). Unabhängig von seiner Bevölkerungszahl erhielt jedes Land mindestens eine Stimme.
Gegen das Übergewicht Preußens im Reich gab es eine Reihe von Bestimmungen. So war sein Anteil an den Reichsratsitzen auf 40 Prozent begrenzt, obgleich in Preußen 3/5 der deutschen Bevölkerung lebten. Daneben musste die Hälfte der preußischen Bevollmächtigten aus Vertretern der Provinzen bestehen, die von Provinzialverwaltungen bestimmt wurden und ein freies Mandat ausübten.
Hinsichtlich seines tatsächlichen Einflusses war der Reichsrat jedoch dem Reichstag und dem Reichspräsidenten eindeutig unterlegen. Er konnte zwar Gesetzesvorlagen in den Reichstag einbringen, gegenüber der Gesetzgebung des Reichstags besaß er aber lediglich ein suspensives Einspruchrecht. Des Weiteren hatte der Reichsrat keine Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse bei Notverordnungen des Reichspräsidenten nach Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung. Seine Einberufung erfolgte durch die Reichsregierung, ihm stand kein Selbstversammlungsrecht zu und seinen Vorsitz führte ein Kabinettsmitglied der Reichsregierung.
Quellen
Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, in: http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/verfassung/index.html (Letzter Zugriff am: 05.11.2012).
Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: Reichsgesetzblatt 152 (1919), S. 1383-1418, hier 1394 f., in: www.lwl.org (Letzter Zugriff am: 05.11.2012).
Die Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 11. August 1919, in: Reichsgesetzblatt 152 (1919), S. 1383-1418, hier 1394 f., in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 05.11.2012).
Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, in: HUBER, Ernst Rudolf (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4: Deutsche Verfassungsdokumente 1919-1933, Stuttgart u. a.31991, Nr. 57, S. 151-179, hier 160 f.
Gesetz über die Vertretung der Länder im Reichstag. Vom 24. März 1921, in: Reichgesetzblatt 1921, Nr. 40 (1921), S. 440, in: alex.onb.ac.at (Letzter Zugriff am: 05.11.2012).
Literatur
KOLB, Eberhard, Die Weimarer Republik (Oldenbourg Grundrisse der Geschichte 16), München 72009, S. 19.
BÜTTNER, Ursula, Weimar. Die überforderte Republik. 1918-1933, in: BENZ, Wolfgang (Hg.), Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 18: 20. Jahrhundert (1918-2000), Stuttgart 102010, S. 171-767, hier S. 342, 244 f.
HUBER, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 6: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 373-389.
LILLA, Joachim (Bearb.), Der Reichsrat. Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs 1919-1934. Ein biographisches Handbuch unter der Einbeziehung des Bundesrates Nov. 1918 – Febr. 1919 und des Staatenausschusses Febr. – Aug. 1919 (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 14), Düsseldorf 2006.
Empfohlene Zitierweise
Reichsrat, Weimarer Republik, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 18119, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/18119. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 25.02.2019.
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